Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft, Abteilung 1, Luzern, führt ein Strafverfahren gegen A. und andere Personen wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Ehrverletzungsdelikten. A. wird vorgeworfen, sie habe sich als Aktivistin der Hausbesetzer-Szene ohne Berechtigung in einem leerstehenden Haus aufgehalten. Sie wurde bei einer Hausdurchsuchung festgenommen. Die Luzerner Polizei ordnete mit Befehl vom 21. Juli 2022 ihre erkennungsdienstliche Erfassung und die Vornahme eines Wangenschleimhautabstrichs zwecks Erstellung ihres DNA-Profils an.
Instanzenzug
Dagegen erhob A. Beschwerde und beantragte insbesondere die Vernichtung der abgenommenen DNA-Proben und erkennungsdienstlich erhobenen Daten sowie die Löschung allfälliger bereits erfolgter Einträge in entsprechenden Datenbanken. Die 1. Abteilung des Kantonsgericht des Kantons Luzern wies die Beschwerde von A. mit Beschluss vom 28. November 2022 ab. Zudem wies es ihr Gesuch um „unentgeltliche amtliche Verteidigung“ ab und auferlegte ihr die Gebühr für das Beschwerdeverfahren von Fr. 1’000.–.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A. vor Bundesgericht, es sei der Beschluss vom 28. November 2022 und der „Befehl zur erkennungsdienstlichen Erfassung und Abnahme Wangenschleimhautabstrich“ aufzuheben; eventualiter sei deren Rechtswidrigkeit festzustellen. (Sub-) Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die erstellten Fotos und abgenommenen Fingerabdrücke und weitere Abdrücke identifizierender Körperteile seien umgehend zu vernichten und allfällige, bereits erfolgte Einträge in entsprechenden daktyloskopischen Datenbanken seien umgehend zu löschen. Die „amtliche Verteidigung“ sei ihr auch für das Verfahren vor der Vorinstanz zuzusprechen. Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten bzw. die Sache nicht als gegenstandslos zu erklären sei. Die Luzerner Polizei schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_335/2023 vom 3. Mai 2024
Die DNA-Probenahme, DNA-Profilerstellung und die erkennungsdienstliche Erfassung sollten im vorliegenden Fall nicht der Aufklärung der Straftaten dienen, deren die Beschwerdeführerin im laufenden Strafverfahren verdächtigt wird, sondern wurden mit Blick auf allfällige andere – bereits begangene oder künftige – Delikte angeordnet. Ihnen kommt somit eine über das Strafverfahren hinausgehende eigenständige Bedeutung zu. Der vorinstanzliche Entscheid ist deshalb praxisgemäss als Endentscheid zu behandeln, der nach Art. 90 BGG anfechtbar ist (Urteile 1B_259/2022 vom 23. Juni 2023 E. 1; 1B_217/2022 vom 15. Mai 2023 E. 1; je mit Hinweisen), bemerkt das Bundesgericht einleitend (E.1.2).
Die per 1. Januar 2024 in Kraft getretene Gesetzesänderung betreffend DNA-Probenahme und -Profilerstellung hat keine Auswirkungen auf das vorliegende Urteil, erklärt das Bundesgericht (E.2).
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_335/2023 vom 3. Mai 2024 alsdann generell-abstrakt zur DNA-Beschwerde:
«Nach aArt. 255 Abs. 1 lit. a StPO kann von der beschuldigten Person zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden. Die Polizei kann nach aArt. 255 Abs. 2 StPO die nicht invasive Probenahme bei Personen und die Erstellung eines DNA-Profils von tatrelevantem biologischem Material anordnen. Die Strafbehörden können diese Zwangsmassnahmen aber nicht nur zur Aufklärung bereits begangener und ihnen bekannter Delikte anordnen. Wie aus aArt. 259 StPO in Verbindung mit der bis 31. Juli 2023 gültigen Fassung von aArt. 1 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten der vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz; SR 363) hervorgeht, soll die Erstellung eines DNA-Profils vielmehr auch erlauben, Täterinnen und Täter von Delikten zu identifizieren, die den Strafbehörden noch unbekannt sind. Dabei kann es sich um vergangene oder künftige Delikte handeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dient aArt. 255 Abs. 1 lit. a StPO auch bei solchen Straftaten als gesetzliche Grundlage für die DNA-Probenahme und DNA-Profilerstellung (BGE 147 I 372 E. 2.1; 145 IV 263 E. 3.3; Urteil 7B_119/2022 vom 21. August 2023 E. 3; je mit Hinweisen). Die Bestimmung ermöglicht aber nicht bei jedem hinreichenden Tatverdacht die routinemässige Entnahme und Analyse von DNA-Proben (BGE 147 I 372 E. 2.1; 145 IV 263 E. 3.4; je mit Hinweisen).» (E.3.1.1).
«Gemäss Art. 260 StPO können die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, und in dringenden Fällen ihre Verfahrensleitung, die erkennungsdienstliche Erfassung anordnen (Abs. 2). Dabei werden die Körpermerkmale einer Person festgestellt und Abdrücke von Körperteilen genommen (Abs. 1). Die erkennungsdienstliche Erfassung kann nicht nur zur Aufklärung bereits begangener und den Strafverfolgungsbehörden bekannter Delikte, sondern, genau wie die DNA-Probenahme und -Profilerstellung, auch im Hinblick auf andere Delikte angeordnet werden. Art. 260 Abs. 1 StPO erlaubt indessen ebensowenig wie aArt. 255 Abs. 1 StPO eine routinemässige erkennungsdienstliche Erfassung (BGE 147 I 372 E. 2.1 mit Hinweisen).» (E.3.1.2).
«Die DNA-Probenahme, die DNA-Profilerstellung und die erkennungsdienstliche Erfassung können die Rechte der betroffenen Person auf persönliche Freiheit bzw. körperliche Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV) und auf informationelle Selbstbestimmung berühren (Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 EMRK; BGE 147 I 372 E. 2.2 ff.; 145 IV 263 E. 3.4; je mit Hinweisen). Einschränkungen von Grundrechten bedürfen gemäss Art. 36 Abs. 1 bis 3 BV einer gesetzlichen Grundlage und müssen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Diese Voraussetzungen werden in Art. 197 Abs. 1 StPO präzisiert. Danach können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (lit. b), die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (lit. d). Nach der Rechtsprechung sind die DNA-Probenahme, DNA-Profilerstellung und die erkennungsdienstliche Erfassung, soweit sie nicht der Aufklärung der Straftaten eines laufenden Strafverfahrens dienen, nur dann verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere – auch künftige – Delikte verwickelt sein könnte. Es muss sich dabei um Delikte von einer gewissen Schwere handeln (BGE 145 IV 263 E. 3.4 mit Hinweisen; vgl. BGE 147 I 372 E. 4.2). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die beschuldigte Person vorbestraft ist; trifft dies nicht zu, schliesst das jedoch die DNA-Probenahme, DNA-Profilerstellung oder erkennungsdienstliche Erfassung nicht aus, sondern es fliesst als eines von vielen Kriterien in die Gesamtabwägung ein und ist entsprechend zu gewichten (BGE 145 IV 263 E. 3.4; Urteile 1B_230/2022 vom 7. September 2022 E. 2.2; 1B_171/2021 vom 6. Juli 2021 E. 4.1; je mit Hinweisen). Bei der Beurteilung der erforderlichen Deliktsschwere kommt es weder einzig auf die Ausgestaltung als Antrags- bzw. Offizialdelikt noch auf die abstrakte Strafdrohung an. Vielmehr sind das betroffene Rechtsgut und der konkrete Kontext miteinzubeziehen. Eine präventive DNA-Probenahme, DNA-Profilerstellung oder erkennungsdienstliche Erfassung erweist sich insbesondere dann als verhältnismässig, wenn die besonders schützenswerte körperliche bzw. sexuelle Integrität von Personen bzw. unter Umständen auch das Vermögen (Raubüberfälle, Einbruchdiebstähle) bedroht ist. Es müssen mithin ernsthafte Gefahren für wesentliche Rechtsgüter drohen (Urteile 1B_259/2022 vom 23. Juni 2023 E. 4.3; 1B_171/2021 vom 6. Juli 2021 E. 4.3 mit Hinweisen).» (E.3.1.3).
Fallbezogen erklärt das Bundesgericht im Urteil 7B_335/2023 vom 3. Mai 2024 Folgendes:
«Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführerin würden Vergehen, nämlich Hausfriedensbruch und Verleumdung, vorgeworfen. Das seien zwar nur Antragsdelikte, dies ändere aber nichts daran, dass es sich dabei um „schwere Vergehen“ handle. Hinzu kämen die Vorwürfe der Sachbeschädigung und des Erwerbs, Besitzes und Konsums von Betäubungsmitteln, wobei letztere Übertretungen seien. Bei den „möglichen künftigen Straftaten“, die von der Beschwerdeführerin zu erwarten seien, handle es sich mit Ausnahme des Betäubungsmittelkonsums um keine Bagatellen. Die Beschwerdeführerin sei ferner bereits wegen Hausfriedensbruchs vorbestraft. Weiter sei davon auszugehen, dass sie nicht bloss eine Mitläuferin, sondern ein „aktives Mitglied der Häuserbesetzer-Szene“ sei. Die erkennungsdienstlichen Massnahmen seien deshalb verhältnismässig.» (E.3.2).
«Dem kann nicht gefolgt werden: Wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, richten sich keine der ihr nach der Vorinstanz vorgeworfenen Straftaten – also Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Ehrverletzungsdelikte und Konsum von Betäubungsmitteln – gegen besonders schützenswerte Rechtsgüter wie die körperliche oder sexuelle Integrität. Zudem stand die Liegenschaft, welche die Beschwerdeführerin unberechtigt betreten haben soll, nach der Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz leer und der Beschwerdeführerin wird, soweit ersichtlich, auch nicht etwa vorgeworfen, sie habe besonders hohen Sachschaden verursacht. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, weshalb von der Beschwerdeführerin Vergehen und Verbrechen einer gewissen Schwere zu erwarten wären. Ihre erkennungsdienstliche Erfassung ist deshalb unverhältnismässig; dies gilt ebenfalls für die bereits vernichtete DNA-Probenahme zwecks DNA-Profilerstellung. Der angefochtene Entscheid ist demnach aufzuheben. Auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin ist nicht einzugehen.» (E.3.3.).
Das Bundesgericht heisst im Urteil 7B_335/2023 vom 3. Mai 2024 die Beschwerde gut (E.4).