Vollmacht bei Beschwerde an das Bundesgericht zwingend notwendig

Im Urteil 7B_609/2025 vom 11. September 2025 aus dem Kanton Luzern ging es um einen amtlichen Verteidiger, der bei der Beschwerde vor Bundesgericht, trotz mehrmaligen Nachfristansetzungen, keine Vollmacht einreichte. Das Bundesgericht erklärte u.a.: «Die Parteivertreter haben sich durch eine Vollmacht auszuweisen ([Art. 40 BGG] Abs. 2). Fehlt bei Beizug eines Vertreters die Vollmacht oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels mit der Androhung angesetzt, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt (Art. 42 Abs. 5 BGG).» (E.1.1). «Das Institut der notwendigen Verteidigung, wie es die Strafprozessordnung vorsieht, ist dem bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren indes unbekannt. Insbesondere erstreckt sich eine im kantonalen Strafverfahren eingesetzte amtliche Verteidigung nicht auf das Verfahren vor Bundesgericht und ist dort unbeachtlich […].» (E.2.1). «Aus Art. 42 Abs. 5 BGG ergibt sich, dass die Vollmacht der Beschwerde schriftlich im Sinne von Art. 13 – Art. 15 OR oder in elektronischer Form gemäss Art. 42 Abs. 4 BGG beizulegen ist. Andere Beweismittel zum Nachweis der Vollmacht genügen nicht. Art. 40 Abs. 2 BGG und Art. 42 Abs. 5 BGG machen insoweit die Gültigkeit der Vertretungsmacht selbst von der Vorlage einer schriftlichen oder elektronischen Vollmacht abhängig […]. Eine solche liegt nicht vor. Der von Rechtsanwalt B. innert erstreckter Frist vorgelegte annotierte Entwurf seiner am 3. Juli 2025 eingereichten Bundesgerichtsbeschwerde vermag mit Blick auf die vorhergehenden Ausführungen keine gültige Bevollmächtigung zu begründen, zumal es diesem bereits an einer eigenhändigen Unterschrift des Beschwerdeführers fehlt. Darüber hinaus ist darauf handschriftlich vermerkt, dass Rechtsanwalt B. die Beschwerde überarbeiten, eine Verlängerung der Frist beantragen und bezüglich der Beschwerde gegebenenfalls nochmals persönlich vorbeikommen müsse. Insofern erscheint es als fraglich, ob daraus tatsächlich der Wille hervorgeht, mit der auf den 3. Juli 2025 datierten Beschwerde an das Bundesgericht zu gelangen. In seiner persönlich verfassten Eingabe an das Bundesgericht (act. 9) wies der Beschwerdeführer jedenfalls darauf hin, dass die Rechtsschrift vom 3. Juli 2025 ignoriert werden könne und er den Inhalt der Rechtsschrift nicht kenne. Nach dem oben Gesagten ist die auf den 3. Juli 2025 datierte, fristgerecht eingereichte Beschwerde von Rechtsanwalt B. daher von keiner gültigen Vollmacht getragen. […]» (E.2.3).

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Abteilung 2 Emmen, führt eine Strafuntersuchung gegen A. wegen mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Am 9. Mai 2025 wurde A._ festgenommen und mit Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 13. Mai 2025 bis am 8. August 2025 in Haft versetzt.

Instanzenzug

Dagegen wandte sich A. mit Beschwerde an das Kantonsgericht des Kantons Luzern. Dieses wies die Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2025 ab. Weiter regelte es die Kosten- und Entschädigungsfolgen.

Weiterzug ans Bundesgericht

Am 3. Juli 2025 gelangte Rechtsanwalt B. im Namen von A. mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragte, der Beschluss des Kantonsgerichts Luzern vom 11. Juni 2025 sei aufzuheben und A. sei aus der Haft zu entlassen. Zudem sei A. die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das vorinstanzliche wie auch für das bundesgerichtliche Verfahren zu gewähren, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen für das vorinstanzliche sowie für das bundesgerichtliche Verfahren zu Lasten des Staats.  Das Kantonsgericht reichte eine Vernehmlassung ein. Die Staatsanwaltschaft liess sich ebenfalls vernehmen und beantragte die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2025 forderte die Bundesgerichtskanzlei der II. strafrechtlichen Abteilung Rechtsanwalt B. im Auftrag des Abteilungspräsidenten auf, eine Vollmacht einzureichen, wobei ihm hierfür mehrfach Fristerstreckungen gewährt wurden.

Am 9. Juli 2025 wurde A. aus der Untersuchungshaft entlassen.

Mit persönlich verfasster Eingabe, welche gemäss den Angaben auf dem Briefumschlag am 9. Juli 2025 der Justizvollzugsanstalt Grosshof übergeben wurde, wandte sich A. an das Bundesgericht. Dabei ersuchte er um „Fristverlängerung von 15-30 Tagen für die Beschwerde“. Zudem wies er das Bundesgericht darauf hin, dass es die Rechtsschrift vom 3. Juli 2025 ignorieren könne und er den Inhalt der Rechtsschrift nicht kenne. Er werde dem Bundesgericht seine Beschwerde noch zustellen und dann eine Beschwerdevollmacht anhängen.

Mit Verfügung vom 12. August 2025 wurde Rechtsanwalt B. die Frist zur Einreichung einer Anwaltsvollmacht letztmals bis zum 25. August 2025 erstreckt. Dabei wurde er auf das Risiko eines Nichteintretens hingewiesen, falls es an einer gültigen Vollmacht fehle. Die besagte Verfügung wurde auch A. zugestellt.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_609/2025 vom 11. September 2025  

Das Bundesgericht führt einleitend aus:

«Gemäss Art. 40 BGG können in Zivil- und Strafsachen Parteien vor Bundesgericht nur von Anwälten und Anwältinnen vertreten werden, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 oder nach einem Staatsvertrag berechtigt sind, Parteien vor schweizerischen Gerichtsbehörden zu vertreten (Abs. 1). Die Parteivertreter haben sich durch eine Vollmacht auszuweisen (Abs. 2). Fehlt bei Beizug eines Vertreters die Vollmacht oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels mit der Androhung angesetzt, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt (Art. 42 Abs. 5 BGG).» (E.1.1).

Weiter führt das Bundesgericht im Urteil 7B_609/2025 vom 11. September 2025 fallbezogen aus:

«Als Beweis für eine gehörige Bevollmächtigung führt Rechtsanwalt B. in seiner Beschwerde zunächst seine Einsetzung als amtlicher Verteidiger durch die Staatsanwaltschaft per 9. Mai 2025 an. Das Institut der notwendigen Verteidigung, wie es die Strafprozessordnung vorsieht, ist dem bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren indes unbekannt. Insbesondere erstreckt sich eine im kantonalen Strafverfahren eingesetzte amtliche Verteidigung nicht auf das Verfahren vor Bundesgericht und ist dort unbeachtlich (vgl. BGE 146 IV 364 E. 1.2 mit Hinweisen).» (E.2.1).

«Innert der ihm gesetzten, mehrmals erstreckten Frist hat Rechtsanwalt B. sodann keine Vollmacht für das bundesgerichtliche Verfahren eingereicht. Er macht in diesem Zusammenhang jedoch geltend, dass er im Austausch mit dem Beschwerdeführer stehe, dieser ihm aber trotz mehrmaliger Aufforderung keine unterzeichnete Anwaltsvollmacht habe zugehen lassen. Der Beschwerdeführer habe indessen mehrfach kommuniziert, dass die von ihm, Rechtsanwalt B., am 3. Juli 2025 eingereichte Beschwerde an das Bundesgericht seinem Willen entspreche. Letzteres gehe auch aus den vom Beschwerdeführer vorgenommenen handschriftlichen Korrekturen / Ergänzungen an der am 3. Juli 2025 beim Bundesgericht eingereichten Beschwerde hervor, welche er, Rechtsanwalt B., dem Beschwerdeführer kurz vor dessen Haftentlassung am 9. Juli 2025 zugestellt habe. Abgesehen von formalen Unterschieden und wenigen, vom Beschwerdeführer angebrachten zusätzlichen Angaben und Anträgen, sei der Inhalt des vom Beschwerdeführer annotierten Entwurfs und der Inhalt der am 3. Juli 2025 eingereichten Beschwerde in Strafsachen deckungsgleich. Insofern habe der Beschwerdeführer seinen Willen zur Beschwerde trotz Fehlens einer Vollmacht im herkömmlichen Sinne formell wie auch materiell in einer den Anforderungen des BGG genügenden Weise manifestiert.» (E.2.2).

«Der Argumentation von Rechtsanwalt B. kann nicht gefolgt werden. Aus Art. 42 Abs. 5 BGG ergibt sich, dass die Vollmacht der Beschwerde schriftlich im Sinne von Art. 13 – Art. 15 OR oder in elektronischer Form gemäss Art. 42 Abs. 4 BGG beizulegen ist. Andere Beweismittel zum Nachweis der Vollmacht genügen nicht. Art. 40 Abs. 2 BGG und Art. 42 Abs. 5 BGG machen insoweit die Gültigkeit der Vertretungsmacht selbst von der Vorlage einer schriftlichen oder elektronischen Vollmacht abhängig (Urteil 6B_1388/2022 vom 8. Mai 2023 mit zahlreichen Hinweisen). Eine solche liegt nicht vor. Der von Rechtsanwalt B. innert erstreckter Frist vorgelegte annotierte Entwurf seiner am 3. Juli 2025 eingereichten Bundesgerichtsbeschwerde vermag mit Blick auf die vorhergehenden Ausführungen keine gültige Bevollmächtigung zu begründen, zumal es diesem bereits an einer eigenhändigen Unterschrift des Beschwerdeführers fehlt. Darüber hinaus ist darauf handschriftlich vermerkt, dass Rechtsanwalt B. die Beschwerde überarbeiten, eine Verlängerung der Frist beantragen und bezüglich der Beschwerde gegebenenfalls nochmals persönlich vorbeikommen müsse. Insofern erscheint es als fraglich, ob daraus tatsächlich der Wille hervorgeht, mit der auf den 3. Juli 2025 datierten Beschwerde an das Bundesgericht zu gelangen. In seiner persönlich verfassten Eingabe an das Bundesgericht (act. 9) wies der Beschwerdeführer jedenfalls darauf hin, dass die Rechtsschrift vom 3. Juli 2025 ignoriert werden könne und er den Inhalt der Rechtsschrift nicht kenne. Nach dem oben Gesagten ist die auf den 3. Juli 2025 datierte, fristgerecht eingereichte Beschwerde von Rechtsanwalt B. daher von keiner gültigen Vollmacht getragen. Eine eigene Beschwerde hat der Beschwerdeführer entgegen seiner Ankündigung bis heute nicht eingereicht.» (E.2.3).

«Ist eine Partei offensichtlich nicht imstande, ihre Sache selber zu führen, so kann das Bundesgericht sie gemäss Art. 41 Abs. 1 BGG auffordern, einen Vertreter oder eine Vertreterin beizuziehen. Leistet sie innert der angesetzten Frist keine Folge, so bestellt ihr das Gericht einen Anwalt oder eine Anwältin. Das Bundesgericht auferlegt sich bei der Anwendung von Art. 41 Abs. 1 BGG grosse Zurückhaltung. Die Bestimmung greift nur in aussergewöhnlichen Situationen ein; sie setzt die Postulationsunfähigkeit des Beschwerdeführers voraus, d.h. die vollständige Unfähigkeit, den Prozess selbst zu führen. Eine solche kann allenfalls bei einem Analphabeten oder bei jemandem angenommen werden, der sonst im betreffenden Verfahren völlig unbeholfen ist. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Partei postulationsfähig ist. Kann der Beschwerdeführer verständlich machen, was er mit dem Verfahren erreichen will, ist er imstande, seine Sache selbst zu führen (Urteile 7B_951/2023 vom 11. Juni 2024 E. 3.2; 6B_390/2022 vom 27. Juli 2022 E. 5 mit Hinweisen). 

Dass dem Beschwerdeführer die Postulationsfähigkeit abgesprochen werden müsste, ist nicht ersichtlich. Rechtsanwalt B. macht zwar geltend, jener sei juristischer Laie und aufgrund psychischer Beeinträchtigungen kognitiv nicht im Stande, sich in der prozessual komplexen Materie eigenständig zu äussern. Die vom Beschwerdeführer persönlich verfasste Eingabe an das Bundesgericht legt indessen nahe, dass dieser sehr wohl in der Lage ist, seine Interessen zum Ausdruck zu bringen. Desgleichen ergibt sich aus dem von Rechtsanwalt B. dem Bundesgericht unterbreiteten annotierten Entwurf seiner am 3. Juli 2025 eingereichten Beschwerde. Ist den Ausführungen von Rechtsanwalt B. folgend davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Korrekturen und Ergänzungen vom Beschwerdeführer stammen, kann von einer völligen Unbeholfenheit im Verfahren nicht die Rede sein. Schliesslich spricht auch die vom Beschwerdeführer am 5. Juli 2025 persönlich verfasste, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern zugestellte Eingabe zum Kurzgutachten (act. 11) gegen eine fehlende Postulationsfähigkeit. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach Art. 41 Abs. 1 BGG sind damit nicht gegeben.» (E.3).

«Mangels Einreichung einer Vollmacht im Sinne von Art. 40 Abs. 2 BGG innert Frist und bis heute, ist auf die von Rechtsanwalt B. für den Beschwerdeführer erhobene Beschwerde und das darin gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung androhungsgemäss nicht einzutreten. Ausnahmsweise kann auf eine Kostenauflage verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Das Bundesgericht behält sich jedoch vor, Rechtsanwalt B. bei künftigen vollmachtlosen Beschwerdeerhebungen die Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BGG).»  (E.4).

Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde im Urteil 7B_609/2025 vom 11. September 2025 nicht ein.

 

 

 

 

 

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