Völkerrechtlicher Grundsatz von Treu Glauben bei internationaler Amtshilfe

Im Urteil 2C_511/2023 vom 26. September 2023 ging es um Amtshilfe im Steuerrecht. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde nicht ein und berief sich auf den völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben: «Nach dem (völkerrechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 26 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) wird vermutet, dass ein staatsvertraglich gebundener Staat nach Treu und Glauben handelt. Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bedeutet diese Vermutung, dass der ersuchte Staat auf die Angaben des ersuchenden Staats vertraut (sogenanntes Vertrauensprinzip)» (E.1.3)

Sachverhalt

Das indische Ministry of Finance (nachfolgend: ersuchende Behörde) ersuchte am 22. September 2021 gestützt auf das Abkommen vom 2. November 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-IN; SR 0.672.942.31) bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) um Leistung von Amtshilfe betreffend A. Die ersuchende Behörde legte dar, es führe in Indien gegen A. Ermittlungen mit Bezug auf nicht deklariertes in- und ausländisches Einkommen und Vermögen sowie wegen Steuerhinterziehung. Bei A. sei eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Dabei sei ein USB-Stick mit Daten gefunden worden. Aus diesen sei ersichtlich, dass A. Zahlungseingänge und -ausgänge auf verschiedenen ausländischen Bankkonten getätigt habe und mehrere verdeckte Unternehmen führe. Dabei seien Kontobewegungen der B. Group Ltd. aufgefallen, die im Zusammenhang mit A. stünden. Konkret habe die B. Group Ltd. in eine Gesellschaft investiert, die zur Unternehmensgruppe „C. Group“ gehöre. Die Unternehmensgruppe werde von A. geleitet und kontrolliert. A. habe die Anweisungen für die Zahlungen an die B. Group Ltd. gegeben. Es werde deshalb davon ausgegangen, dass A. am Vermögen auf den Bankkonten der B. Group Ltd. wirtschaftlich berechtigt sei. Die ersuchende Behörde verlangte daher um die Informationen zum schweizerischen Bankkonto der B. Group Ltd. bei der D AG.

Instanzenzug

Mit Schlussverfügung vom 19. Oktober 2022 ordnete die ESTV die Leistung der Amtshilfe betreffend A. an. Am 21. November 2022 reichte A._ gegen die Schlussverfügung vom 19. Oktober 2022 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Urteil vom 23. August 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Es erwog im Wesentlichen, die ersuchende Behörde habe in ihrer Sachverhaltsdarstellung einen glaubhaften Zusammenhang zwischen A. und der B. Group Ltd. aufgezeigt. Die ersuchten Informationen seien daher voraussichtlich erheblich.

Weiterzug ans Bundesgericht

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. September 2023 gelangt A. an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils vom 23. August 2023. Es sei der ersuchenden Behörde keine Amtshilfe zu leisten. Eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_511/2023 vom 26. September 2023

Zu den Eintretensvoraussetzungen erklärt das Bundesgericht im Urteil 2C_511/2023 vom 26. September 2023:

«Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 139 II 340 E. 4).  Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann – namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116).» (E.1.1)

Der Beschwerdeführer stellt vor Bundesgericht die Frage, ob das völkerrechtliche Vertrauensprinzip von der Glaubhaftmachung der Voraussetzungen für die Amtshilfe entbinde. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass zwischen ihm und der B. Group Ltd. ein Konnex bestehe. Mangels Zusammenhangs seien die Unterlagen der B._ Group Ltd. für seine Besteuerung nicht voraussichtlich erheblich. Dennoch erachte die Vorinstanz, so der Beschwerdeführer weiter, die Sachverhaltsdarstellung der ersuchenden Behörde angesichts des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips als glaubhaft. Vor diesem Hintergrund stellt sich nach Ansicht des Beschwerdeführers die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem völkerrechtlichen Vertrauensprinzip und der Glaubhaftmachung des dem Amtshilfeverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts. (E.1.2)

Das Bundesgericht erklärt hierzu im Urteil 2C_511/2023 vom 26. September 2023 Folgendes:

«Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt, dass die ersuchte Behörde nicht zu entscheiden hat, ob der im Amtshilfeersuchen dargestellte Sachverhalt gänzlich der Realität entspricht. Sie muss lediglich überprüfen, ob die ersuchten Informationen einen Bezug zu diesem Sachverhalt haben (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.3; 143 II 185 E. 3.3.2; 142 II 161 E. 2.1.1). Der ersuchte Staat kann Auskünfte daher nur verweigern, wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der Untersuchung wenig wahrscheinlich erscheint (vgl. BGE 143 II 185 E. 3.3.2; 141 II 436 E. 4.4.3). Folglich beschränkt sich die Rolle der Steuerbehörden des ersuchten Staats im Wesentlichen auf die Prüfung der Plausibilität des Ersuchens (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.1.1; vgl. auch Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.4).  Nach dem (völkerrechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 26 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) wird vermutet, dass ein staatsvertraglich gebundener Staat nach Treu und Glauben handelt. Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bedeutet diese Vermutung, dass der ersuchte Staat auf die Angaben des ersuchenden Staats vertraut (sogenanntes Vertrauensprinzip; vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1). Zwar steht es dem ersuchten Staat offen, zu prüfen, ob die erbetenen Informationen für den vom ersuchenden Staat angestrebten steuerlichen Zweck voraussichtlich erheblich sind. Allerdings verpflichtet das völkerrechtliche Vertrauensprinzip ihn im Grundsatz dennoch, sich auf die Angaben zu verlassen, die der ersuchende Staat mitteilt (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.4; 142 II 161 E. 2.1.3; 142 II 218 E. 3.3). Das Vertrauensprinzip schliesst daher nicht aus, dass der ersuchte Staat vom ersuchenden Staat zusätzliche Erklärungen verlangt, wenn ernsthafte Zweifel an der Einhaltung der völkerrechtlichen Grundsätze oder an der voraussichtlichen Erheblichkeit der ersuchten Informationen bestehen. Die Vermutung des guten Glaubens kann nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.5).» (E.1.3)

Die Vorinstanz nimmt auf die soeben dargelegte bundesgerichtliche Rechtsprechung Bezug. Sie erwägt, der Beschwerdeführer vermöge die Sachverhaltsdarstellung der ersuchenden Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Es seien gemäss Bundesgericht keine konkreten Anhaltspunkte nachgewiesen, die dazu Anlass gäben, nicht auf die Erläuterungen der ersuchenden Behörde zu vertrauen und deswegen nicht auf ihre Angaben abzustellen (E.1.4).

Das Bundesgericht tritt deshalb nicht auf die Beschwerde ein.

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