Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt eine Strafuntersuchung gegen A. (und weitere Mitbeschuldigte) wegen mutmasslichen Vermögensdelikten (Betrug/Urkundenfälschung). Am 14. April 2022 wurde der Beschuldigte verhaftet, und es wurden bei ihm zwei Mobiltelefone sichergestellt. Am 15. April 2022 liess die Staatsanwaltschaft an seinem damaligen Wohnort eine Hausdurchsuchung vollziehen, bei der ein Laptop sowie ein iPad sichergestellt wurden, welche einer dritten Person gehören. Sowohl der Beschuldigte als auch die mitbetroffene dritte Person verlangten je die Siegelung der sichergestellten elektronischen Geräte. Am 3. Mai 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft beim kantonalen Zwangsmassnahmengericht deren Entsiegelung und Freigabe zur Durchsuchung.
Urteil Vorinstanz (Zwangsmassnahmengericht)
Mit Entscheid vom 13. Mai 2022 trat das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern, Einzelrichterin (ZMG), auf das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft nicht ein, ohne Vernehmlassungen einzuholen. Es stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft mangels gültiger Siegelungsbegehren ohne weiteres befugt sei, die sichergestellten Geräte bzw. die darin enthaltenen Aufzeichnungen zu durchsuchen. Das ZMG erwog, der Beschuldigte habe zwar die Siegelung der beiden Mobiltelefone verlangt, sich jedoch „in keiner Weise zum Siegelungsgrund“ geäussert. Auch sein Verteidiger habe (in dessen E-Mail vom 2. Mai 2022 an die Staatsanwaltschaft) keinerlei Siegelungsgründe genannt. Analoges treffe auf die von der Sicherstellung ihres Laptops und ihres iPads betroffene Person zu. Mangels eines glaubhaft gemachten Siegelungsgrundes lägen keine gültigen Siegelungsbegehren vor, weshalb auf das Entsiegelungsgesuch nicht einzutreten und die Durchsuchung der Geräte ohne weiteres zu bewilligen sei.
Weiterzug ans Bundesgericht
Gegen den Entscheid des ZMG gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 14. Juni 2022 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Durchführung des Entsiegelungsverfahrens.
Die Vorinstanz verzichtete am 24. Juni 2022 auf eine Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Vernehmlassung vom 30. Juni 2022 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten wäre. Mit Verfügung vom 12. Juli 2022 bewilligte das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer replizierte am 25. August 2022.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 1B_303/2022 vom 19. Dezember 2022
Der Beschwerdeführer bringt, im Wesentlichen zusammengefasst, Folgendes vor, wie das Bundesgericht erklärt:
Anlässlich seiner Verhaftung und der Sicherstellung der beiden ihm gehörenden Mobiltelefone am 14. April 2022 habe er gegenüber dem zuständigen Polizeibeamten deren Siegelung verlangt. Bei dieser Gelegenheit habe er „mündlich und sinngemäss geltend“ gemacht, „die sichergestellten Mobiltelefone könnten aufgrund privater Geheimhaltungsinteressen, welche das Strafverfolgungsinteresse überwiegen, nicht durchsucht werden“. Weder das Gesetz noch die Bundesgerichtspraxis sähen vor, dass der Inhaber von sichergestellten Aufzeichnungen und Geräten schon in seinem Siegelungsbegehren – bzw. vor Einreichung des Entsiegelungsgesuches und Durchführung des Entsiegelungsverfahrens – seine geschützten Geheimnisrechte detailliert zu begründen hätte. Sein Siegelungsbegehren habe er bundesrechtskonform gestellt und kursorisch begründet. Nach Eingang des Entsiegelungsgesuches der Staatsanwaltschaft habe die Vorinstanz ihm keine Gelegenheit eingeräumt, die von ihm angerufenen, überwiegenden privaten Geheimhaltungsinteressen näher zu substanziieren. Stattdessen sei die Entsiegelungsrichterin ohne weiteres auf das Entsiegelungsgesuch nicht eingetreten, und sie habe die sichergestellten Mobiltelefone zu Unrecht und in Verletzung seiner Geheimnisrechte zur Durchsuchung freigegeben. Das ZMG habe ihm weder Gelegenheit gegeben, sich zum Entsiegelungsgesuch zu äussern, noch, den von ihm geltend gemachten Siegelungsgrund näher zu substanziieren.
Er rügt in diesem Zusammenhang vor Bundesgericht insbesondere eine formelle Rechtsverweigerung und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 BV).
Das Bundesgericht macht anschliessend im Urteil 1B_303/2022 vom 19. Dezember 2022 die folgenden, fast lehrbuchartigen, Ausführungen zum gerade im Wirtschaftsstrafrecht wichtigen Thema der Siegelung:
«Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, sind zu versiegeln und dürfen von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden (Art. 248 Abs. 1 StPO). Stellt die Untersuchungsbehörde im Vorverfahren ein Entsiegelungsgesuch, hat der Entsiegelungsrichter auf entsprechende substanziierte Vorbringen von Siegelungsberechtigten hin zu prüfen, ob schutzwürdige Geheimnisinteressen oder andere gesetzliche Entsiegelungshindernisse einer Durchsuchung entgegenstehen (Art. 248 Abs. 2-4 StPO; vgl. BGE 144 IV 74 E. 2.2; 141 IV 77 E. 4.1).» (E.2.3)
«Nach der Praxis des Bundesgerichtes haben Inhaber von sichergestellten Gegenständen und Aufzeichnungen, welche sich zur Wahrung ihrer geschützten Geheimnisrechte gegen deren Durchsuchung wenden, die betreffenden Gründe spätestens im gerichtlichen Entsiegelungsverfahren substanziiert darzulegen, sofern ein formgültiges und fristkonformes Siegelungsbegehren erfolgt ist und ein Entsiegelungsgesuch gestellt wird (BGE 142 IV 207 E. 7.1.5, E. 11; 141 IV 77 E. 4.3, E. 5.5.3, E. 5.6; 138 IV 225 E. 7.1; 137 IV 189 E. 4.2, E. 5.3.3; nicht amtl. publ. E. 6 von BGE 144 IV 74).
Weder das Gesetz noch die bundesgerichtliche Praxis verlangen demgegenüber, dass die von einer Hausdurchsuchung und provisorischen Beschlagnahme betroffene Person bereits bei der Sicherstellung (bzw. vor einem allfälligen Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft) ihr Siegelungsbegehren (Art. 247 Abs. 1 i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO) detailliert zu begründen hätte (Urteile 1B_273/2021 vom 2. März 2022 E. 3.3; 1B_522/2019 vom 4. Februar 2020 E. 2.1; 1B_382/2017 vom 22. Dezember 2017 E. 3.1). Eine übertriebene prozessuale Schärfe bei der Handhabung formeller Anforderungen für die Siegelung (etwa betreffend rechtzeitige Erhebung oder „Begründung“ von Siegelungsbegehren) würde den im Gesetz vorgesehenen effizienten Rechtsschutz von Betroffenen gegenüber strafprozessualen Zwangsmassnahmen aushöhlen (zit. Urteil 1B_273/2021 E. 3.3 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 140 IV 28 E. 3.4, E. 4.3.4, E. 4.3.6, mit Hinweisen).
Damit aufgrund eines Siegelungsbegehrens eine gültige Siegelung durch die Strafverfolgungsbehörde erfolgt, muss die betroffene Person Siegelungsgründe zwar noch nicht im Detail darlegen, aber immerhin einen spezifischen Siegelungsgrund sinngemäss anrufen (zit. Urteile 1B_273/2021 E. 3.3; 1B_522/2019 E. 2.1; Urteile 1B_219/2017 vom 23. August 2017 E. 3.1; 1B_309/2012 vom 6. November 2012 E. 5.3 ff.; vgl. auch BGE 140 IV 28 E. 4.3.5). Der Siegelungsgrund muss dabei lediglich glaubhaft gemacht werden (zit. Urteile 1B_273/2021 E. 3.3; 1B_522/2019 E. 2.1; je mit weiteren Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die knappe Angabe eines Siegelungsgrundes im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO zwar zur Glaubhaftmachung grundsätzlich ausreichen. Da die Strafverfolgungsbehörden ein offensichtlich unbegründetes oder missbräuchliches Siegelungsbegehren aber ablehnen können (namentlich wenn die gesuchstellende Person offensichtlich nicht legitimiert ist oder das Gesuch offensichtlich verspätet gestellt wird), kann auch eine kurze Begründung zur Glaubhaftmachung des Siegelungsgrundes – je nach den Umständen des Einzelfalles – prozessual geboten erscheinen (zit. Urteile 1B_273/2021 E. 3.3; 1B_522/2019 E. 2.1; Urteil 1B_24/2019 vom 27. Februar 2019 E. 2.1 mit Hinweisen). Versäumt es die Strafverfolgungsbehörde, juristische Laien über ihr Siegelungsrecht ausreichend zu informieren, darf eine Siegelung hingegen nicht mit der Begründung verweigert werden, die betroffene Person habe bei der Sicherstellung noch keine Geheimnisrechte als Durchsuchungshindernis ausdrücklich angerufen (zit. Urteile 1B_273/2021 E. 3.3; 1B_219/2017 E. 3.1; 1B_382/2017 E. 3.1; 1B_309/2012 E. 5.3 ff.).» (E.2.4)
Das Bundesgericht äussert sich um Sachverhalt im vorliegenden Fall wie folgt:
«Im vorliegenden Fall erwog die Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe zwar die Siegelung der beiden bei ihm sichergestellten Mobiltelefone verlangt, sich jedoch „in keiner Weise zum Siegelungsgrund“ geäussert. Auch sein Verteidiger habe (in dessen E-Mail vom 2. Mai 2022 an die Staatsanwaltschaft) keinerlei Siegelungsgründe genannt.
Demgegenüber bringt der Beschwerdeführer vor, er habe anlässlich seines am 14. April 2022 gestellten Siegelungsbegehrens bereits „mündlich und sinngemäss geltend“ gemacht, „die sichergestellten Mobiltelefone könnten aufgrund privater Geheimhaltungsinteressen, welche das Strafverfolgungsinteresse überwiegen, nicht durchsucht werden“. Für diese Sachdarstellung beruft er sich auf den Polizeirapport vom 14. April 2022.
In dem Rapport wird (auf Seite 7) zwar festgehalten, dass der Beschwerdeführer „auf Nachfrage“ des rapportierenden Polizeibeamten hin „eine Siegelung seiner beiden Mobiltelefone“ gewünscht habe. Dass er in diesem Zusammenhang auch einen Siegelungsgrund sinngemäss erwähnt habe (etwa überwiegende Privatgeheimnisse im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 3 StPO), ist dem Rapport jedoch, entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers, nicht zu entnehmen.
Auch das vom Beschwerdeführer eingereichte Schreiben vom 20. Mai 2022 der Staatsanwaltschaft an seinen Verteidiger lässt nichts anderes erkennen. Diese führt dort aus: „Explizit festgehalten und bestritten wird schliesslich Ihre Konklusion, die Staatsanwaltschaft habe den Siegelungsantrag des Beschuldigten mangels Aufforderung zur Glaubhaftmachung von Siegelungsgründen akzeptiert. Diese prozessuale Obliegenheit oblag in casu klarerweise dem Beschuldigten bzw. Ihnen als dessen Verteidiger“.
Es ist hier allerdings durch das Bundesgericht nicht näher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer am 14. April 2022 einen Siegelungsgrund wenigstens sinngemäss und kursorisch genannt hat und das Nichteintreten auf das Entsiegelungsgesuch schon deshalb bundesrechtswidrig erschiene (Art. 29 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 248 StPO). Diesbezüglich hat die Vorinstanz jedenfalls das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt (Art. 29 Abs. 2 BV) :
Die Parteien haben den bundesrechtlich garantierten Anspruch, sich zur Sache und zum Verfahren zu äussern, bevor das ZMG einen Entscheid fällt, der sie in ihren gesetzlich geschützten Rechten tangiert (Art. 107 Abs. 1 lit. d StPO). Im angefochtenen Entscheid werden die sichergestellten Mobiltelefone zur Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft freigegeben. Damit droht dem Beschwerdeführer eine Verletzung von allfälligen, gesetzlich geschützten Geheimnisrechten. Als die Vorinstanz in Aussicht nahm, ein gültiges Siegelungsbegehren zu verneinen, deshalb auf das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft nicht einzutreten und die sichergestellten Mobiltelefone zur Durchsuchung freizugeben, hätte die Entsiegelungsrichterin den Beschwerdeführer von Bundesrechts wegen zu dieser Verfahrenserledigung Stellung nehmen lassen müssen. Auch gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO) durfte der Beschwerdeführer – nach faktisch erfolgter Siegelung und Eingang des Entsiegelungsgesuches beim ZMG – davon ausgehen, dass dieses entweder ein kontradiktorisches Entsiegelungsverfahren (Art. 248 StPO) durchführen oder ihn wenigstens zu einer allfälligen Erledigung mittels Prozessurteil (Nichteintreten auf das Entsiegelungsgesuch) anhören würde. Statt dessen hat die Vorinstanz entschieden, ohne dem Beschwerdeführer diesbezüglich das rechtliche Gehör zu gewähren. Insbesondere erhielt er vorinstanzlich keine Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass er bereits am 14. April 2022 (oder sonstwie rechtzeitig) geltend gemacht habe, die sichergestellten Mobiltelefone dürften aufgrund von privaten Geheimhaltungsinteressen, welche das Strafverfolgungsinteresse überwögen, nicht durchsucht werden. Ebenso wenig erhielt er Gelegenheit, diesbezüglich Beweismittel einzureichen oder zu nennen (Art. 107 Abs. 1 lit. e StPO). Die von der Vorinstanz eingereichten Verfahrensakten enthalten denn auch nur das Entsiegelungsgesuch und den angefochtenen Entscheid.» (E.2.5)
Das Bundesgericht kommt im Urteil 1B_303/2022 vom 19. Dezember 2022 zur Schlussfolgerung:
«Der angefochtene Entscheid verletzt insofern Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 107 Abs. 1 StPO. Eine allfällige „Heilung“ der Gehörsverletzung im bundesgerichtlichen Verfahren ist hier schon mangels ausreichender Kognition des Bundesgerichtes (Art. 97 Abs. 1 BGG) nicht möglich (BGE 142 II 218 E. 2.8.1; 137 I 195 E. 2.3.2; je mit Hinweisen). Die Sache ist an die Vorinstanz zur Neubeurteilung – nach erfolgter Einräumung des rechtlichen Gehörs – zurückzuweisen. Sofern sich nach entsprechender Prüfung durch das ZMG ergeben sollte, dass der Beschwerdeführer keinen konkreten Siegelungsgrund wenigstens sinngemäss angerufen hat, dürfte das ZMG – gestützt auf die oben (E. 2.4) dargelegte Rechtsprechung des Bundesgerichtes – auch auf das noch hängige Entsiegelungsgesuch betreffend die beiden Mobiltelefone nicht eintreten. Andernfalls wäre diesbezüglich das kontradiktorische Entsiegelungsverfahren nach Art. 248 StPO durchzuführen.»
Die Beschwerde wurde durch das Bundesgericht gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden konnte (E.3).
Bemerkungen zum Urteil des Bundesgerichts 1B_303/2022 vom 19. Dezember 2022
Beim Urteil heisst es hier Fortsetzung folgt, da die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen wurde.
Dennoch ist der Entscheid sehr lesenswert, da er (ab E.2.3) den aktuellen Stand der Dinge der bundesgerichtlichen Praxis zur Siegelung wiedergibt.