Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft hatte 2020 Anklage gegen Pierin Vincenz – früherer CEO der Raiffeisen – sowie sechs weitere Personen erhoben. Pierin Vincenz und einem weiteren Hauptbeschuldigten wird vorgeworfen, Geschäftskreditkarten für private Zwecke genutzt und zu Lasten ihrer Arbeitgeber pflichtwidrig auf die Akquisition von Firmen hingewirkt zu haben, an denen sie sich heimlich beteiligt hätten. Pierin Vincenz und der zweite Hauptbeschuldigte wurden 2022 vom Bezirksgericht Zürich des Betrugs, der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung und der mehrfachen passiven Privatbe stechung schuldig gesprochen. Sie wurden zu Freiheitsstrafen von 3 3/4 Jahren (Pierin Vincenz) und 4 Jahren sowie zu Geldstrafen verurteilt.
Instanzenzug
Das Zürcher Obergericht hob das Urteil 2024 auf und wies das Verfahren zur Verbesserung der Anklageschrift an die Staatsanwaltschaft zurück. Es war zum einen zum Schluss gekommen, dass die Anklageschrift den gesetzlichen Anforderung nicht genüge, weil sie mit ihrem Detaillierungsgrad den gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen sprenge und in ihrer Ausführlichkeit einem Plädoyer gleichkomme. Zum anderen sei die Anklageschrift für einen franzö sischsprachigen Beschuldigten nicht übersetzt worden.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_256/2024, 7B_347/2024 vom 17. Februar 2025
Das Bundesgericht heisst im Urteil 7B_256/2024, 7B_347/2024 vom 17. Februar 2025 die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft gut, hebt den Beschluss des Obergerichts auf und weist die Sache zur Durchführung des Berufungsverfahrens an dieses zurück.
Die Anklageschrift erfüllt gemäss dem Bundesgericht die gesetzlichen Anforderungen gemäss Strafprozessordnung. Die Schwere und die Komplexität der Straftaten, die den Beschuldigten vorgeworfen werden, verlangen insgesamt nach einer deutlich überdurch schnittlich detaillierten Anklageschrift. Eine wirksame Verteidigung wurde den Beschuldigten dadurch nicht verunmöglicht. Nicht zutreffend ist zudem, dass die Anklageschrift einem unzulässigen Plädoyer gleichkommen soll. Sie enthält keine Ausführungen, die unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit zwischen Anklägerin und Verteidigung Anlass geben würden, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Anklageerhebung beim Bezirksgericht an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.
Dass einem französischsprachigen Beschuldigten die Anklageschrift nicht übersetzt wurde, genügt sodann für sich alleine noch nicht, um von einer Verletzung des Anspruchs auf Übersetzung beziehungsweise des rechtlichen Gehörs auszugehen. Zu prüfen ist vielmehr, ob der Betroffene nach den gesamten Umständen in der Lage war, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verstehen und sich dagegen wirksam zu verteidigen. Das war vorliegend trotz der in untergeordneten Punkten nicht vollständig über setzten Anklagevorwürfe der Fall. Dies ergibt sich aus verschiedenen Umständen, unter anderem den im Wesentlichen deckungsgleichen und übersetzten Anklageentwürfen, den ausführlichen Schlusseinvernahmen, den beiden deutschsprachigen Verteidigern des Betroffenen sowie den ausführlichen Rechtsschriften und Plädoyers vor dem Bezirksgericht.
Zur Anklageschrift
Hier sind die detaillierten Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_256/2024, 7B_347/2024 vom 17. Februar 2025 zum Thema Anklageschrift:
«Die Berufung nach Art. 398 ff. StPO ist grundsätzlich ein reformatorisches Rechtsmittel. Tritt das Berufungsgericht auf sie ein, fällt es ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt (Art. 408 StPO). Ausnahmsweise hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil gemäss Art. 409 Abs. 1 StPO bei wesentlichen, im Berufungsverfahren nicht heilbaren Mängeln auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an die erste Instanz zurück. Dabei bestimmt das Berufungsgericht, welche Verfahrenshandlungen zu wiederholen oder nachzuholen sind (Abs. 2). Aufgrund des reformatorischen Charakters des Berufungsverfahrens bildet die Kassation und Rückweisung die Ausnahme und kommt nur bei derart schwerwiegenden, nicht heilbaren Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens in Betracht, bei denen die Rückweisung zur Wahrung der Parteirechte, in erster Linie zur Vermeidung eines Instanzverlusts, unumgänglich ist. Dies ist etwa der Fall bei der Verweigerung von Teilnahmerechten oder nicht gehöriger Verteidigung, bei falscher Besetzung des Gerichts oder bei unvollständiger Behandlung sämtlicher Anklage- oder Zivilpunkte (BGE 149 IV 284 E. 2.2; 148 IV 155 E. 1.4.1; 143 IV 408 E. 6.1; je mit Hinweisen).» (E.3.4.1).
«Im Hauptverfahren prüft die Verfahrensleitung, ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt und die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind sowie ob Verfahrenshindernisse bestehen (Art. 329 Abs. 1 StPO). Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung oder später im Verfahren, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann, so weist das Gericht die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück (Art. 329 Abs. 2 StPO). Das Gericht hat grundsätzlich nur darüber zu entscheiden, ob sich ein Sachverhalt nach seiner Überzeugung so ereignet hat, wie er bei ihm zur Anklage gebracht worden ist, und welche Straftatbestände dadurch allenfalls erfüllt werden (vgl. BGE 148 IV 124 E. 2.6.7). Art. 329 Abs. 2 StPO macht eine Ausnahme von diesem Grundsatz, indem es dem Gericht erlaubt, formell oder materiell klar mangelhafte Anklagen zur Verbesserung an die Anklagebehörde zurückzuweisen (vgl. YVONA GRIESSER, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 24 zu Art. 329 StPO). Nach der Rechtsprechung ist die Vorprüfung der Anklage gemäss Art. 329 StPO eine vorläufige, auf die Formalien beschränkte und regelmässig summarische Prüfung. Mit dieser soll vermieden werden, dass in formeller oder materieller Hinsicht klar mangelhafte Anklagen zu einer Hauptverhandlung führen. Dabei handelt es sich nicht um eine eigentliche Anklagezulassung (BGE 141 IV 20 E. 1.5.4). Diese Bestimmung gelangt nach der Rechtsprechung gestützt auf Art. 379 StPO, wonach sich das Rechtsmittelverfahren „sinngemäss“ nach den allgemeinen Bestimmungen der StPO richtet, auch im Berufungsverfahren zur Anwendung (BGE 147 IV 167 E. 1.3 mit Hinweisen). Das erstinstanzliche Gericht bzw. das Berufungsgericht weist eine Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft unter anderem dann zurück, wenn die Anklage den Anforderungen an den Inhalt einer Anklageschrift (Art. 325 StPO) nicht entspricht (BGE 147 IV 167 E. 1.3; 141 IV 39 E. 1.6; Urteile 7B_171/2022 vom 15. April 2024 E. 3.3.2; 7B_532/2023 vom 11. Dezember 2023 E. 3.2).» (E.3.4.2).
«Der reformatorische Charakter des Berufungsverfahrens beschlägt auch die Verbesserung allfälliger Mängel in der Anklageschrift, die erst im Berufungsverfahren zutage treten: Eine Rückweisung an die Anklagebehörde zur neuen Einreichung an die erste Instanz kommt nur unter den Voraussetzungen von Art. 409 Abs. 1 StPO in Betracht, wenn eine Verbesserung und neue Einreichung an das Berufungsgericht faktisch dazu führen würde, dass die beschuldigte Person eine Instanz verliert (vgl. BGE 149 IV 284 E. 2.2; 148 IV 155 E. 1.4.1; 143 IV 408 E. 6.1). Im Gegensatz dazu ist es mit Blick auf das Beschleunigungsgebot indiziert, die angepasste Anklageschrift gestützt auf Art. 329 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 379 StPO direkt beim Berufungsgericht einzureichen, wenn das Verfahren lediglich wegen heilbarer Mängel im Sinne von Art. 409 Abs. 1 StPO in der Anklage an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen wurde (vgl. NIGGLI/HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 63b zu Art. 9 StPO).» (E.3.4.3).
«Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO bezeichnet die Anklageschrift möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 149 IV 128 E. 1.2; 144 I 234 E. 5.6.1; 143 IV 63 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die beschuldigte Person muss aus der Anklage ersehen können, was ihr konkret vorgeworfen wird, damit sie ihre Verteidigungsrechte angemessen ausüben kann. Entscheidend ist, dass sie genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann (BGE 143 IV 63 E. 2.2 mit Hinweisen).» (E.3.5).
«Die Vorinstanz legt die theoretischen Grundsätze zum Inhalt einer Anklageschrift weitgehend korrekt dar. Unzutreffend ist auf dieser Ebene die Auffassung der Beschwerdeführerin 1, eine sehr umfangreiche und detaillierte Anklageschrift könne „nie ordnungswidrig sein“. Dies ergibt sich weder aus der von ihr angeführten Literaturstelle (HEIMGARTNER/NIGGLI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 1 zu Art. 325 StPO) noch aus der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK, wonach die beschuldigte Person „in allen Einzelheiten“ (im Originaltext: „d’une manière détaillée“/“in detail“) über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung zu unterrichten ist. Diesem Zweck kann auch eine zu ausführliche und ausschweifende Anklage zuwiderlaufen.» (E.3.6.1).
«Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO verlangt eine „möglichst kurze, aber genaue“ Umschreibung der Sachverhaltselemente, die für eine Subsumtion unter die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllten Straftatbestände (vgl. Art. 325 Abs. 1 lit. g StPO) erforderlich sind (Urteile 7B_240/2022 vom 1. Februar 2024 E. 3.2; 6B_85/2021 vom 26. November 2021 E. 13.2; 6B_49/2019 vom 2. August 2019 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 145 IV 329). Die in Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO statuierte Regel, sich möglichst kurz zu halten, dient vor allem dem Gebot der Waffengleichheit. Die beschuldigte Person kann im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft vor Beginn des Hauptverfahrens ihre Sicht der Dinge nicht darlegen (Urteil 6B_357/2013 vom 29. August 2013 E. 1.1; CHRISTIAN JOSI, „Kurz und klar, träf und wahr“ – die Ausgestaltung des Anklageprinzips in der Schweizerischen Strafprozessordnung, ZStrR 127/2009 S. 81 f.; NIGGLI/HEIMGARTNER, a.a.O., N. 43 zu Art. 9 StPO). Die Anklageschrift soll sich deshalb grundsätzlich auf das Notwendigste beschränken und auf Weitschweifigkeiten verzichten, um zu vermeiden, dass durch eine zu ausführliche Darstellung und Erörterung das Gericht zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst wird (BGE 103 Ia 6 E. 1b; Urteil 6B_357/2013 vom 29. August 2013 E. 1.1; vgl. auch GEORGES GREINER, Akkusationsprinzip und Wirtschaftsstrafsachen, ZStrR 123/2005 S. 104; JOSI, a.a.O., S. 81 f.; NIGGLI/HEIMGARTNER, a.a.O., N. 43 zu Art. 9 StPO).
Eine Anklageschrift kann deshalb als nicht im Sinne von Art. 329 Abs. 1 lit. a StPO ordnungsgemäss erstellt gelten, wenn sie derart ausschweifend oder unübersichtlich formuliert ist, dass der beschuldigten Person nicht klar sein kann, gegen welche Vorwürfe sie sich zu verteidigen hat (vgl. JONAS ACHERMANN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 19 zu Art. 329 StPO; JOSITSCH/SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2023 [nachfolgend: Handbuch], S. 587). Gleichsam kann sie auch aus Sicht der Waffengleichheit ordnungswidrig sein, weil sie etwa in unzulässiger Weise Verdachtsgründe anführt, eine Beweisführung vornimmt oder ausführliche Rechtserörterungen enthält und damit einem eigentlichen Plädoyer gleichkommt.» (E.3.6.2).
«Die im Einzelfall notwendige Umschreibungsdichte lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR nicht abstrakt bestimmen, sondern variiert und hängt von den Umständen ab (BGE 103 Ia 6 E. 1b; Urteil des Bundesgerichts 6B_357/2013 vom 29. August 2013 E. 1.1; Urteile des EGMR Mattoccia gegen Italien vom 25. Juli 2000, Recueil CEDH 2000-IX S. 115 § 60; Uche gegen Schweiz vom 17. April 2018 § 29; Nichtzulassungsentscheid Gomez Cespon gegen Schweiz vom 5. Oktober 2010). Allgemein gilt, dass bei Bagatelldelikten tiefere Anforderungen an das Anklageprinzip gestellt werden (vgl. Urteile 6B_692/2020 vom 27. September 2021 E. 1.3; 6B_267/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 3.3; 6B_907/2013 vom 3. Oktober 2014 E. 1.5). Umgekehrt ist der Lebenssachverhalt desto genauer und ausführlicher zu beschreiben, je schwerer die strafrechtlichen Vorwürfe wiegen (Urteil 6B_5/2010 vom 30. Juni 2010 E. 2.4; 6B_333/2007 vom 7. Februar 2008 E. 2.1.4 mit Hinweis auf GREINER, a.a.O., S. 103). Ein hoher Detaillierungsgrad ist auch dann verlangt, wenn der zur Anklage gebrachte Sachverhalt oder der von der Staatsanwaltschaft ins Auge gefasste gesetzliche Tatbestand komplex sind (JOSI, a.a.O., S. 87 f.; HEIMGARTNER/NIGGLI, a.a.O., N. 26 zu Art. 325 StPO). Richtschnur ist dabei stets, dass die Vorwürfe klar umgrenzt sind und die angeklagte Person genau darüber informiert wird, welche Vorgänge ihr in tatsächlicher Hinsicht zur Last gelegt werden und wie diese – von der Staatsanwaltschaft (vgl. Art. 344 und Art. 350 Abs. 1 StPO) – rechtlich qualifiziert werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_114/2019 vom 26. Februar 2020 E. 2.3; Urteile des EGMR Mattoccia, § 60; Uche, § 29).» (E.3.7).
«Sodann ist zu beachten, dass die Sachverhalte, die den Vorwürfen im Zusammenhang mit den vier Unternehmenstransaktionen […] zugrunde liegen, äusserst umfangreich und teilweise sehr komplex sind. […]. Diese Transaktionssachverhalte spielten sich gemäss Anklage in Grossunternehmen mit vielschichtigen Entscheidungs- und Handlungsstrukturen ab, in die zahlreiche Personen auf unterschiedlichen Ebenen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten involviert waren.» (E.3.8.2).
«Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die von der Staatsanwaltschaft ins Auge gefassten Tatbestände, insbesondere der (gewerbsmässige) Betrug (Art. 146 StGB) bzw. die ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB), in rechtlicher Hinsicht kompliziert sind und hohe Anforderungen an die Umschreibung der Tathandlungen stellen. Das gilt etwa für die Arglistigkeit einer Täuschung als Tatbestandsmerkmal des Betrugs (Art. 146 StGB) : Aus der Anklageschrift muss sich ergeben, weshalb sich die eingesetzten Täuschungsmittel durch Raffinesse oder Durchtriebenheit auszeichnen und eine erhöhte Gefährlichkeit offenbaren. So kann es notwendig sein, in der Anklageschrift die Beziehungen zwischen den Beteiligten, Abläufe in einem Unternehmen oder Äusserungen und Schriftstücke zu beschreiben, aus denen auf besondere Machenschaften geschlossen werden kann (vgl. BGE 147 IV 73 E. 3.2; 143 IV 302 E. 1.3.1; 135 IV 76 E. 5.2). Bei Art. 158 StGB sind an die Beschreibung der Pflichtverletzung und daran anknüpfend an den (Eventual-) Vorsatz hohe Anforderungen zu stellen, weil dieses Tatbestandsmerkmal vergleichsweise unbestimmt ist (vgl. BGE 142 IV 346 E. 3.2; 120 IV 190 E. 2b; Urteile 7B_6/2021 vom 5. März 2024 E. 8.2.2; 6B_203/2022 vom 10. Mai 2023 E. 8.2.3; 6B_910/2019 vom 15. Juni 2020 E. 2.2.4.3 und 2.7.4).» (E.3.8.3).
«Die Schwere sowie die tatsächliche und rechtliche Komplexität der den sieben Beschuldigten vorgeworfenen Straftaten verlangen deshalb insgesamt nach einer deutlich überdurchschnittlich detaillierten Anklageschrift.» (E.3.8.4).
«Es trifft zu, dass die Darstellung der Tatvorwürfe im Rahmen der Unternehmenstransaktionen ausführlich und detailreich ausfällt. Es ist aber nicht ersichtlich, inwiefern die Vorwürfe nicht genügend klar beschrieben wären und den Beschuldigten eine wirksame Verteidigung verunmöglicht worden wäre. Das Gericht ist auch bei der Prüfung der Anklage nach Art. 329 Abs. 2 StPO nicht Anklagebehörde. Es muss beurteilen, welche Elemente des in der Anklage beschriebenen Sachverhalts sich nach seiner Überzeugung erstellen lassen und welche nicht, hat aber nicht für jeden Satz oder Abschnitt zu entscheiden, ob er nach dem Prinzip „in dubio pro duriore“ zwingend in die Anklageschrift aufzunehmen gewesen war (vgl. BGE 148 IV 124 E. 2.6.7).» (E.3.9.4).
«Der genauen Umschreibung der angeklagten Delikte dient auch die rechtliche Gliederung und Zuordnung, die den einzelnen Anklagepunkten folgt. Auch hier verfängt die Kritik der Vorinstanz nicht, dass es dabei um insgesamt rund 70 Seiten Rechtserörterungen handle, die sich ausserhalb der strafprozessualen Vorgaben bewegen würden.» (E.3.10).
«Gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. g StPO hat die Anklageschrift die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllten Straftatbestände unter Angabe der anwendbaren Gesetzesbestimmungen zu bezeichnen. Daraus folgt aber nicht, dass der Inhalt eines Tatbestands keinen Eingang in die Anklage finden dürfte. Vielmehr ist das – je nach Umständen – sogar geboten. Die beschuldigte Person hat aus der Anklageschrift zu erfahren, wie die Staatsanwaltschaft das ihr vorgeworfene Verhalten rechtlich würdigt. Dieser Anspruch ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK, wonach die angeklagte Person auch in allen Einzelheiten über die rechtliche Qualifikation des ihr vorgeworfenen Verhaltens zu informieren ist (Urteile des EGMR Mattoccia, § 59; Pélissier und Sassi gegen Frankreich vom 25. März 1999, Recueil Cour EDH 1999-II § 51; Nichtzulassungsentscheid Husain gegen Italien vom 24. Februar 2005).
Die Darstellung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat (Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO) ist deshalb auf den gesetzlichen Tatbestand auszurichten, der nach Auffassung der Anklage als erfüllt zu betrachten ist, das heisst es ist anzugeben, welche einzelnen Vorgänge und Sachverhalte den einzelnen Merkmalen des Straftatbestandes entsprechen. Zu den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung gehören neben den Tatbestandsmerkmalen die Schuldform (sofern vorsätzliches und fahrlässiges Verhalten strafbar ist), die Teilnahmeform (Mittäterschaft, Anstiftung, Gehilfenschaft), die Erscheinungsform (Versuch oder vollendetes Delikt) und allfällige Konkurrenzen (BGE 120 IV 348 E. 3c). Diese ursprünglich unter Art. 126 BStP begründete Rechtsprechung hat das Bundesgericht unter der eidgenössischen StPO weitergeführt (Urteile 6B_594/2022 vom 9. August 2023 E. 4.2.2; 6B_1454/2021 vom 26. Mai 2023 E. 2.3.1; 6B_797/2020 vom 31. Januar 2022 E. 3.3; je mit Hinweisen).» (E.3.10.1).
«Die separate Darstellung der rechtlichen Zuordnung liegt auch deshalb nahe, weil die Staatsanwaltschaft verschiedene rechtliche Würdigungen des inkriminierten Verhaltens für möglich hält. Für jede ist genau zu umschreiben, worin das strafbare Verhalten bestehen soll. So wird beispielsweise die arglistige Täuschung bei der Beschreibung der Transaktionssachverhalte nur implizit beschrieben. Es wird etwa nicht angeführt, welche Personen aufseiten der Aduno getäuscht worden sein sollen – diese Angaben finden sich erst unter der „rechtlichen Zuordnung“ (vgl. Anklage, S. 152 f.). Auch die Pflichtverletzung als Tatbestandsmerkmal der ungetreuen Geschäftsbesorgung wird als tatsächliches Verhalten zwar beschrieben, doch wird nicht erläutert, woraus sich diese Pflicht ergeben soll. Es handelt sich deshalb nicht nur um eigentliche Rechtserörterungen, sondern um die Beschreibung von Sachverhaltselementen, die zur Annahme eines der angeklagten Tatbestände notwendig sind. Eine zusätzliche Umschreibung ist jedenfalls dann erforderlich, wenn aus der Anklageschrift nicht klar wird, worin die Staatsanwaltschaft die einzelnen Tatbestandsmerkmale verwirklicht sieht. Das kann gerade bei komplexen wirtschaftlichen Abläufen der Fall sein und bei Straftatbeständen, die sich in ihrer Konzeption wesentlich unterscheiden, wie hier der Betrug, die ungetreue Geschäftsbesorgung und die Privatbestechung. Käme erst das Sachgericht zur Auffassung, ein Sachverhalt erfülle einen anderen Straftatbestand, als er von der Staatsanwaltschaft zur Anklage gebracht wurde, und würde die Anklageschrift bezüglich dieses Tatbestands den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen, fände Art. 333 Abs. 1 StPO Anwendung. Nach dieser Bestimmung gibt das Gericht der Staatsanwaltschaft in solchen Fällen die Gelegenheit, die Anklage zu ändern. Die Botschaft zur StPO erwähnt in diesem Zusammenhang das mit der vorliegenden Konstellation vergleichbare Beispiel eines als qualifizierte Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2 StGB) zur Anklage gebrachten Sachverhalts, den das Sachgericht als Betrug zu würdigen gedenkt, die Anklageschrift aber das arglistige Verhalten nicht umschreibt (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1280 f. Ziff. 2.7.1, unter Hinweis auf GREINER, a.a.O., S. 120). Um der mit einer Anklageänderung potenziell einhergehenden Verzögerung (vgl. Art. 333 Abs. 4 StPO) zuvorzukommen und den Parteien diesbezüglich das rechtliche Gehör vorab zu gewähren, steht es der Staatsanwaltschaft frei, das Verhalten bei einer alternativen Würdigung des (weitgehend) gleichen Sachverhalts bereits in der Anklageschrift zu beschreiben. Dabei handelt es sich, anders als die Vorinstanz erwägt, um eine zulässige Eventualanklage im Sinne von Art. 325 Abs. 2 StPO (vgl. HEIMGARTNER/NIGGLI, a.a.O., N. 43 zu Art. 325 StPO; JOSITSCH/SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2023 [nachstehend: Praxiskommentar], N. 16 zu Art. 325 StPO; MARC JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, Flexibilität der Anklage, ZStrR 135/2017 S. 312).» (E.3.10.3).
«Schliesslich trifft es nicht zu, dass die Anklageschrift in einer Gesamtwürdigung den Charakter eines unzulässigen Plädoyers annimmt, wie die Vorinstanz im angefochtenen Beschluss und der Beschwerdegegner 2 im Verfahren vor Bundesgericht kritisieren. Die Anklage enthält keine eigentlichen Ausführungen zu Rechtsfragen, äussert sich mit wenigen Ausnahmen nicht zur Würdigung von Beweisen und enthält auch sonst keine Ausführungen, die unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit Anlass zur Kassation des erstinstanzlichen Urteils und zur Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft geben würden.» (E.3.11).
«In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 317 StPO verpflichtet war, Schlusseinvernahmen durchzuführen. Nach dieser Bestimmung wird die beschuldigte Person in umfangreichen und komplizierten Vorverfahren vor Abschluss der Strafuntersuchung nochmals in einer Schlusseinvernahme befragt, und die Staatsanwaltschaft fordert sie auf, zu den Untersuchungsergebnissen Stellung zu nehmen.» (E.3.11.1).
«Die Schlusseinvernahme erfüllt verschiedene Zwecke. Nach der Botschaft zur StPO dient sie einerseits dazu, in konzentrierter, übersichtlicher Form die Deliktsvorwürfe und die Haltung der beschuldigten Person dazu festzuhalten, damit die im weiteren Verfahrensverlauf mit den Akten befassten Strafbehörden sich sofort ein Bild über den Fall machen können. Andererseits soll die Schlusseinvernahme auch die Staatsanwaltschaft dazu veranlassen, im Sinne einer Kontrolle festzustellen, ob die Deliktsvorwürfe genügend abgeklärt sind (BBl 2006 1270 Ziff. 2.6.3.4; vgl. Urteil 1B_101/2013 vom 30. Mai 2013 E. 2.4). Darüber hinaus dient sie, wie jede Einvernahme, dazu, der beschuldigten Person das rechtliche Gehör zu gewähren (Urteile 1B_559/2021 vom 17. Januar 2022 E. 1; 6B_676/2013 vom 28. April 2014 E. 3.2.4 mit Hinweisen). Der beschuldigten Person soll vor Anklageerhebung aufgezeigt werden, welche Sachverhalte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft rechtsgenüglich erwiesen sind, und ihr wird die Möglichkeit geboten, zu den Deliktsvorwürfen im Gesamtzusammenhang Stellung zu nehmen (D. WIPRÄCHTIGER/HANS/STEINER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 4 zu Art. 317 StPO).
Aus dem Gesetz ergibt sich zwar nicht, dass vor dieser letzten Einvernahme im Vorverfahren ein schriftlicher Schlussvorhalt, d.h. ein Anklageentwurf, erstellt werden müsste (vgl. Urteile 1B_559/2021 vom 17. Januar 2022 E. 1; 1B_101/2013 vom 30. Mai 2013 E. 2.4). Die Lehre erachtet es aber als empfehlenswert, die Schlusseinvernahme in der Form einer Anklage aufzubauen und ihr einen Anklageentwurf zugrunde zu legen, der der beschuldigten Person und deren Verteidigung vorab zugestellt wird (JOSITSCH/SCHMID, Praxiskommentar, N. 4 zu Art. 317 StPO; BOSSHARD/LANDSHUT, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 6 zu Art. 317 StPO; D. WIPRÄCHTIGER/HANS/STEINER, a.a.O., N. 13 zu Art. 317 StPO; gemäss GRODECKI/CORNU, Commentaire Romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 6b zu Art. 317 StPO, ist die Staatsanwaltschaft „très libre sur la forme de l’audition finale“). Nach einem Teil der Lehre gebietet der Zweck von Art. 317 StPO, wonach die beschuldigte Person zu den Ergebnissen der Untersuchung Stellung nehmen können soll, dass die Staatsanwaltschaft auch die Beweismittel sowie die diesen zugemessene Bedeutung präsentiert (JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, a.a.O., S. 311; zustimmend BOSSHARD/LANDSHUT, a.a.O., N. 6 zu Art. 317 StPO; vgl. auch D. WIPRÄCHTIGER/HANS/STEINER, a.a.O., N. 13 zu Art. 317 StPO).» (E.3.11.2).
«Die Staatsanwaltschaft hat vorliegend für die einzelnen Sachverhaltskomplexe Anklageentwürfe erstellt, die sie den betroffenen Beschuldigten vorab zugestellt hat. Sie sind mit Endnoten versehen, die Aktenverweise und Zitate etwa aus Einvernahmen oder E-Mails und somit direkt Hinweise dazu enthalten, auf welche Beweise die Staatsanwaltschaft die zur Anklage gebrachten Vorwürfe stützt. Die Beschuldigten wurden so über die Einordnung und vorläufige Würdigung der vorhandenen Beweismittel durch die Staatsanwaltschaft informiert, was gerade in umfangreichen Fällen wie dem vorliegenden im Hinblick auf die Vorbereitung der Hauptverhandlung hilfreich sein kann (vgl. NIGGLI/HEIMGARTNER, a.a.O., N. 19 zu Art. 325 StPO). Anders als in einfacheren und weniger umfangreichen Verfahren hat die beschuldigte Person so die Möglichkeit, sich im Rahmen der Schlusseinvernahme zum Anklagesachverhalt, zur von der Staatsanwaltschaft ins Auge gefassten rechtlichen Würdigung und zu den bestehenden Beweismitteln zu äussern. Es ist zwar nicht Aufgabe der Anklage, den behaupteten Sachverhalt in irgendeiner Weise zu belegen oder zu beweisen. Welche Behauptungen sich erstellen lassen und welche nicht, ist im Rahmen der Hauptverhandlung aufgrund der dort präsentierten Beweise, der Akten des Vorverfahrens und der Parteivorträge zu entscheiden (BBl 2006 1276 Ziff. 2.6.4.2). Die staatsanwaltliche Einordnung von Beweismitteln kann sich in einem Fall wie dem vorliegenden aber aus den Anklageentwürfen und dem Protokoll der Schlusseinvernahmen ergeben, insbesondere aus darin enthaltenen Aktenverweisen.» (E.3.11.3).
«Die 930 Endnoten, die sich in den Anklageentwürfen und der Anklage vom 26. Oktober 2020 finden, sind vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. In der Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft lediglich die entsprechende Nummerierung angebracht, den Inhalt der insgesamt 930 Endnoten mit Verweisen auf Akten sowie Zitaten etwa aus Einvernahmen oder E-Mails dem Bezirksgericht aber erst anlässlich der Hauptverhandlung eingereicht. Darüber hinaus hat es die Rechtsprechung verschiedentlich für zulässig erklärt, auch die Anklage selbst direkt mit Verweisen auf die Untersuchungsakten zu versehen, auch wenn Aktenverweise nach Art. 325 StPO eigentlich nicht in die Anklageschrift gehören (Urteile 6B_289/2020 vom 1. Dezember 2020 E. 1.3; 6B_913/2019 vom 7. Februar 2020 E. 4.3; 6B_28/2018 vom 7. August 2018 E. 6.4.2; 6B_453/2017 vom 16. März 2018 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 144 IV 172; 1B_678/2012 vom 9. Januar 2013 E. 3). Die in der Doktrin zu den Konsequenzen dieser Praxis geäusserten Bedenken, Aktenverweise stellten unzulässige Verdachtsmomente dar (JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, a.a.O., S. 311; BOSSHARD/LANDSHUT, a.a.O., N. 2 zu Art. 325; vgl. ferner JOSITSCH/SCHMID, Handbuch, Rz. 1269) und seien geeignet, das Gericht zu beeinflussen und so die Rollentrennung zwischen Ankläger und Richter zu durchbrechen (RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht, 2011, Rz. 982; differenzierend SCHUBARTH, Praktische Probleme der Konkretisierung des Akkusationsprinzipes, ZStrR 128/2010 S. 178 f.), müssen an dieser Stelle nicht vertieft werden: Die (zunächst inhaltsleeren) Endnoten in der Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 bringen einzig zum Ausdruck, dass die Staatsanwaltschaft der Auffassung ist, eine Tatsache lasse sich aufgrund der im Vorverfahren erhobenen Beweismittel – wahrscheinlich – zur Überzeugung des Gerichts erstellen. Das ist aber ohnehin Voraussetzung, damit eine Tatsachenbehauptung in die Anklage aufgenommen werden darf (vgl. Urteil 6B_289/2020 vom 1. Dezember 2020 E. 1.3). Die Gefahr einer unzulässigen Beeinflussung des Gerichts durch die Anklage besteht bei diesem Vorgehen gerade nicht. Anders als die Vorinstanz zuletzt zum Ausdruck bringt, lassen die 930 Endnoten, die erst im Rahmen des staatsanwaltlichen Parteivortrags vor der ersten Instanz mit Inhalt gefüllt wurden, die Anklageschrift deshalb nicht an eine unzulässige Rechtsschrift der Staatsanwaltschaft grenzen. Sie sind in dieser Form zulässig und verletzen weder die Waffengleichheit oder das Fairnessgebot (Art. 3 StPO), noch das Anklageprinzip (Art. 9 StPO).» (E.3.11.4).
«Schliesslich trifft zwar zu, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur in den Endnoten auf Beweismittel oder Urkunden verweist, sondern punktuell auch im Anklagetext, teilweise wörtlich, aus E-Mails oder Präsentationen zitiert, wie der Beschwerdegegner 2 in seiner Duplik sinngemäss kritisiert. Damit verdeutlicht die Staatsanwaltschaft an aus ihrer Sicht wichtigen Stellen einzig, auf welchem Weg die Schattenbeteiligung vereinbart oder der Einfluss auf die Transaktionen ausgeübt worden sein soll. Sie konkretisiert damit den strafrechtlichen Vorwurf. Dass diese zentralen Äusserungen – seien sie mündlich oder schriftlich – in der Anklageschrift wörtlich behauptet werden, ist zulässig. Demgegenüber ist die Frage, ob diese E-Mails tatsächlich so geschrieben wurden und wie deren Inhalt zu interpretieren ist, eine Frage der Beweiswürdigung, die dem Sachgericht obliegt (vgl. Art. 10 Abs. 2 StPO).» (E.3.11.5).
«Zusammenfassend genügt die Anklageschrift den gesetzlichen Anforderungen (Art. 9 und Art. 325 StPO). Die Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft zur Verbesserung der Anklageschrift und neuerlichen Anklageerhebung bei der Erstinstanz verletzt Bundesrecht.» (E.3.12).
Übersetzung der Anklageschrift
Die Beschwerdeführerin 1 rügt sodann eine Verletzung von Art. 68 Abs. 2 StPO. Sie bringt vor, es sei nicht nötig gewesen, dem Beschwerdegegner 5 die Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 Wort für Wort zu übersetzen. Dieser sei jederzeit in der Lage gewesen, die ihm gemachten Vorwürfe zu verstehen und sich dagegen zu verteidigen (E.4.1).
Das Bundesgericht führt hierzu im Urteil 7B_256/2024, 7B_347/2024 vom 17. Februar 2025 aus:
«Gemäss Art. 68 Abs. 2 Satz 1 StPO wird der beschuldigten Person, auch wenn sie verteidigt wird, in einer ihr verständlichen Sprache mindestens der wesentliche Inhalt der wichtigsten Verfahrenshandlungen mündlich oder schriftlich zur Kenntnis gebracht. Ein Anspruch auf vollständige Übersetzung aller Verfahrenshandlungen sowie der Akten besteht nicht (Satz 2). Der Anspruch auf Übersetzung ist auf diejenigen Schriftstücke und mündlichen Äusserungen beschränkt, auf deren Verständnis die angeklagte Person angewiesen ist, um in den Genuss eines fairen Verfahrens zu kommen und sich wirksam verteidigen zu können (BGE 118 Ia 462 E. 2a; Urteil 6B_936/2019 vom 20. Mai 2020 E. 8.4.1). Der Umfang der Beihilfen, die einer beschuldigten Person, deren Muttersprache nicht der Verfahrenssprache entspricht, zuzugestehen sind, ist deshalb nicht abstrakt, sondern aufgrund ihrer effektiven Bedürfnisse und den konkreten Umständen des Falles zu würdigen (BGE 145 IV 197 E. 1.3.3; 143 IV 117 E. 3.1).» (E.4.3.1).
«Die Anklage ist dem Beschuldigten nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel schriftlich zu übersetzen (BGE 118 Ia 462 E. 2a; Urteile 6B_936/2019 vom 20. Mai 2020 E. 8.4.1; 6B_722/2011 vom 12. November 2012 E. 2.4). Auch die Lehre fordert, dass die Anklageschrift zu übersetzen sei, wobei unterschiedliche Auffassungen über Umfang, Zeitpunkt und Form der Übersetzung bestehen (vgl. JOSITSCH/SCHMID, Praxiskommentar, N. 10 zu Art. 68 StPO; URWYLER/STUPF, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 6 zu Art. 68 StPO; LUKAS STAFFLER, Das Recht auf Sprachunterstützung im Strafverfahren nach Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK, ZStrR 138/2020 S. 46; THOMMEN UND ANDERE, Übersetzung von Strafbefehlen – «Wo chiemte mer hi?», sui generis 2020 S. 455; DAVID EQUEY, L’interprète et le traducteur dans la procédure pénale, SJ 2013 II S. 435; STEFAN TRECHSEL, Human Rights in Criminal Proceedings, 2005, S. 206; PETER BISCHOFBERGER, Die Verfahrensgarantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (…), 1972, S. 136; THOMAS BRAITSCH, Gerichtssprache für Sprachunkundige im Lichte des „fair trial“, 1991, S. 385 f.).» (E.4.3.2).
«Nach Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK hat jede angeklagte Person das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden. Versteht oder spricht sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht, hat die angeklagte Person einen Anspruch auf unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher (lit. e). Der EGMR betont in seiner Rechtsprechung zu Art. 6 Ziff. 3 EMRK, dass der Anklage in einem Strafverfahren eine wesentliche Rolle („crucial role“) zukommt und dass die angeklagte Person einen Nachteil erleiden kann, wenn die Anklageschrift nicht in eine ihr verständliche Sprache übersetzt wird (Urteile des EGMR Vizgirda gegen Slowenien vom 28. August 2018, § 75; Hermi gegen Italien vom 18. Oktober 2006, § 68). Bereits im Urteil Kamasinski brachte der EGMR allerdings zum Ausdruck, dass die EMRK keinen zwingenden Anspruch auf schriftliche Übersetzung der Anklageschrift vermittelt (Urteil des EGMR Kamasinski gegen Österreich vom 19. Dezember 1989, § 81, insb. § 137 ff.; kritisch STAFFLER, a.a.O., S. 42 ff.). An dieser Praxis hat der Gerichtshof in verschiedenen Entscheiden festgehalten, in denen er trotz fehlender Übersetzung der Anklageschrift keine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 EMRK erkannte (Nichtzulassungsentscheide Husain gegen Italien vom 24. Februar 2005; Ucak gegen Vereinigtes Königreich vom 24. Januar 2002). Richtschnur ist nach der Rechtsprechung, ob die angeklagte Person versteht, welche Taten ihr zur Last gelegt werden und sich dagegen verteidigen kann, namentlich indem sie dem Gericht ihre Version der Ereignisse darlegt (Urteile Vizgirda, § 79; Baytar gegen Türkei vom 14. Oktober 2014, § 49; Hermi, § 70). Ferner ist zu konstatieren, dass der EGMR in seiner jüngeren Rechtsprechung (Urteil Vizgirda, §§ 52 ff.; 82 ff.) rechtsvergleichend und in Ermittlung eines europäischen Konsenses auch Bezug nimmt auf die Richtlinie 2010/64/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren. Gemäss Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/64/EU stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass verdächtige oder beschuldigte Personen, die die Sprache des Strafverfahrens nicht verstehen, innerhalb einer angemessenen Frist eine schriftliche Übersetzung aller Unterlagen erhalten, die wesentlich sind, um zu gewährleisten, dass sie imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, und um ein faires Verfahren zu gewährleisten. Abs. 2 der Bestimmung definiert unter anderem „jegliche Anklageschrift“ als „wesentliche Unterlage“. Es ist demgegenüber nicht erforderlich, Passagen wesentlicher Dokumente, die nicht dafür massgeblich sind, dass die verdächtigen oder beschuldigten Personen wissen, was ihnen zur Last gelegt wird, zu übersetzen (Abs. 4).» (E.4.3.3).
«Anders als die Vorinstanz pauschal annimmt (angefochtener Beschluss, E. I.5.4 f.), genügt der Umstand, dass die Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 dem Beschwerdegegner 5 nicht übersetzt worden ist, für sich allein genommen noch nicht, um von einer Verletzung des Anspruchs auf Übersetzung der wesentlichen Inhalte der wichtigsten Verfahrensschritte oder des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV) auszugehen. Vielmehr ist zu prüfen, ob der Beschwerdegegner 5 nach den gesamten Umständen nicht in der Lage war, die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zu verstehen und sich dagegen zu verteidigen.» (E.4.4).
«Der Anspruch auf Übersetzung nach Art. 68 Abs. 2 StPO besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob die beschuldigte Person verteidigt ist oder nicht. Damit wird ihrer Subjektstellung Rechnung getragen: Die beschuldigte Person soll in die Lage versetzt werden, sich selbst gegen die strafrechtlichen Vorwürfe zur Wehr zu setzen, ohne Objekt des Handelns der Behörden oder ihrer eigenen Verteidigung zu werden. Wie die Vorinstanz insoweit zutreffend ausführt und sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 68 Abs. 2 StPO ergibt, ist die Übersetzung wesentlicher Verfahrensvorgänge im Rahmen eines grundsätzlich signalisierten Übersetzungsbedarfs deshalb eine Pflicht der Strafbehörden, die nicht auf die Verteidigung abgewälzt werden kann. Dennoch ist bei der Frage, in welchem Umfang der beschuldigten Person Verfahrenshandlungen zu übersetzen sind und ob diese in der Lage ist, die ihr zur Last gelegten Straftaten zu verstehen und sich verteidigen zu können, dem Umstand Rechnung zu tragen, ob ihr ein Rechtsbeistand zur Seite steht oder nicht (vgl. Urteile 1B_173/2022 vom 19. Mai 2022 E. 2.3; 1B_334/2021 vom 7. April 2022 E. 2.6; JOSITSCH/SCHMID, Praxiskommentar, N. 10 zu Art. 68 StPO; MARTIN KNÜSEL, Dolmetschen vor Gericht, Justice – Justiz – Giustizia 1/2011, Rz. 22; so auch die Botschaft, BBl 2006 1151 Ziff. 2.2.8, wonach die anwaltlich vertretene beschuldigte Person keinen Anspruch auf Übersetzung des gesamten Urteils haben soll). Anders als die Vorinstanz annimmt, ist deshalb für den Umfang des Übersetzungsbedarfs auch von Belang, dass der Beschwerdegegner 5 sich der (finalen) Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 nicht allein gegenübersah, sondern von zwei deutschsprachigen Rechtsanwälten verteidigt war, die er selbst ausgesucht hatte – und dabei namentlich fachliche und sprachliche Kompetenzen hatte berücksichtigen können.» (E.4.7.1).
«In diesem Zusammenhang ist auch den persönlichen Umständen und den Deutschkenntnissen des Beschwerdegegners 5 Rechnung zu tragen (so bereits die den Beschwerdegegner 5 betreffenden Urteile 1B_334/2021 vom 7. April 2022 E. 2.6 und 1B_212/2020 vom 13. Mai 2020 E. 2.1; vgl. ferner 1B_173/2022 vom 19. Mai 2022 E. 2.3, in dem das Bundesgericht auf die [passiven] Französischkenntnisse eines deutschsprachigen Beschuldigten abstellte). Wie die Beschwerdeführerin 1 unter Hinweis auf das erstinstanzliche Urteil ausführt, handelt es sich beim Beschwerdegegner 5 um einen Schweizer, der hierzulande seine Schulbildung absolviert und Rechtswissenschaften studiert hat. Sie macht unter Hinweis auf verschiedene Dokumente geltend, der Beschwerdegegner 5 verfüge über Deutschkenntnisse „auf Maturitätsniveau“, was dieser vor Bundesgericht in Abrede stellt. Wie es sich damit genau verhält, kann offenbleiben. Denn obwohl Deutsch für den Beschwerdegegner 5 eine Fremdsprache ist, verfügt er zumindest über Grundkenntnisse (vgl. Urteile 1B_334/2021 vom 7. April 2022 E. 2.6 und 1B_212/2020 vom 13. Mai 2020 E. 2.1) dieser Landessprache. Es war ihm ohne Weiteres möglich und zumutbar, die punktuellen Abweichungen der Anklage vom Anklageentwurf gemeinsam mit seinen Verteidigern zu identifizieren. Der analoge Aufbau der Entwürfe und der finalen Fassung der Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 hat diese Aufgabe erheblich erleichtert.» (E.4.7.2).
«Es folgt aus der Gesamtbetrachtung des Vorverfahrens und des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, der mit der Anklage vom 26. Oktober 2020 im Wesentlichen deckungsgleichen und übersetzten Anklageentwürfe, der ausführlichen Schlusseinvernahmen, der persönlichen Umstände des Beschwerdegegners 5, seiner beiden deutschsprachigen Verteidiger sowie der ausführlichen Rechtsschriften und Plädoyers vor dem erstinstanzlichen Gericht, dass der Beschwerdegegner 5 trotz der in untergeordneten Punkten nicht vollständigen Übersetzung der ihn betreffenden Anklagepunkte in der Lage war, den wesentlichen Inhalt der Anklageschrift zu verstehen und sich gegen die strafrechtlichen Vorwürfe wirksam zu verteidigen. Eine Verletzung seines Anspruchs auf Übersetzung nach Art. 6 Ziff. 3 EMRK und Art. 68 StPO ist nicht auszumachen.» (E.4.8).