Berücksichtigung von Aussageverweigerung bei Beweiswürdigung

Im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023 aus dem Kanton Schwyz befasste sich das Bundesgericht mit einer Geschwindigkeitsübertretung und der entsprechenden Beweisführung (E.1.3.2 ff.). Kern des Urteils ist die Aussageverweigerung des Ehemannes (und des Fahrzeughalters) der verurteilten Beschwerdeführerin und deren Einbezug in die Beweiswürdigung. Das Bundesgericht erklärte hierzu: «Demgegenüber ist es […] nicht ausgeschlossen, das Aussageverhalten der beschuldigten Person in die freie Beweiswürdigung miteinzubeziehen, so insbesondere, wenn sie sich weigert, zu ihrer Entlastung erforderliche Angaben zu machen, bzw. es unterlässt, entlastende Behauptungen näher zu substanziieren, obschon eine Erklärung angesichts der belastenden Beweiselemente vernünftigerweise erwartet werden darf […]. Das Schweigen der beschuldigten Person darf in Situationen, die nach einer Erklärung rufen, bei der Gewichtung belastender Elemente mitberücksichtigt werden, es sei denn, die beschuldigte Person berufe sich zu Recht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht […]. Die fehlende Mitwirkung der beschuldigten Person im Strafverfahren darf demnach nur unter besonderen Umständen in die Beweiswürdigung miteinfliessen. Die zitierte Rechtsprechung führt nicht zu einer Beweislastumkehr, sondern lediglich dazu, dass auf die belastenden Beweise abgestellt werden darf […]» (E.1.6.3). Im vorliegenden Fall sah das Bundesgericht eine solche Konstellation als gegeben und wies die Beschwerde ab (E.1.6.4).

Sachverhalt

Der A. wird vorgeworfen, sie habe am 13. Juni 2020, ca. 22.48 Uhr, in U.. V. strasse, Fahrtrichtung W., den Personenwagen der Marke X. mit den Kontrollschildern xxx bei einer signalisierten Geschwindigkeit von 50 km/h mit einer Geschwindigkeit von 81 km/h, bzw. unter Abzug der Toleranz von 5 km/h mit einer strafbaren Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h, gelenkt. Dadurch habe sie die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer ernsthaft gefährdet. A. habe sich nicht darum gekümmert, wie schnell sie hätte fahren dürfen und habe damit sowohl die Geschwindigkeitsüberschreitung als auch die dadurch hervorgerufene ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer zumindest billigend in Kauf genommen.

Instanzenzug

Am 9. Februar 2022 sprach die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Schwyz A. der vorsätzlichen groben Verkehrsregelverletzung durch Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit schuldig und bestrafte sie mit einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 160.– und einer Verbindungsbusse von Fr. 800.–.

Auf Berufung von A. hin sprach das Kantonsgericht Schwyz sie mit Urteil vom 7. Februar 2023 ebenfalls der vorsätzlichen groben Verkehrsregelverletzung durch Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit schuldig und bestrafte sie mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 170.– und einer Verbindungsbusse von Fr. 800.–. Den Vollzug der Geldstrafe schob es auf, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.

Weiterzug ans Bundesgericht

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A., das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 7. Februar 2023 sei aufzuheben und sie sei vom Vorwurf der vorsätzlichen groben Verkehrsregelverletzung durch Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit freizusprechen. Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023

Die Beschwerdeführerin wendet sich vor Bundesgericht gegen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher grober Verkehrsregelverletzung durch Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit i.S.v. Art. 90 Abs. 2 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 4a Abs. 5 VRV. Dabei beanstandet sie einerseits die vorinstanzliche Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht (Art. 9 BV, Art. 182 StPO) und macht andererseits eine Verletzung des Aussageverweigerungsrechts geltend (Art. 113 StPO) (E.1.1).

Die Vorinstanz erwägt, zusammengefasst durch das Bundesgericht, zahlreiche Indizien würden für die Täterschaft der Beschwerdeführerin sprechen: «Zunächst bestehe eine deutliche Ähnlichkeit zwischen der auf dem Radarfoto abgebildeten Person und der Beschwerdeführerin. Es seien keine die Identität ausschliessenden Merkmale festgestellt worden. Zudem sei der Ehemann der Beschwerdeführerin, mit dem sie im gleichen Haushalt wohne und der als Lenker ausser Betracht falle, Halter des Fahrzeugs. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei in der Nähe ihres Wohnorts begangen worden. Die gemeinsamen Töchter hätten zum Tatzeitpunkt nicht mehr im gleichen Haushalt gelebt und könnten als Täterinnen mangels Ähnlichkeit zur Person auf dem Radarfoto ausgeschlossen werden. Anhaltspunkte, dass andere Personen mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann im gleichen Haushalt leben würden oder Zugriff auf das Fahrzeug hätten, lägen keine vor. Weiter führt die Vorinstanz aus, sämtliche einvernommenen weiblichen Personen hätten die Aussage verweigert und sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, obwohl die Indizienlage nach einer Erklärung rufe. Zudem seien entlastende Indizien oder konkrete Hinweise auf eine andere Täterschaft, die eine entsprechende Ähnlichkeit zur Person auf dem Radarfoto aufweisen müsste wie die Beschwerdeführerin, nicht vorhanden. Ohne Zweifel erachtet die Vorinstanz gestützt darauf die Täterschaft der Beschwerdeführerin als erstellt.» (E.1.2)

Zur Kognition des Bundesgerichts

Zum Thema der Kognition führt das Bundesgericht im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023 Folgendes aus:

«Willkür liegt nach ständiger Praxis nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, das heisst wenn die Behörde von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt nicht (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 143 IV 500 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Demnach ist anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung willkürlich sein soll (BGE 141 IV 369 E. 6.3). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 205 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen).  Dem Grundsatz „in dubio pro reo“ kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 297 E. 2.2.5, 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; je mit Hinweisen).» (E.1.3.1)

Zur Beweiswürdigung in diesem SVG-Fall

Zum Thema Beweise erklärt das Bundesgericht im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023 Folgendes:

«Liegen keine direkten Beweise vor, ist nach der Rechtsprechung auch ein indirekter Beweis zulässig. Beim Indizienbeweis wird aus bestimmten Tatsachen, die nicht unmittelbar rechtserheblich, aber bewiesen sind (Indizien), auf die zu beweisende, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache geschlossen. Eine Mehrzahl von Indizien, welche für sich allein betrachtet nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache oder Täterschaft hindeuten und insofern Zweifel offenlassen, können in ihrer Gesamtheit ein Bild erzeugen, das den Schluss auf den vollen rechtsgenügenden Beweis von Tat oder Täter erlaubt (Urteile 6B_1149/2020 vom 17. April 2023 E. 2.3.2.2; 6B_926/2020 vom 20. Dezember 2022 E. 1.4.3; 6B_1302/2020 vom 3. Februar 2021 E. 1.2.3, nicht publ. in BGE 147 IV 176; je mit Hinweisen).  Würdigt das Gericht einzelne belastende Indizien willkürlich oder lässt es entlastende Umstände willkürlich ausser Acht, führt dies nicht zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Urteils durch das Bundesgericht. Die Beschwerde ist nur gutzuheissen, wenn der Entscheid auch bei objektiver Würdigung des gesamten Beweisergebnisses offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich ist. Die beschwerdeführende Partei, die vor Bundesgericht eine willkürliche Beweiswürdigung rügt, darf sich daher nicht darauf beschränken aufzuzeigen, wie einzelne Indizien willkürfrei zu würdigen gewesen wären. Sie muss sich vielmehr mit der gesamten Beweislage befassen und darlegen, inwiefern aus ihrer Sicht auch der aus der Gesamtheit der verschiedenen Indizien gezogene Schluss geradezu willkürlich ist (Urteile 6B_1149/2020 vom 17. April 2023 E. 2.3.2.2; 6B_926/2020 vom 20. Dezember 2022 E. 1.4.4; je mit Hinweisen).» (E.1.3.2)

Die Beschwerdeführerin rügt vor Bundesgericht, obwohl aufgrund fehlender Kenntnisse und Fähigkeiten zur Feststellung des Sachverhalts eine sachverständige Person beigezogen worden sei, habe sich die Vorinstanz ohne Not und ohne Begründung über die wissenschaftlich abgestützte Beurteilung des beauftragten Sachverständigen hinweggesetzt (E.1.4.1).

Das Bundesgericht erwidert hierzu im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023 Folgendes:

«Das Gericht würdigt Gutachten nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich frei (Art. 10 Abs. 2 StPO). In Fachfragen darf es davon indessen nicht ohne triftige Gründe abweichen und es muss Abweichungen begründen. Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 146 IV 114 E. 2.1; 142 IV 49 E. 2.1.3; Urteile 6B_647/2023 vom 18. August 2023 E. 2.2.3; 6B_766/2022 vom 17. Mai 2023 E. 3.3; je mit Hinweisen). Insgesamt ist vorliegend nicht ersichtlich und vermag die Beschwerdeführerin auch nicht darzutun, inwieweit die Vorinstanz in Verletzung von Art. 182 StPO von der sachverständigen Beurteilung abweiche und damit in Willkür verfalle. Insgesamt erweist sich die Rüge der Beschwerdeführerin, wonach die Vorinstanz ohne Not und willkürlich vom Gutachten abweicht, als unbegründet. Nicht zu beanstanden ist schliesslich, wenn die Vorinstanz erwägt, die erkennbare Ähnlichkeit in Bezug auf die beschreibbaren Merkmale der Gesichtsmorphologie gemäss Untersuchungsbericht alleine reiche nicht aus, um die Täterschaft der Beschwerdeführerin bzw. ihre Identität mit der fahrzeuglenkenden Person festzustellen; dennoch könne sie als Indiz für ihre Täterschaft gewertet werden.» (E.1.4.2)

Nebst den im Untersuchungsbericht enthaltenen morphologischen Merkmalen setzt sich die Vorinstanz mit weiteren Indizien auseinander, bemerkt das Bundesgericht (E.1.5.1).

Das Bundesgericht erklärt hierzu im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023 Folgendes:

«Insgesamt ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz eine deutliche Ähnlichkeit zwischen der Beschwerdeführerin und der fahrzeuglenkenden Person feststellt. Die Vorinstanz setzt sich nicht in willkürlicher Weise über den Untersuchungsbericht hinweg. Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass die Vorinstanz für die Annahme, es sei eine deutliche Ähnlichkeit erkennbar, nicht nur auf die von ihr genannten Elemente abstellt, sondern zu Recht auch weitere miteinbezieht. Ebenso überzeugend führt die Vorinstanz aus, die erkennbare Ähnlichkeit alleine reiche nicht aus, um die Täterschaft der Beschwerdeführerin bzw. ihre Identität mit der fahrzeuglenkenden Person festzustellen, könne aber dennoch als Indiz für die Täterschaft gewertet werden.  Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.» (E.1.5.2)

Zur «Mitwirkungspflicht» des Ehemannes

Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine Verletzung von Art. 113 StPO (E.1.6).  Sie macht vor Bundesgericht geltend, die Vorinstanz leite aus dem Umstand, dass das geblitzte Fahrzeug auf den Ehemann der Beschwerdeführerin eingelöst sei, eine Mitwirkungspflicht ab und würdige das Schweigen der Beschwerdeführerin zu ihren Ungunsten. Sie stellt sich auf den Standpunkt, in dieser Konstellation bestehe für sie keine Mitwirkungspflicht und keine Pflicht zu einer Entlastungsaussage (E.1.6.1).

Die Vorinstanz erwog hierzu, zusammengefasst durch das Bundesgericht, Folgendes:

«Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin sowie die übrigen einvernommenen Personen hätten sämtliche Aussagen mit Ausnahme derjenigen zu ihren Personalien verweigert. An der Berufungsverhandlung habe die Beschwerdeführerin lediglich die Ergänzungsfragen der Verteidigung beantwortet. Damit hätten es sowohl die Beschwerdeführerin als auch die übrigen einvernommenen Personen unterlassen, die Täterschaft der Beschwerdeführerin zu bestreiten und entlastende Tatsachen vorzubringen. Dass die Beschwerdeführerin nicht die Lenkerin gewesen sei, ergebe sich lediglich aus den Ausführungen der Verteidigung; doch auch diese bringe nicht konkret vor, eine andere Person sei zum Tatzeitpunkt gefahren oder habe das Fahrzeug des Ehemanns der Beschwerdeführerin zumindest gelegentlich genutzt. Vielmehr habe sich die Verteidigung darauf beschränkt, abstrakte und theoretische Möglichkeiten anderer Lenkerinnen aufzuzählen. Aufgrund der Umstände, dass eine deutliche Ähnlichkeit zwischen der Beschwerdeführerin und der auf dem Radarfoto abgebildeten Person bestehe, der Untersuchungsbericht weder die Ähnlichkeit noch die Täterschaft der Beschwerdeführerin ausschliesse, der Ehemann der Beschwerdeführerin der Halter des betroffenen Fahrzeugs sei und aufgrund des Radarfotos selber nicht der Täter sein könne, neben ihnen keine weiteren Personen im gleichen Haushalt bekannt sowie keine anderen als Lenker in Frage kommenden Personen mit einer entsprechenden Ähnlichkeit zur auf dem Radarfoto abgebildeten Person ersichtlich seien, und die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht weit vom Wohnort der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns begangen worden sei, rufe die Situation nach einer zumindest plausiblen Erklärung der Beschwerdeführerin. Da sie eine solche unterlasse bzw. nicht über theoretische Möglichkeiten hinaus konkret substanziiere, wer sonst gefahren sei, und sich weder die Beschwerdeführerin noch eine der übrigen einvernommenen weiblichen Personen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, sei das Aussageverhalten der Beschwerdeführerin bei der Gewichtung der belastenden Elemente mitzuberücksichtigen und ebenfalls als Indiz für ihre Täterschaft zu werten.» (E.1.6.2)

Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023 generell-abstrakt, eine der Schlüsselstellen dieses Urteils: wie folgt:

«Gemäss Art. 113 Abs. 1 StPO muss sich die beschuldigte Person nicht selbst belasten. Sie hat namentlich das Recht, die Aussage und Mitwirkung im Strafverfahren zu verweigern. Sie muss sich aber den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmassnahmen unterziehen. Das Recht, zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, gehört zum allgemein anerkannten internationalen Standard eines fairen Verfahrens (BGE 147 I 57 E. 5.1; 144 I 242 E. 1.2.1; je mit Hinweis). Gegen das Verbot des Selbstbelastungszwangs verstösst zum Beispiel ein strafbewehrter Befehl an die beschuldigte oder an eine andere aussageverweigerungsberechtigte Person, potentiell belastende Beweisunterlagen herauszugeben oder belastende Aussagen gegen sich oder (im Rahmen des Aussageverweigerungsrechts) eine andere Person zu machen (BGE 142 IV 207 E. 8.3.1 mit Hinweisen). Unzulässig wäre es ferner auch, das Schweigen der beschuldigten Person als Indiz für ihre Schuld zu werten (BGE 138 IV 47 E. 2.6.1 mit Hinweisen). Demgegenüber ist es – wie das Bundesgericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen John Murray gegen Vereinigtes Königreich (Urteil vom 8. Februar 1996, Nr. 18731/91) festgestellt hat – nicht ausgeschlossen, das Aussageverhalten der beschuldigten Person in die freie Beweiswürdigung miteinzubeziehen, so insbesondere, wenn sie sich weigert, zu ihrer Entlastung erforderliche Angaben zu machen, bzw. es unterlässt, entlastende Behauptungen näher zu substanziieren, obschon eine Erklärung angesichts der belastenden Beweiselemente vernünftigerweise erwartet werden darf (Urteile 6B_1018/2021 vom 24. August 2022 E. 1.3.1; 6B_1202/2021 vom 11. Februar 2022 E. 1.8.2; 6B_1302/2020 vom 3. Februar 2021 E. 1.4.4, nicht publ. in: BGE 147 IV 176; je mit Hinweisen). Das Schweigen der beschuldigten Person darf in Situationen, die nach einer Erklärung rufen, bei der Gewichtung belastender Elemente mitberücksichtigt werden, es sei denn, die beschuldigte Person berufe sich zu Recht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht (Urteile 6B_1202/2021 vom 11. Februar 2022 E. 1.8.2; 6B_299/2020 vom 13. November 2020 E. 2.3.3; je mit Hinweisen). Die fehlende Mitwirkung der beschuldigten Person im Strafverfahren darf demnach nur unter besonderen Umständen in die Beweiswürdigung miteinfliessen. Die zitierte Rechtsprechung führt nicht zu einer Beweislastumkehr, sondern lediglich dazu, dass auf die belastenden Beweise abgestellt werden darf (Urteile 6B_1205/2022 vom 22. März 2023 E. 2.4.1; 6B_1302/2020 vom 3. Februar 2021 E. 1.4.4, nicht publ. in: BGE 147 IV 176).» (E.1.6.3).

Fallbezogen erklärt das Bundesgericht im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023:

«Eine solche Konstellation ist vorliegend gegeben. Die Vorinstanz durfte vorliegend das Schweigen der Beschwerdeführerin in ihre Beweiswürdigung miteinbeziehen. Angesichts der Indizienlage – der Ehemann der Beschwerdeführerin ist Halter des Fahrzeugs, es besteht eine Ähnlichkeit zwischen der Beschwerdeführerin und der auf dem Radarfoto abgebildeten Person, die Geschwindigkeitsüberschreitung fand in der Nähe des Wohnorts der Ehegatten statt und es waren keine weiteren Personen im gleichen Haushalt bekannt, es kamen keine anderen Lenker in Frage mit einer Ähnlichkeit zur auf dem Radarfoto abgebildeten Person – durfte eine plausible Erklärung seitens der Beschwerdeführerin, wer konkret gefahren sein soll, vernünftigerweise erwartet werden. Der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach diese Rechtsprechung nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen die beschuldigte Person selbst nicht die Halterin des Fahrzeugs sei, verfängt nicht (vgl. dazu beispielsweise Urteil 6B_1018/2021 vom 24. August 2022 E. 1.3.2). Wie die Vorinstanz in diesem Zusammenhang überzeugend erwägt, schliesst der Umstand, dass die Beschwerdeführerin Halterin von zwei anderen Fahrzeugen ist, nicht aus, dass sie das Fahrzeug ihres Ehemanns zum Tatzeitpunkt lenkte. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin leitet die Vorinstanz denn auch nicht aus der Haltereigenschaft des Ehemanns eine Mitwirkungs- bzw. Aussagepflicht ab. Vielmehr zeigt sie die konkreten Umstände auf, die zumindest nach einer plausiblen Erklärung rufen. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht, zumal sie – wie die Vorinstanz zu Recht ausführt – lediglich abstrakte und theoretische Möglichkeiten anderer Lenkerinnen aufzählt und sich dabei aber nicht mit der von der Vorinstanz präsentierten Ausgangslage auseinandersetzt.» (E.1.6.4)

«Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt auch keine Beweislastumkehr vor. Ihre diesbezüglichen Ausführungen gehen fehl. Wie bereits dargetan, führt die zitierte Rechtsprechung gerade nicht zu einer Beweislastumkehr, sondern lediglich dazu, dass auf die belastenden Beweise abgestellt werden darf (vgl. oben E. 1.6.3). Vorliegend durfte die Vorinstanz demnach das Schweigen der Beschwerdeführerin aufgrund der konkreten Umstände in ihre Beweiswürdigung miteinbeziehen; dies tut sie im Übrigen ohnehin nur in untergeordneter Weise. Insgesamt begründet sie ihren Beweisschluss sorgfältig und willkürfrei anhand diverser Indizien. […]» (E.1.6.5)

Das Bundesgericht wies die Beschwerde im Urteil 6B_546/2023 vom 13. November 2023 ab (E.2)

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