Blockade in Freiburger Einkaufszentrum: Klima-Aktivisten nicht wegen Nötigung strafbar

Sieben Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten haben sich mit der Blockade der Eingangshalle eines Einkaufszentrums in Freiburg nicht der Nötigung schuldig gemacht. Der bei der friedlichen Aktion ausgeübte Druck auf Dritte erreichte nicht die dazu erforderliche Intensität, zumal die Kundschaft das Gebäude über andere Zugänge betreten und verlassen konnte. Das Bundesgericht weist im Urteil 6B_138/2023 vom 18. November 2023 die Beschwerde der Freiburger Staatsanwaltschaft ab.

Sachverhalt

Am „Black Friday“ Ende November 2019 blockierten Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten ab 17:00 Uhr die Eingangshalle eines Einkaufszentrums in der Stadt Freiburg. Sie verwendeten dazu Einkaufswagen und Bretter, an die sie sich teilweise anketteten. Gegen 19:00 Uhr räumte die Polizei die Blockade.

Instanzenzug

Sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die der polizeilichen Aufforderung zum Verlassen des Gebäudes nicht nachkamen, wurden vom Kantonsgericht des Kantons Freiburg 2022 wegen Zuwiderhandlung gegen Anordnungen oder Massnahmen der Polizei zu Bussen von 150 Franken verurteilt. Die erstinstanzlichen Schuldsprüche wegen Nötigung hob es auf. Die Freiburger Staatsanwaltschaft gelangte ans Bundesgericht und beantragte die zusätzliche Verurteilung der Betroffenen wegen Nötigung.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_138/2023 vom 18. November 2023

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Der Nötigung macht sich unter anderem strafbar, wer jemanden durch die Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Das Bundesgericht hat kürzlich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) daran erinnert, dass staatliche Behörden bei unbewilligten, aber gewaltfreien Versammlungen eine gewisse Toleranz üben müssen, damit die Versammlungsfreiheit nicht ihres Gehaltes entleert wird (Urteil 6B_246/2022). Die Grenzen behördlicher Toleranz ergeben sich aufgrund der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Dauer und des Umfangs der Störung. Als strafwürdig erachtete der EGMR etwa die fast vollständige Blockade von drei wichtigen Autobahnen. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Demonstration gewaltfrei verlief. Die Blockade des Eingangs eines Einkaufszentrums stand in einem direkten Zusammenhang mit dem Gegenstand des Protests anlässlich des „Black Friday“. Zwar wurden Kunden am Zu- und Weggang gehindert, was zu einer gewissen Unruhe führte. Die Aktion war jedoch so strukturiert, dass die anderen Zugänge des Einkaufszentrums frei blieben und die Kunden mit einem kleinen Umweg das Gebäude betreten oder verlassen konnten. Der dabei auf die Passanten ausgeübte Zwang ist nicht mit der Blockade dreier Autobahnen vergleichbar; die fragliche Aktion bedeutete keine ernsthafte Störung des Alltagslebens. Das Kantonsgericht ging gemäss dem Bundesgericht insgesamt zu Recht davon aus, dass die Aktion durch die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit geschützt ist und keine Nötigung darstellt.

Hier ist die Schlüsselausführung des Bundesgerichts im Urteil 6B_138/2023 vom 18. November 2023:

«Il est reproché en l’espèce aux intimés d’avoir intentionnellement bloqué l’entrée principale du centre commercial. Cette obstruction n’était pas un effet indirect d’un rassemblement, mais la conséquence d’une action intentionnelle des intimés, qui souhaitaient attirer l’attention de l’opinion publique sur la journée commerciale dite „black friday“. Leur action visait directement une activité qu’ils réprouvaient, à savoir la surproduction et la surconsommation, et représentait un lien direct avec l’objet de leur contestation. Selon l’arrêt cantonal, l’obstruction de l’accès principal a créé quelques inquiétudes auprès des clients du centre commercial qui ont été empêchés de sortir de l’immeuble à cet endroit. Le rapport de police a relevé à cet égard que pour éviter des mouvements de foule, il a été nécessaire de rediriger les clients vers les autres sorties et de séparer les manifestants des badauds à l’aide de rubalises afin d’éviter tout débordement de la part de clients mécontents. Les intimés ont toutefois structuré leur action de manière à laisser accessibles les autres portes du centre commercial, de sorte que les clients et passants ont pu entrer ou sortir moyennant un petit détour. La contrainte exercée par les intimés sur les passants n’est donc pas comparable au blocage complet de trois autoroutes qui avait causé des embouteillages et de longues files dans l’affaire Kudrevicius ou à l’opération escargot sur une autoroute qui avait duré cinq heures dans l’affaire Barraco, affaires dans lesquels la CourEDH avait considéré que le blocage de la circulation avait été au-delà des nuisances normales causées par une manifestation et justifiait en conséquence une condamnation pénale.  Au vu des circonstances, notamment de la possibilité d’emprunter d’autres entrées/sorties, l’obstruction de l’entrée principale du centre commercial qui était en lien direct avec le but de la manifestation ne saurait en conséquence constituer une perturbation sérieuse de la vie quotidienne et constituer un „acte répréhensible“. La cour cantonale pouvait ainsi admettre que l’action des intimés était protégée par la liberté d’expression et de réunion et les libérer du chef de prévention de l’infraction de contrainte.» (E.3.4.2)

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