Anwendbarkeit von BetmG oder HMG als Einzelfallfrage

Im Urteil 7B_444/2025 vom 23. Oktober 2025 (zur amtl. Publ. vorgesehen) aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit der Abgrenzung der Anwendbarkeit des BetmG und des HMG. Im vorliegenden Fall ging es um die Einfuhr von Delorazepam. Beschwerdeführerin war die Swissmedic. Das Bundesgericht äusserte sich zunächst zur Beschwerdelegitimation von Swissmedic (E.1). In der Sache machte es u.a. die folgenden Ausführungen: «Das Verhältnis zwischen dem BetmG und dem HMG ist in Art. 1b BetmG geregelt […]. Für Betäubungsmittel, die als Heilmittel verwendet werden, gelten gemäss Art. 1b Satz 1 BetmG die Bestimmungen des HMG (vgl. in diesem Sinne auch Art. 2 Abs. 1 lit. b HMG). Die Bestimmungen des BetmG sind hingegen anwendbar, soweit das HMG keine oder eine weniger weit gehende Regelung trifft (Art. 1b Satz 2 BetmG). Dies ist namentlich dann der Fall, wenn das BetmG eine strengere Regelung enthält als das HMG […].» (E.2.3). «Die Bestimmungen des BetmG sind anwendbar, soweit das HMG keine oder eine weniger weit gehende Regelung trifft (Art. 1b Satz 2 BetmG […]).  Bei der Beantwortung dieser Frage ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut allein entscheidend, welche Regelung („réglementation“; „normativa“) das BetmG und das HMG in Bezug auf eine bestimmte Fallkonstellation (vorliegend: die Einfuhr von Betäubungsmitteln, die als Heilmittel verwendet werden) treffen. Ob eine einzelne Vorschrift des BetmG oder des HMG im konkreten Einzelfall anwendbar wäre, ist hingegen unerheblich.» (E.2.8.1). «Indem die Vorinstanz zum Schluss gekommen ist, dass das BetmG betreffend die auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen keine strengeren Vorschriften als das HMG enthalte, und mit dieser Begründung die Anwendbarkeit des HMG bejaht hat, verstösst sie gegen Bundesrecht. Zum einen ist bei der Beurteilung nach Art. 1b Satz 2 BetmG nicht erheblich, ob eine Vorschrift des HMG oder des BetmG auf den vorliegenden Fall konkret anwendbar wäre. Massgebend ist vielmehr, welche Regelung für eine bestimmte Fallkonstellation vom HMG und vom BetmG getroffen wird […]. Zum anderen ist die von der Vorinstanz angerufene Norm (nämlich Art. 19a Ziff. 2 BetmG) im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn diese Norm erfasst nur jene Beschaffungshandlungen, die ausschliesslich dem eigenen Konsum dienen […]. Dies war vorliegend nach den vorinstanzlichen Feststellungen aber nicht der Fall […]. Die Beschwerde erweist sich als begründet.» (E.2.8.3).

Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic (nachfolgend: Swissmedic oder das Institut) erstattete am 4. Mai 2023 eine Strafanzeige gegen A. Sie warf ihm vor, 400 Tabletten von Delorazepam Pensa am 11. April 2023 per Post aus Italien in die Schweiz eingeführt und dadurch gegen die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG; SR 812.121) verstossen zu haben.

Instanzenzug

Die Kantonspolizei Zürich rapportierte am 6. Juni 2023 wegen Übertretungen des BetmG und Konsums von Betäubungsmitteln zuhanden des Statthalteramts des Bezirks Hinwil (nachfolgend: Statthalteramt). Daraufhin eröffnete das Statthalteramt eine Strafuntersuchung gegen A., die es mit Verfügung vom 22. August 2023 einstellte.

Mit Beschluss vom 11. April 2025 wies das Obergericht des Kantons Zürich eine von Swissmedic gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

Weiterzug ans Bundesgericht

Dagegen gelangt Swissmedic mit Beschwerde in Strafsachen vom 15. Mai 2025 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses vom 11. April 2025 und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen. Das Statthalteramt und das Obergericht haben mit Eingaben je vom 1. September 2025 auf eine Vernehmlassung verzichtet. A. hat sich nicht vernehmen lassen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_444/2025 vom 23. Oktober 2025  

Beschwerdelegitimation von Swissmedic

Einleitend äussert sich das Bundesgericht im Urteil 7B_444/2025 vom 23. Oktober 2025 zur Beschwerdelegitimation von Swissmedic wie folgt:

«Die Strafverfolgung im Vollzugsbereich der Kantone ist Sache der Kantone (Art. 90 Abs. 3 Satz 1 HMG). In einem solchen Fall kann Swissmedic im Strafverfahren die Rechte einer Privatklägerschaft wahrnehmen (Art. 90 Abs. 3 Satz 2 HMG; vgl. dazu Art. 104 Abs. 2 StPO). Damit soll gewährleistet werden, dass das Institut, welches für eine einheitliche Anwendung des HMG in der Schweiz zu sorgen hat, seiner Aufgabe auch im strafrechtlichen Bereich nachkommen kann (Botschaft vom 7. November 2012 zur Änderung des Heilmittelgesetzes, BBl 2013 113 Ziff. 2; vgl. Urteil 6B_863/2023 vom 5. Februar 2024 E. 1.4).» (E.1.2.3).

«Das Bundesgericht hatte im Urteil 6B_863/2023 vom 5. Februar 2024 den Fall zu beurteilen, in dem – wie vorliegend – die Beschwerdelegitimation von Swissmedic nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 7 BGG zur Diskussion stand.  In diesem Fall war die beschuldigte Person zweitinstanzlich wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das HMG gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. a HMG, begangen zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 29. April 2019, verurteilt worden. Hingegen sprach sie die zweite Instanz vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das HMG für die Periode vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 frei (zit. Urteil 6B_863/2023 Sachverhalt lit. B). Dagegen gelangte Swissmedic mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. In der Hauptsache beantragte sie die Verurteilung der beschuldigten Person wegen Vergehens gegen das BetmG (nach Art. 19 Abs. 1 lit. b, d und f BetmG) statt wegen Widerhandlung gegen das HMG (nach Art. 86 Abs. 1 lit. a HMG) für die Periode vom 1. Januar 2015 bis 29. April 2019 (zit. Urteil 6B_863/2023 Sachverhalt lit. C). Zur Beschwerdelegitimation von Swissmedic hielt das Bundesgericht fest, dem Institut sei ein rechtlich geschütztes Interesse (im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG) zuzubilligen, sofern es geltend mache, dass in Bezug auf die Periode vom 1. Januar 2019 bis 29. April 2019 das HMG zu Unrecht anstelle des BetmG angewendet worden sei. Ein rechtlich geschütztes Interesse des Instituts verneinte das Bundesgericht hingegen in Bezug auf die Periode vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018, bezüglich welcher die beschuldigte Person vom Vorwurf der mehrfachen Widerhandlung gegen das HMG von der zweiten Instanz freigesprochen worden war und das Institut vor Bundesgericht eine Verurteilung wegen Vergehens gegen das BetmG beantragt hatte. Das Bundesgericht führte zur Begründung aus, dass es nicht Aufgabe des Instituts sei, für die einheitliche Anwendung des BetmG zu sorgen (zit. Urteil 6B_863/2023 E. 1.4).» (E.1.3.1).

«Die Beschwerdeführerin macht vor Bundesgericht im Wesentlichen geltend, dass im vorliegenden Fall – entgegen dem Statthalteramt und der Vorinstanz – nicht das HMG, sondern das BetmG anwendbar sei. Anders als im oben zitierten Urteil beantragt sie im bundesgerichtlichen Verfahren nicht etwa die Verurteilung des Beschuldigten wegen Widerhandlung gegen das BetmG, sondern (lediglich) die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung (vgl. Sachverhalt lit. C). Da im vorliegenden Fall die Frage der Anwendbarkeit des HMG Streitgegenstand bildet, ist das Bestehen eines rechtlich geschützten Interesses der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 7 BGG zu bejahen.» (E.1.3.2).

«Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.» (E.1.3.5).

Zur Abgrenzung von HMG und BetmG

Die Beschwerdeführerin [Swissmedic] bringt vor Bundesgericht zusammengefasst vor, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, dass im vorliegenden Fall das HMG und nicht das BetmG anwendbar sei (E.2.1).

Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 7B_444/2025 vom 23. Oktober 2025 wie folgt:

«Gemäss den unbestritten gebliebenen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) beinhaltet das sichergestellte Medikament Delorazepam Pensa 2 mg Delorazepam als Wirkstoff. Delorazepam ist im Anhang 3, Verzeichnis b, der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) vom 30. Mai 2011 über die Verzeichnisse der Betäubungsmittel, psychotropen Stoffe, Vorläuferstoffe und Hilfschemikalien (Betäubungsmittelverzeichnisverordnung, BetmVV-EDI; SR 812.121.11) aufgeführt und gehört somit zu den kontrollierten Substanzen, die teilweise von den Kontrollmassnahmen ausgenommen sind (Art. 3 Abs. 2 lit. b der Verordnung vom 25. Mai 2011 über die Betäubungsmittelkontrolle [Betäubungsmittelkontrollverordnung, BetmKV; SR 812.121.1]). Bei Delorazepam handelt es sich um einen Wirkstoff aus der Reihe der Benzodiazepine und um einen abhängigkeitserzeugenden Stoff (vgl. GUSTAV HUG-BEELI, Betäubungsmittelgesetz [BetmG], Kommentar zum Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe vom 3. Oktober 1951, 2016, N. 1048 ff., insbesondere N. 1054 und 1067 ff. zu Art. 2 BetmG), d.h. um einen psychotropen Stoff im Sinne von Art. 2 lit. b BetmG. Folglich gelten für ihn die Bestimmungen zu den Betäubungsmitteln, soweit das BetmG nichts anderes vorsieht (Art. 2b BetmG).» (E.2.2.1).

«Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wird Delorazepam als angstlösender und beruhigender Wirkstoff zur Behandlung von Angstzuständen und Schlafstörungen eingesetzt (vgl. im Allgemeinen zu den Benzodiazepinwirkungen: HUG-BEELI, a.a.O., N. 1060 ff. zu Art. 2 BetmG). Damit ist Delorazepam im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a HMG zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt. Folglich stellt Delorazepam Pensa ein Arzneimittel dar und gilt gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. a HMG als Heilmittel. Unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall Delorazepam Pensa aus Italien in die Schweiz eingeführt und zur Behandlung der Epilepsieerkrankung der Tochter des Beschwerdegegners 2 tatsächlich (vgl. Urteil 6B_863/2023 vom 5. Februar 2024 E. 2.6.3) im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b HMG als Heilmittel verwendet wurde. Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass vorliegend sowohl das HMG als auch das BetmG grundsätzlich Geltung beanspruchen könnten.» (E.2.2.2).

«Das Verhältnis zwischen dem BetmG und dem HMG ist in Art. 1b BetmG geregelt (Urteile 6B_646/2020 vom 9. Dezember 2021 E. 1.5.2; 6B_288/2016 vom 13. Mai 2016 E. 2.3). Für Betäubungsmittel, die als Heilmittel verwendet werden, gelten gemäss Art. 1b Satz 1 BetmG die Bestimmungen des HMG (vgl. in diesem Sinne auch Art. 2 Abs. 1 lit. b HMG). Die Bestimmungen des BetmG sind hingegen anwendbar, soweit das HMG keine oder eine weniger weit gehende Regelung trifft (Art. 1b Satz 2 BetmG). Dies ist namentlich dann der Fall, wenn das BetmG eine strengere Regelung enthält als das HMG (vgl. Urteile 2C_442/2021 vom 6. April 2022 E. 5.3 und 6.3.4; 6B_646/2020 vom 9. Dezember 2021 E. 1.5.2; HUG-BEELI, a.a.O., N. 5 zu Art. 1b BetmG).» (E.2.3).

«Gemäss der Botschaft vom 1. März 1999 zu einem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) ist das BetmG anwendbar, wo dieses Gesetz [d.h. das BetmG] über das HMG hinausgehe, „wie beispielsweise in den Bestimmungen über die vollständige Ein- und Ausfuhrkontrolle“ (BBl 1999 III 3485 Ziff. 22.02). Wo das BetmG strengere Regelungen als das HMG enthalte, gingen die Bestimmungen des BetmG vor. Dies treffe „beispielsweise für die Einfuhr und Ausfuhr von Arzneimitteln zu, die der Betäubungsmittelgesetzgebung unterstellt“ seien (BBl 1999 III 3572 Ziff. 22.11.04). Im gleichen Sinne hält die Botschaft vom 9. März 2001 über die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes fest, dass das BetmG gelte, falls im HMG „keine oder eine schwächere Regelung“ vorgesehen sei, was „beispielsweise für die Ein- und Ausfuhrbestimmungen“ gelte (BBl 2001 3787 Ziff. 2.3.1). Nach GUSTAV HUG-BEELI (a.a.O., N. 5 zu Art. 1b BetmG) gilt „insbesondere für den Bereich der Ein- und Ausfuhr“ von Betäubungsmitteln, die als Heilmittel verwendet werden, dass das BetmG und dessen Bestimmungen denjenigen des HMG vorgehen. Auch gemäss STEFAN SCHLEGEL/OLIVER JUCKER (BetmG Kommentar, 4. Aufl. 2022, N. 1 zu Art. 1b BetmG) enthält das BetmG für die Einfuhr und Ausfuhr von Arzneimitteln, die der Betäubungsmittelgesetzgebung unterstellt sind, strengere Regelungen als das HMG. THOMAS EICHENBERGER (in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2. Aufl. 2022, N. 22 zu Art. 2 HMG) hält unter Verweis auf die Botschaft (BBl 1999 III 3485 Ziff. 22.02) allgemein fest, dass das BetmG „für den Bereich der Ein- und Ausfuhr“ von Betäubungsmitteln „anwendbar“ sei. Nach MICHAEL BURRI (Swissmedic, Heilmittelgesetz und Strafverfahren – Gesetzeskonkurrenz, Zuständigkeitskonflikte und Information der Öffentlichkeit, in: Andreas Eicker [Hrsg.], Das Verwaltungsstrafrecht im Wandel, 2017, S. 162) zielt der Vorbehalt weiter gehender Regelungen gemäss BetmG „in erster Linie“ auf dessen „restriktivere Regulierungen bei der Ein- und Ausfuhr“. Vereinzelt wird ausgeführt, dass bei Arzneimitteln mit einem in der BetmVV-EDI aufgelisteten Inhaltsstoff die Strafbestimmungen des BetmG anwendbar seien, weil das BetmG „stets“ eine weiter gehende Regelung beinhalte als das HMG (BORIS KREIT, Bekämpfung der Heilmittelkriminalität, Leitfaden für die Praxis, 2016, S. 24). 

Weder die Gesetzesmaterialien noch die zitierten Autoren legen näher dar, weshalb das BetmG in Bezug auf die Einfuhr von Betäubungsmitteln, die als Heilmittel verwendet werden, eine weiter gehende Regelung als das HMG im Sinne von Art. 1b Satz 2 BetmG treffen soll.» (E.2.4).

«Sowohl das BetmG als auch das HMG sehen für die vorsätzliche (unbefugte) Einfuhr von Betäubungsmitteln beziehungsweise Arzneimitteln im Grundtatbestand die gleiche abstrakte Strafdrohung vor, nämlich eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Art. 19 Abs. 1 lit. b BetmG, Art. 86 Abs. 1 lit. a HMG). Die Regelung des Grundtatbestands erweist sich im HMG insofern als weiter gehend beziehungsweise als strenger, als auch die fahrlässige Tatbegehung unter Strafe gestellt wird (Art. 86 Abs. 4 HMG; vgl. SCHLEGEL/JUCKER, a.a.O., N. 2 zu Art. 1b BetmG). Hingegen ist die unbefugte Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäss dem BetmG nur bei vorsätzlicher Tatbegehung strafbar (vgl. PETER ALBRECHT, Die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes [Art. 19-28l BetmG], 3. Aufl. 2016, N. 95 zu Art. 19 BetmG; HUG-BEELI, a.a.O., N. 101 und 115 zu Art. 19 BetmG).» (E.2.5).

«Werden Betäubungsmittel, die als Heilmittel verwendet werden, in die Schweiz für den Eigenkonsum beziehungsweise Eigengebrauch eingeführt, sehen sowohl das BetmG als auch das HMG einen privilegierten Tatbestand vor.» (E.2.6).

«Das HMG trifft bezüglich der Einfuhr für den Eigengebrauch insofern eine weiter gehende beziehungsweise strengere Regelung als das BetmG, als es hierfür eine höhere Strafdrohung vorsieht (vgl. oben E. 2.6.1) und auch die fahrlässige Tatbegehung unter Strafe stellt (vgl. oben E. 2.6.3). Der privilegierte Tatbestand des BetmG (nämlich Art. 19a BetmG) weist jedoch insofern eine weniger weit gehende Regelung als das HMG auf, als er nur jene Beschaffungshandlungen erfasst, die ausschliesslich dem eigenen Konsum dienen (vgl. oben E. 2.6.2). Ob ein allfälliger Verzicht auf Strafverfolgung und Bestrafung gemäss Art. 87 Abs. 6 HMG aufgrund des Gesetzeswortlauts („besonders leichter Fall“) an höhere Anforderungen geknüpft sein soll als eine allfällige Verfahrenseinstellung oder ein allfälliger Strafverzicht gemäss Art. 19a Ziff. 2 Satz 1 BetmG, wo von einem „leichten Fall“ die Rede ist (vgl. BURRI, a.a.O., S. 163 Fn. 64), ist hingegen fraglich. Dabei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Ob ein (besonders) leichter Fall vorliegt, kann nicht abstrakt, sondern erst aufgrund der gesamten objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. oben E. 2.6.4).» (E.2.6.5).

«Festzuhalten ist weiter, dass das HMG eine Einfuhr von in der Schweiz nicht zugelassenen Arzneimitteln in kleinen Mengen durch Einzelpersonen für den Eigengebrauch unter weniger restriktiven Voraussetzungen zulässt als das BetmG.» (E.2.7.1).

«Die Bestimmungen des BetmG sind anwendbar, soweit das HMG keine oder eine weniger weit gehende Regelung trifft (Art. 1b Satz 2 BetmG; vgl. oben E. 2.3).  Bei der Beantwortung dieser Frage ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut allein entscheidend, welche Regelung („réglementation“; „normativa“) das BetmG und das HMG in Bezug auf eine bestimmte Fallkonstellation (vorliegend: die Einfuhr von Betäubungsmitteln, die als Heilmittel verwendet werden) treffen. Ob eine einzelne Vorschrift des BetmG oder des HMG im konkreten Einzelfall anwendbar wäre, ist hingegen unerheblich.» (E.2.8.1).

«Obwohl das HMG in Bezug auf einzelne Aspekte eine weiter gehende Regelung als das BetmG vorsieht, ist in Übereinstimmung mit dem Bundesgesetzgeber und der zitierten Lehre (vgl. oben E. 2.4) festzuhalten, dass das BetmG hinsichtlich der Einfuhr von Betäubungsmitteln, die als Heilmittel verwendet werden, gesamthaft betrachtet eine strengere Regelung als das HMG trifft. Dies gilt insbesondere aufgrund des (engeren) Anwendungsbereichs des privilegierten Tatbestands bezüglich der Einfuhr von Betäubungsmitteln für den Eigenkonsum (vgl. oben E. 2.6.2, 2.6.5), der fehlenden Möglichkeit der legalen Einfuhr von Betäubungsmitteln durch gesunde Einzelpersonen für den Eigenkonsum auf dem Versandweg (vgl. oben E. 2.7.1) und des Bewilligungserfordernisses für jede Einfuhr von Betäubungsmitteln (vgl. oben E. 2.7.2).» (E.2.8.2).

«Indem die Vorinstanz zum Schluss gekommen ist, dass das BetmG betreffend die auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen keine strengeren Vorschriften als das HMG enthalte, und mit dieser Begründung die Anwendbarkeit des HMG bejaht hat, verstösst sie gegen Bundesrecht. Zum einen ist bei der Beurteilung nach Art. 1b Satz 2 BetmG nicht erheblich, ob eine Vorschrift des HMG oder des BetmG auf den vorliegenden Fall konkret anwendbar wäre. Massgebend ist vielmehr, welche Regelung für eine bestimmte Fallkonstellation vom HMG und vom BetmG getroffen wird (vgl. oben E. 2.8.1). Zum anderen ist die von der Vorinstanz angerufene Norm (nämlich Art. 19a Ziff. 2 BetmG) im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn diese Norm erfasst nur jene Beschaffungshandlungen, die ausschliesslich dem eigenen Konsum dienen (vgl. oben E. 2.6.2). Dies war vorliegend nach den vorinstanzlichen Feststellungen aber nicht der Fall (vgl. oben E. 2.2.2). Die Beschwerde erweist sich als begründet.» (E.2.8.3).

«Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, das Statthalteramt sei für die Beurteilung der Sache nicht zuständig gewesen und die von ihm erlassene Einstellungsverfügung sei folglich nichtig. Zwar ist die Nichtigkeit eines Entscheids jederzeit und von Amtes wegen zu beachten (BGE 145 IV 197 E. 1.3.2 mit Hinweisen). Die Vorinstanz stützte die Zuständigkeit des Statthalteramts auf Art. 87 Abs. 1 lit. f bzw. Art. 87 Abs. 3 HMG. Da jedoch das HMG im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangt, wird sich die Vorinstanz zur Zuständigkeit des Statthalteramts erneut äussern müssen.» (E.2.8.4).

«Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Beschluss vom 11. April 2025 ist aufzuheben und die Sache ist zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner 2 hat sich nicht vernehmen lassen und keine Anträge in der Sache gestellt, weshalb er nicht als unterliegend im Sinne von Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG zu qualifizieren ist (vgl. Urteile 6B_375/2018 vom 12. August 2019 E. 3, nicht publ. in: BGE 145 IV 359; 6B_442/2016 vom 27. März 2017 E. 2). Folglich sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Beschwerdeführerin ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt (Art. 68 Abs. 3 BGG).» (E.3).

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