Verwertbarkeit von Bancomaten-Kamerabildern bei Verkehrsdelikt

Im Urteil 7B_797/2023 vom 18. September 2024 aus dem Kanton Obwalden befasste sich das Bundesgericht mit SVG-Delikten, bei welchem die Identifikation des Beschuldigten nur dank einer Aufnahme einer auf privatem Grund installierten Überwachungskamera beim Bancomaten der Tankstelle „B.“ in Kombination mit einer Tunnelüberwachung gelungen war. Das Bundesgericht schützte die Verwertbarkeit der Aufnahme vom Bancomaten an der Tankstelle und machte verschiedene Ausführungen zum DSG. Hier einige Stellen aus dem Urteil: «Die Videoaufzeichnung im unmittelbaren Umfeld des Bancomaten bei der Tankstelle „B. “ erfolgte offensichtlich aus Sicherheitsgründen und diente der Verhinderung und Aufklärung von rechtswidrigen Handlungen im Zusammenhang mit dem fraglichen Bancomaten. […]. Damit erweist sich diese Datenbearbeitung nach Art. 13 DSG als rechtmässig. Was der Beschwerdeführer dagegen ins Feld führt, verfängt nicht; […] es trifft zwar zu, dass sich die Vorinstanz hinsichtlich der Frage, ob die Überwachungskamera beim Bancomaten erkennbar ist, u.a. auf eine im Internet gefundene Aufnahme von Google Street View stützt, zu der sich der Beschwerdeführer nicht äussern konnte. Diese spielt indessen keine entscheiderhebliche Rolle, da die Frage nach der Erkennbarkeit – wie oben in E. 3.2 (in fine) dargelegt – vorliegend letztlich offengelassen werden kann.» (E.3.4).  «Der Beschwerdeführer macht weiter sinngemäss geltend, dass der Zweck der Videoaufnahmen auf den Schutz des Bancomaten begrenzt sei und diese folglich nicht im Zusammenhang mit einem Strassenverkehrsdelikt verwendet werden dürfen. Auch mit diesem Einwand geht der Beschwerdeführer fehl: Nach ständiger Rechtsprechung sind von Privaten rechtmässig erlangte Beweismittel ohne Einschränkungen verwertbar […]. Damit durfte die rechtmässig erstellte private Videoaufnahme, auf der das Fahrzeug des Beschwerdeführers in unmittelbarer Nähe des Bancomaten ersichtlich ist, für die Personenidentifikation verwertet werden.» (E.4). Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden warf A. mit Strafbefehl vom 13. September 2019 vor, am 15. Juni 2019 um ca. 20:38 Uhr mit dem Personenwagen AG xxx bei der Wegfahrt vom Tankstellen-Shop „B.“ in U. pflichtwidrig ungenügend rechts eingespurt und dabei die dortige Verkehrsinsel überfahren und den Inselpfosten umgefahren zu haben. Er sei danach, ohne sich um eine Schadensmeldung zu kümmern, davongefahren und habe sich damit pflichtwidrig vom Unfallort entfernt. Mit diesem Verhalten habe er zudem pflichtwidrig eine Atemalkoholprobe verunmöglicht, die mit grösster Wahrscheinlichkeit polizeilich angeordnet worden wäre. Die Staatsanwaltschaft bestrafte A. deswegen mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à Fr. 120.–, einer Verbindungsbusse von Fr. 1’800.– und einer Übertretungsbusse von Fr. 600.–.

Instanzenzug

Nachdem A. gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben hatte, hielt die Staatsanwaltschaft an diesem fest und überwies ihn am 2. Juli 2020 zwecks Anklageerhebung an das Kantonsgericht Obwalden.

Mit Urteil vom 22. Oktober 2021 sprach das Kantonsgericht Obwalden A. schuldig der Verletzung der Verkehrsregeln nach Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 SVG, Art. 13 Abs. 4 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) und Art. 24 Abs. 1 lit. b Signalisationsverordung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21), des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall nach Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 und Abs. 3 SVG sowie der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit nach Art. 91a Abs. 1 SVG. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 44 Tagessätzen à Fr. 100.–, einer Verbindungsbusse von Fr. 1’100.– und einer Übertretungsbusse von Fr. 600.–.

Mit Urteil vom 15. Dezember 2022 wies das Obergericht des Kantons Obwalden die Berufung von A. ab und bestätigte das erstinstanzliche Erkenntnis.

Weiterzug ans Bundesgericht

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A. dem Bundesgericht, es sei das Berufungsurteil aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_797/2023 vom 18. September 2024  

Die kantonalen Instanzen stellten, wie das Bundesgericht bemerkt, für die Identifikation des Beschwerdeführers u.a. auf die Aufnahme der auf privatem Grund installierten Überwachungskamera beim Bancomaten der Tankstelle „B.“ ab, auf dem dessen in unmittelbarer Nähe des Bancomaten parkierte Personenwagen erkennbar ist. Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz konnte der Beschwerdeführer nur dank dieser Aufnahme – in Kombination mit einer Tunnelüberwachung – als fehlbarer Fahrzeugführer eruiert werden, betont das Bundesgericht (E.2).

Wie bereits im schriftlichen Berufungsverfahren vor der Vorinstanz, macht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht geltend, die fragliche ihn identifizierende Videoaufnahme sei unverwertbar, da gegen die Datenschutzgesetzgebung verstossend (E.3).

Das Bundesgericht führt hierzu im Urteil 7B_797/2023 vom 18. September 2024 Folgendes aus:

«Das Erstellen von Aufnahmen im öffentlichen Raum, auf denen Personen oder Autokennzeichen erkennbar sind, stellt ein Bearbeiten von Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a und lit. e des auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (aDSG; AS 1993 1945) dar (BGE 147 IV 9 E. 1.3.2; Urteile 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.3.2; 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2; je mit Hinweis[en]). Gemäss Art. 4 aDSG hat die Bearbeitung von Personendaten nach Treu und Glauben zu erfolgen und muss verhältnismässig sein (Abs. 2). Personendaten dürfen nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist (Abs. 3). Zudem muss die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person erkennbar sein (Abs. 4). Die Missachtung (eines) dieser Grundsätze stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a aDSG; BGE 147 IV 9 E. 1.3.2; Urteile 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.3.2 mit Hinweisen; 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2).  

Von Privaten unter Verletzung von Art. 12 aDSG erlangte Beweismittel gelten als illegal erhoben, es sei denn, es liege ein Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 13 aDSG vor (BGE 147 IV 16 E. 2; Urteil 6B_1133/2021 vom 1. Februar 2023 E. 2.3.2, nicht publ. in: BGE 149 IV 153 mit Hinweis). Wird die Rechtswidrigkeit durch einen Rechtfertigungsgrund aufgehoben, ist der Beweis uneingeschränkt verwertbar (BGE 147 IV 16 E. 1.2, 2, 5 und 6; Urteile 6B_1133/2021 vom 1. Februar 2023 E. 2.3.2, nicht publ. in: BGE 149 IV 153; 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2; je mit Hinweisen).» (E.3.1).

«Gemäss Art. 4 Abs. 4 aDSG muss es für die betroffene Person „erkennbar“ sein, ob und wann Daten, die sie betreffen, gegenwärtig oder allenfalls in der Zukunft beschafft werden. Die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit von einer erkennbaren Beschaffung gesprochen werden kann, sind nach den Umständen sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben und der Verhältnismässigkeit zu beurteilen (Art. 4 Abs. 2 aDSG). Erkennbarkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 4 aDSG bedeutet, dass eine betroffene Person aus den konkreten Umständen heraus mit einer Datenbeschaffung und dem Zweck der Datenbearbeitung rechnen musste oder dass sie entsprechend informiert bzw. aufgeklärt wird (Urteil 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2).  

Ob die hier interessierende Videoüberwachungsanlage den Anforderungen an Art. 4 Abs. 4 DSG genügte, kann offenbleiben. Selbst wenn der Grundsatz der Transparenz verletzt sein sollte, wäre eine Persönlichkeitsverletzung des Beschwerdeführers – wie nachfolgend zu zeigen ist – durch ein überwiegendes privates Interesse gerechtfertigt.» (E.3.2).

«Eine Verletzung der Persönlichkeit ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 13 Abs. 1 aDSG). Rechtfertigungsgründe beim Verstoss gegen einen Grundsatz von Art. 4 aDSG dürfen nur mit grosser Zurückhaltung bejaht werden. Hierzu sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen der Umfang der bearbeiteten Daten, der systematische und unbestimmte Charakter der Bearbeitung und der Personenkreis, der auf die Daten zugreifen kann, gehören (zum Ganzen: BGE 147 IV 16 E. 2.3; Urteil 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2; je mit Hinweis[en]). Ob eine persönlichkeitsverletzende Datenbearbeitung durch überwiegende private Interessen gerechtfertigt ist, ist durch Abwägung der privaten Interessen an der Datenbearbeitung und dem Datenschutzinteresse der betroffenen Person zu ermitteln (Urteil 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2). Als überwiegende Bearbeitungsinteressen kommen in erster Linie die Interessen der bearbeitenden Person, aber auch solche von Dritten in Frage (BGE 142 III 263 E. 2.2.1; 136 II 508 E. 6.3.3; Urteil 6B_1133/2021 vom 1. Februar 2023 E. 2.4.2 mit Hinweisen). Ob der Bearbeiter ein schützenswertes Interesse verfolgt, hängt vom Zweck der Datenbearbeitung ab. Die Bearbeitung von Daten zur eigenen Sicherheit oder zur Verhinderung von Straftaten kann ein schützenswertes Interesse darstellen. Als Sicherheitszweck kommt insbesondere der Schutz von Personen und/oder Sachen in Betracht (zum Ganzen: Urteil 6B_1133/2021 vom 1. Februar 2023 E. 2.4.2 mit Hinweisen).»  (E.3.3).

«Die Videoaufzeichnung im unmittelbaren Umfeld des Bancomaten bei der Tankstelle „B. “ erfolgte offensichtlich aus Sicherheitsgründen und diente der Verhinderung und Aufklärung von rechtswidrigen Handlungen im Zusammenhang mit dem fraglichen Bancomaten. Wie der Beschwerdeführer selbst zuzugeben scheint (Beschwerde S. 7 f.), werden die durch die Videoüberwachung erhobenen Personendaten insoweit zu einem „anerkannten Zweck“ verwendet. Wenn die Vorinstanz im Ergebnis von einem überwiegenden Sicherheitsinteresse der Betreiberin des Bancomaten ausgeht (vorinstanzliches Urteil E. 3.5), ist dies nicht zu beanstanden. Damit erweist sich diese Datenbearbeitung nach Art. 13 DSG als rechtmässig. Was der Beschwerdeführer dagegen ins Feld führt, verfängt nicht; insbesondere auch nicht seine Gehörsrüge auf S. 4 ff. der Beschwerde: Es trifft zwar zu, dass sich die Vorinstanz hinsichtlich der Frage, ob die Überwachungskamera beim Bancomaten erkennbar ist, u.a. auf eine im Internet gefundene Aufnahme von Google Street View stützt, zu der sich der Beschwerdeführer nicht äussern konnte. Diese spielt indessen keine entscheiderhebliche Rolle, da die Frage nach der Erkennbarkeit – wie oben in E. 3.2 (in fine) dargelegt – vorliegend letztlich offengelassen werden kann.» (E.3.4).

«Der Beschwerdeführer macht weiter sinngemäss geltend, dass der Zweck der Videoaufnahmen auf den Schutz des Bancomaten begrenzt sei und diese folglich nicht im Zusammenhang mit einem Strassenverkehrsdelikt verwendet werden dürfen. Auch mit diesem Einwand geht der Beschwerdeführer fehl: Nach ständiger Rechtsprechung sind von Privaten rechtmässig erlangte Beweismittel ohne Einschränkungen verwertbar (BGE 147 IV 16 E. 1.2, 2, 5 und 6; Urteile 6B_1133/2021 vom 1. Februar 2023 E. 2.3.2, nicht publ. in: BGE 149 IV 153; 6B_68/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 2.1.2; je mit Hinweisen). Damit durfte die rechtmässig erstellte private Videoaufnahme, auf der das Fahrzeug des Beschwerdeführers in unmittelbarer Nähe des Bancomaten ersichtlich ist, für die Personenidentifikation verwertet werden.» (E.4).

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab (E.5).

 

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