Art. 189 StGB (sexuelle Nötigung) durch Gesamtheit von Anwendung von Gewalt und psychischem Druck

Im Urteil 6B_838/2024 vom 2. Dezember 2024 aus dem Kanton Bern befasste sich das Bundesgericht mit dem Tatbestand von Art. 189 StGB (sexuelle Nötigung). Zu beurteilen war die (besondere) Tatbestandsvariante, dass die Anwendung von Gewalt und psychischem Druck als Gesamtheit zum angeklagten Vorfall geführt hatte. Bundesgericht wies die Beschwerde ab und machte dabei u.a. die folgenden Ausführungen: «Aus der gesetzlich vorgesehenen Tatbestandsvariante des Unter-Druck-Setzens folgt, dass sich die Ausweglosigkeit der Situation auch ergeben kann, ohne dass der Täter eigentliche Gewalt anwendet. Es kann vielmehr genügen, dass dem Opfer ein Widersetzen unter den gegebenen Umständen aus anderen Gründen nicht zuzumuten ist […]. Der psychische Druck, den der Täter durch die Schaffung einer Zwangslage erzeugen muss, hat indes von besonderer Intensität zu sein. Die Einwirkung auf das Opfer muss erheblich sein und eine der Gewaltanwendung oder Bedrohung vergleichbare Intensität erreichen. Dies ist der Fall, wenn vom Opfer unter den gegebenen Umständen und in Anbetracht seiner persönlichen Verhältnisse verständlicherweise kein Widerstand erwartet werden kann bzw. ihm ein solcher nicht zuzumuten ist […], Die Auslegung von Art. 189 StGB hat sich insoweit insbesondere an der Frage der zumutbaren Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers zu orientieren […].» (E.4.1.2). «Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz ist vertretbar. Auch wenn der Beschwerdeführer physisch nicht grob vorging, befand sich die Beschwerdegegnerin 2 in einer ausweglosen Zwangssituation. Aus den konkreten Umständen des vorliegenden Falls ergibt sich, dass er bei der Beschwerdegegnerin 2 einen psychischen Druck erzeugte, der geeignet war, ihren Widerstandswillen zu brechen. Aus dem Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 ergab sich hinreichend deutlich, dass sie den Beschwerdeführer nicht oral befriedigen wollte. […]» (E.4.4).

Sachverhalt

Dem A. (Beschwerdeführer) wird vorgeworfen, er habe B. (Beschwerdegegnerin 2) am 8. August 2021 auf der Kleinen Schanze in Bern genötigt, ihn oral zu befriedigen.

Instanzenzug

Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte A. am 14. Juni 2024 zweitinstanzlich wegen sexueller Nötigung zu einem bedingten Freiheitsentzug von 3 Monaten und zur Bezahlung einer Genugtuung von Fr. 3’000.– nebst Zins zu 5 % seit 8. August 2021 an B. Im Übrigen verwies es die Zivilforderungen auf den Zivilweg.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_838/2024 vom 2. Dezember 2024  

Auf verschiedene Rügen des Beschwerdeführers wird hier nicht eigegangen (vgl. E.2 und E.2).

Der Beschwerdeführer rügt vor Bundesgericht u.a. eine Verletzung von Art. 189 StGB (E.4).

Das Bundesgericht äussert sich dazu generell-abstrakt zunächst wie folgt:

«Eine sexuellen Nötigung im Sinne von Art. 189 Abs. 1 StGB begeht, wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht. Vorausgesetzt ist, dass der Täter das Opfer durch eine Nötigungshandlung dazu bringt, eine sexuelle Handlung zu erdulden oder vorzunehmen (BGE 148 IV 234 E. 3.3; 131 IV 167 E. 3; je mit Hinweisen).» (E.4.1.1).

«Aus der gesetzlich vorgesehenen Tatbestandsvariante des Unter-Druck-Setzens folgt, dass sich die Ausweglosigkeit der Situation auch ergeben kann, ohne dass der Täter eigentliche Gewalt anwendet. Es kann vielmehr genügen, dass dem Opfer ein Widersetzen unter den gegebenen Umständen aus anderen Gründen nicht zuzumuten ist (BGE 148 IV 234 E. 3.3; 128 IV 106 E. 3a/bb; je mit Hinweisen). Der psychische Druck, den der Täter durch die Schaffung einer Zwangslage erzeugen muss, hat indes von besonderer Intensität zu sein. Die Einwirkung auf das Opfer muss erheblich sein und eine der Gewaltanwendung oder Bedrohung vergleichbare Intensität erreichen. Dies ist der Fall, wenn vom Opfer unter den gegebenen Umständen und in Anbetracht seiner persönlichen Verhältnisse verständlicherweise kein Widerstand erwartet werden kann bzw. ihm ein solcher nicht zuzumuten ist (BGE 131 IV 167 E. 3.1 mit Hinweisen). Die Auslegung von Art. 189 StGB hat sich insoweit insbesondere an der Frage der zumutbaren Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers zu orientieren (BGE 128 IV 106 E. 3b mit Hinweisen; zum Ganzen: Urteile 6B_1050/2023 vom 21. Dezember 2023 E. 3.3.4; 6B_388/2021 vom 7. Juni 2023 E. 1.2.3; je mit Hinweisen).» (E.4.1.2).

Fallbezogen geht es dann im Urteil 6B_838/2024 vom 2. Dezember 2024 wie folgt weiter:

«Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung ausgeschlossen, weil kein ausreichender, von ihm zu vertretender psychischer Druck und keine von ihm geschaffene Ausweglosigkeit der Situation bestanden habe. So unangebracht und unanständig seine Frage nach Oralverkehr auch gewesen sei, so stelle auch die mehrmalige Wiederholung keine Aufdringlichkeit dar, welche das erforderliche Mass eines psychischen Unter-Druck-Setzens erreiche. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass er sich der Beschwerdegegnerin 2 in den Weg gestellt und sie am Handgelenk festgehalten habe, so sei es letztlich die Beschwerdegegnerin 2 gewesen, die vorgeschlagen habe, sich auf die noch weiter von der Gruppe entfernte Bank zu setzen. Dieser Vorschlag widerspreche einer Bedrohungssituation und einer Ausweglosigkeit. Unter den gegebenen Umständen sei es für die Beschwerdegegnerin 2 nicht alternativlos gewesen, dem Drängen des Beschwerdeführers nachzugeben und sich mit ihm hinter den Baum zu begeben, um dort den Oralverkehr zu vollziehen.» (E.4.2).

«Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe die Handgelenke der Beschwerdegegnerin 2 festgehalten. Dies habe dazu gedient, eine Drohkulisse aufzubauen, die letztlich dazu geführt habe, dass sich die Beschwerdegegnerin 2 unter dem psychischen Druck gebeugt habe. Es liege insofern eine besondere Konstellation vor, als die Anwendung von Gewalt und psychischem Druck als Gesamtheit zum angeklagten Vorfall geführt hätten. Die Vorinstanz erwägt, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin 2 ständig zu Oralsex aufgefordert habe, dass er ihre Ablehnung ignoriert habe, dass er der Meinung sei, eine Frau müsse auch gegen ihren Willen etwas tun, dass er sich der Beschwerdegegnerin 2 einmal in den Weg gestellt habe und dass er sie am Handgelenk festgehalten habe, damit sie nicht zur Gruppe habe zurückkehren können. Damit habe er eine Zwangssituation geschaffen, welche die Beschwerdegegnerin 2 im Ergebnis derart unter psychischen Druck gesetzt habe, dass sie ihren anfänglichen Widerstand aufgegeben und den Beschwerdeführer oral befriedigt habe. Für die Beschwerdegegnerin 2 habe es keinen anderen Ausweg aus der Situation gegeben, zumal sie davon ausgegangen sei, dass das Vorhaben des Beschwerdeführers mit dessen Kollegen abgesprochen und damit ein Hilferuf zwecklos gewesen sei. Es habe auch keine Hoffnung auf Hilfe der Kollegin bestanden, da diese in ein Gespräch mit ebendiesen Kollegen verwickelt gewesen sei und offenbar nicht habe sehen können, was sich zwischen der Beschwerdegegnerin 2 und dem Beschwerdeführer abgespielt habe. Nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin 2 bereits am Handgelenk gepackt habe, sei auch das Wegrennen keine Lösung mehr gewesen, da die Beschwerdegegnerin 2 dem Beschwerdeführer körperlich unterlegen gewesen sei. Die Beschwerdegegnerin 2 habe sich damit in einer ausweglosen Situation befunden.» (E.4.3.1).

«Was den subjektiven Tatbestand betrifft, geht die Vorinstanz von direktem Vorsatz aus. Sie hält fest, für den Beschwerdeführer sei klar erkennbar gewesen, dass die Beschwerdegegnerin 2 keine sexuelle Handlung an ihm habe vollziehen wollen. Denn sie habe stets ablehnend auf seine wiederholten Aufforderungen reagiert. Er habe gar physische Gewalt anwenden müssen, um sie bei sich zu behalten. Zudem habe er gewusst, dass ihre Resignation nicht ihrem eigentlichen Willen entsprochen habe. Vielmehr habe die Beschwerdegegnerin 2 sämtliche Aufforderungen des ihr fremden Beschwerdeführers deutlich abgelehnt. Als er sie mehrfach am Gesäss angefasst habe, habe sie seine Hand weggedrückt und gesagt, dass sie dies nicht wolle. Zudem habe sie den Beschwerdeführer gefragt, ob er es lustig finde, wenn Frauen etwas gegen ihren Willen machen müssten. Der Beschwerdeführer habe sich bewusst und gleichgültig über den Willen der Beschwerdegegnerin 2 hinweggesetzt. Damit habe er direktvorsätzlich gehandelt.» (E.4.3.2).

«Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz ist vertretbar. Auch wenn der Beschwerdeführer physisch nicht grob vorging, befand sich die Beschwerdegegnerin 2 in einer ausweglosen Zwangssituation. Aus den konkreten Umständen des vorliegenden Falls ergibt sich, dass er bei der Beschwerdegegnerin 2 einen psychischen Druck erzeugte, der geeignet war, ihren Widerstandswillen zu brechen. Aus dem Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 ergab sich hinreichend deutlich, dass sie den Beschwerdeführer nicht oral befriedigen wollte. Da der Beschwerdeführer gleichwohl nicht von ihr abliess, geht die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass er mit direktem Vorsatz handelte. Ohnehin würde eventualvorsätzliches Handeln genügen. Der Beschwerdeführer hatte durchaus Anlass, am Einverständnis der Beschwerdegegnerin 2 zu zweifeln, womit er es jedenfalls in Kauf nahm, dass sie ihn nicht aus freien Stücken oral befriedigte.» (E.4.4).

«Nach dem Gesagten ist der Schuldspruch wegen sexueller Nötigung rechtens. Die vorinstanzlichen Erwägungen zur Strafzumessung und zum Zivilpunkt ficht der Beschwerdeführer nicht an. Damit hat es sein Bewenden.» (E.4.5).

Das Bundesgericht weist im Urteil 6B_838/2024 vom 2. Dezember 2024 die Beschwerde ab (E.5).

 

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