Sachverhalt
Mit Strafbefehl vom 13. Februar 2019 büsste die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl A. wegen Diebstahls, begangen am 11. Februar 2019 in der Stadt Zürich, und auferlegte ihm eine unbedingte Freiheitsstrafe vom 120 Tagen. Auf Einsprache hin nahm die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl weitere Beweise ab; am 31. Mai 2019 erhob sie Anklage gegen A. und bezichtigte ihn der Hehlerei, begangen am 11. Februar 2019 in Schlieren. Am 27. September 2019 erhob auch die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis Anklage gegen A. und beschuldigte ihn des Diebstahls, begangen am 23. Februar 2019 in Schlieren.
Instanzenzug
Das Bezirksgericht Dietikon erklärte A. mit Urteil vom 24. Januar 2020 der Hehlerei (begangen am 11. Februar 2019) und des Diebstahls (begangen am 23. Februar 2019) schuldig; es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, unbedingt vollziehbar, wovon 19 Tage durch Haft erstanden seien.
Auf Berufung hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich die Schuldsprüche, reduzierte die Freiheitsstrafe aber auf fünf Monate, unbedingt vollziehbar, wovon 19 Tage durch Haft erstanden seien (Urteil vom 4. März 2021).
Weiterzug ans Bundesgericht
Dagegen führt A. beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils; auf die Anklage betreffend Hehlerei sei nicht einzutreten, eventualiter sei das Strafverfahren betreffend Hehlerei einzustellen, subeventualiter sei er vom Vorwurf der Hehlerei freizusprechen; ferner sei er vom Vorwurf des Diebstahls freizusprechen. Überdies seien ihm für die unrechtmässig in der Haft verbrachten Zeiten Genugtuungszahlungen in der Höhe von Fr. 400.– zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 13. Februar 2019 (Haft vom 11. bis 13. Februar 2019) respektive von Fr. 3’200.- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 10. September 2019 (Haft vom 26. August bis 10. September 2019) zuzusprechen. Im Falle der Bestätigung der vorinstanzlichen Schuldsprüche sei er mit einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 30.–, eventualiter mit einer unbedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 30.–, jeweils abzüglich 19 Tage erstandener Haft, subeventualiter für den Tatvorwurf des Diebstahls (Vorfall vom 23. Februar 2019) mit einer (un-) bedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Monaten bzw. 105 Tagen, abzüglich 19 Tage erstandener Haft, und für den Tatvorwurf der Hehlerei (Vorfall vom 11. Februar 2019) mit einer (un-) bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30.– zu bestrafen; dementsprechend sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schliesslich sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung) zu gewähren. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich lässt sich in abweisendem Sinne vernehmen. Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Stellungnahme.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_9/2021 vom 11. September 2023
Aus die zahlreichen Rügen des Beschwerdeführes, die vom Bundesgericht als unbegründet angesehen wurden, wird hier nicht eingegangen (E.2 bis. E.9).
Der Beschwerdeführer rügt weiter vor Bundesgericht eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 StPO, wonach Straftaten gemeinsam verfolgt und beurteilt werden, wenn eine beschuldigte Person mehrere Straftaten verübt hat (lit. a) bzw. Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt (lit. b). Zum einen hätten entgegen dem darin verankerten Prinzip der Verfahrenseinheit zwei unterschiedliche Staatsanwaltschaften die ihm vorgeworfenen Straftaten (der Hehlerei, angeblich begangen am 11. Februar 2019 in Schlieren, und des Diebstahls, angeblich begangen am 23. Februar 2019 in Schlieren) separat verfolgt. Zum andern seien die mit Blick auf den Diebstahlsvorwurf gegen ihn und C. – als Mitbeschuldigten – angehobenen Verfahren zu Unrecht getrennt geführt worden. (E.10.1)
Die Vorinstanzen, darunter auch das Obergericht des Kantons Zürich, stuften die diesbezüglichen Einwände des Beschwerdeführers als unbegründet ein. Sie führten mit Blick auf Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO an, der Strafbefehl gegen C. sei am 8. Juli 2019 erlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer für die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis „nicht auffindbar“ gewesen. Die „Unerreichbarkeit“ einzelner Beschuldigter stelle einen sachlichen Grund für getrennt zu führende Verfahren dar. Zudem sei C. im Gegensatz zum Beschwerdeführer geständig gewesen, weshalb bei ihm die Voraussetzungen für das Strafbefehlsverfahren im Sinne von Art. 352 ff. StPO vorgelegen hätten und es auch aus diesem Grund angezeigt gewesen sei, bei der vorliegenden Konstellation auf eine gemeinsame Verfolgung und Beurteilung zu verzichten. Die Verfahrenstrennung habe zudem der Verfahrensbeschleunigung gedient und geholfen, eine unnötige Verfahrensverzögerung zu vermeiden. Selbst wenn keine sachlichen Gründe für separat geführte Verfahren beständen hätten – so die Vorinstanz abschliessend -, habe der Beschwerdeführer keinen Nachteil erlitten, zumal er kein Teilnahmerecht bei den drei Einvernahmen von C. gehabt hätte. (E.10.2)
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_9/2021 vom 11. September 2023 zunächst generell-abstrakt wie folgt zu Art. 29 StPO:
«Gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO werden Straftaten gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. Der Grundsatz der Verfahrenseinheit bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile, sei dies bei der Sachverhaltsfeststellung, der rechtlichen Würdigung oder der Strafzumessung. Er gewährleistet somit das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 BV). Überdies dient er der Prozessökonomie. Eine Verfahrenstrennung ist gemäss Art. 30 StPO nur bei Vorliegen sachlicher Gründe zulässig und muss die Ausnahme bleiben. Die sachlichen Gründe müssen objektiv sein. Die Verfahrenstrennung soll dabei vor allem der Verfahrensbeschleunigung dienen bzw. eine unnötige Verzögerung vermeiden helfen und nicht auf organisatorischen Aspekten seitens der Strafverfolgungsbehörden beruhen. Als sachliche Gründe werden etwa die bevorstehende Verjährung einzelner Straftaten, die Unerreichbarkeit einzelner beschuldigter Personen, die grosse Zahl von Mittätern oder der Umstand, dass Tätergruppen zur Hauptsache unabhängig voneinander gehandelt haben, genannt (BGE 144 IV 97 E. 3.3; 138 IV 29 E. 3.2, 214 E. 3.2; je mit Hinweisen; Urteile 6B_1149/2020 vom 17. April 2023 E. 2.1.2; 6B_135/2018 vom 22. März 2019 E. 1.2).
Die Abtrennung des Verfahrens ist unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK) namentlich bei mutmasslichen Mittätern und Teilnehmern besonders problematisch, wenn der Umfang und die Art der Beteiligung wechselseitig bestritten ist und somit die Gefahr besteht, dass der eine Mitbeschuldigte die Verantwortung dem andern zuweisen will (Urteil 1B_553/2018 vom 20. Februar 2019 E. 2.2). Belasten sich die Mittäter und Teilnehmer gegenseitig und ist unklar, welcher Beschuldigte welchen Tatbeitrag geleistet hat, besteht bei getrennten Verfahren die Gefahr sich widersprechender Entscheide, sei es in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung, die rechtliche Würdigung oder die Strafzumessung (Urteile 1B_553/2018 vom 20. Februar 2019 E. 2.2; 1B_467/2016 vom 16. Mai 2017 E. 3.3). Auch wirft die Verfahrenstrennung aus weiteren Gründen Fragen auf. Da gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei Einvernahmen in separat geführten Verfahren kein Anspruch auf Teilnahme besteht (BGE 141 IV 220 E. 4.5; 140 IV 172 E. 1.2.3), geht die getrennte Verfahrensführung mit einer massiven Beschränkung der Teilnahmerechte einher. Der separat Beschuldigte hat in den abgetrennten Verfahren zudem nicht denselben Anspruch auf Akteneinsicht wie eine Partei (Art. 101 Abs. 1 StPO). Er ist dort nötigenfalls als Auskunftsperson zu befragen bzw. als nicht verfahrensbeteiligter Dritter zu behandeln. Die Akteneinsicht ist an (nicht verfahrensbeteiligte) Dritte nur zu gewähren, wenn diese dafür ein wissenschaftliches oder ein anderes schützenswertes Interesse geltend machen und der Einsichtnahme keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (Art. 101 Abs. 3 StPO). Diese Einschränkung der Teilnahmerechte von Beschuldigten in getrennten Verfahren im Vergleich zu Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen (BGE 140 IV 172 E. 1.2.3). Durch eine Verfahrenstrennung geht der beschuldigten Person (bezogen auf Beweiserhebungen der anderen Verfahren) auch das Verwertungsverbot des Art. 147 Abs. 4 StPO verloren, weil sie insoweit keine Verletzung ihres Teilnahmerechtes geltend machen kann. Angesichts dieser schwer wiegenden prozessualen Konsequenzen ist an die gesetzlichen Ausnahmevoraussetzungen einer Verfahrenstrennung ein strenger Massstab anzulegen (Urteile 6B_135/2018 vom 22. März 2019 E. 1.2; 1B_553/2018 vom 20. Februar 2019 E. 2.3 mit Hinweisen).» (E.10.3)
Fallbezogen äussert sich das Bundesgericht im Urteil 7B_9/2021 vom 11. September 2023 dann wie folgt:
«Unstreitig sind der C. betreffende Strafbefehl vom 8. Juli 2019 und die gegen den Beschwerdeführer am 27. September 2019 erhobene Anklage in Bezug auf den Tatvorwurf des am 23. Februar 2019 in Schlieren begangenen Diebstahls weitgehend identisch. Unsicherheit besteht bezüglich Umfang und Art der Beteiligung bzw. des jeweiligen Tatbeitrags der beiden Beschuldigten. Vor diesem Hintergrund kommt der Verfahrensvereinigung, wie hiervor dargestellt, eine besonders wichtige Funktion zu respektive ist die betroffene Person für den Fall, dass eine solche nicht erfolgt, mit erheblichen Nachteilen konfrontiert.» (E.10.4)
«Der Umstand allein, dass C. geständig war und er den gegen ihn erhobenen Strafbefehl vom 8. Juli 2019 akzeptierte, vermag deshalb – bezogen auf den Beschwerdeführer – noch keine getrennt geführten Verfahren zu rechtfertigen. Dasselbe gilt angesichts des beschriebenen Ausnahmecharakters in Konstellationen wie der vorliegenden auch für die angeführte Verfahrensbeschleunigung respektive Vermeidung einer unnötigen Verfahrensverzögerung. Ebenso wenig verfängt das Argument der Vorinstanzen, der Beschwerdeführer sei am 8. Juli 2019 unauffindbar gewesen. Vielmehr war C. nebst der am besagten Datum durchgeführten staatsanwaltlichen (Haft-) Einvernahme bereits am 21. Mai und 7. Juli 2019 polizeilich einvernommen worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer auch zu diesen (früheren) Zeitpunkten nicht erreichbar gewesen wäre, sind weder den Akten zu entnehmen noch werden solche von der Vorinstanz benannt. Vielmehr war der Beschwerdeführer vom 23. Februar bis 21. Juni 2019 in der Notunterkunft (heute Rückkehrzentrum [RKZ]) U. und ab 21. Juni 2019 bis Januar 2021 im Rückkehrzentrum V. gemeldet. Vom 27. März bis 12. April 2019 befand er sich zudem im Flughafengefängnis in Ausschaffungshaft und wurde am 9. April 2019 im Zusammenhang mit dem vorliegenden Prozess denn auch durch die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl einvernommen. Einen Termin am Bezirksgericht Zürich nahm er sodann am 13. Mai 2019 ausweislich der Akten ebenfalls wahr. Dass der Beschwerdeführer am 8. August 2019 – gleichzeitig mit der Sistierung des von der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis geführten Verfahrens – zur Verhaftung im automatisierten Polizeifahndungssystem des Bundes (RIPOL) ausgeschrieben wurde, lässt keine unmittelbaren Rückschlüsse auf den vorangegangenen Zeitraum zu.» (E.10.4.1)
«Die Vorinstanzen hätten mithin zum Schluss gelangen müssen, dass die gegen den Beschwerdeführer und C. betreffend den Tatvorwurf des Diebstahls, angeblich begangen am 23. Februar 2019 in Schlieren, angehobenen Verfahren nicht hätten getrennt (weiter) geführt werden dürfen. Mit der Verfahrensvereinigung wäre der Beschwerdeführer insbesondere in die Lage versetzt worden, die hiervor beschriebenen Teilnahmerechte vollumfänglich wahrnehmen und namentlich sämtlichen Einvernahmen von C. beiwohnen zu können. Letzteres gilt, was die polizeilichen Einvernahmen vom 21. Mai und 7. Juli 2019 anbelangt, zwar grundsätzlich nur für den Fall, dass diese nach Eröffnung der Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt wurden (vgl. BGE 148 IV 145 E. 1.3; statt vieler Urteil 6B_475/2022 vom 5. April 2023 E. 5.2 mit diversen Hinweisen). Hierfür bestehen allerdings, nachdem bereits der Polizeirapport vom 4. März 2019 mit polizeilicher Verfügung vom 11. März 2019 der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis zugestellt worden war, gewichtige Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer erstmals anlässlich der Zeugeneinvernahme von C. vom 10. September 2019 anwesend war und die Möglichkeit hatte, Fragen zu stellen, vermag an der Verletzung von Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO und den daraus resultieren erheblichen Nachteilen aber jedenfalls nichts zu ändern. Soweit dadurch u.a. die Teilnahmerechte des Beschwerdeführers (im Sinne von Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO [„Die Parteien haben das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen“]) verletzt wurden, sind darauf basierende Aussagen, die ihn belasten, nicht verwertbar (BGE 143 IV 457 E. 1.6.1). Zu keinem anderen Ergebnis führt in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beschwerdegegnerin in ihrer letztinstanzlichen Vernehmlassung vom 4. September 2023, wonach der Beschwerdeführer vor seiner vorläufigen Festnahme am 26. August 2028 (recte: 2019) ohnehin nicht an den Einvernahmen von C. (vom 21. Mai sowie 7. und 8. Juli 2019) hätte teilnehmen können bzw. angesichts dessen, dass er selber erstmals am 28. August 2019 durch die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis einvernommen worden sei, gar kein Recht zur Teilnahme bei den erwähnten Befragungen gehabt hätte. Zum einen ist, wie hiervor dargelegt, nicht erwiesen, dass der Beschwerdeführer an den besagten Einvernahmeterminen von C. nicht auffindbar gewesen wäre. Zum andern kann auch aus der – unter Bezugnahme auf BGE 143 IV 457 E. 1.6.2 herausgestrichenen – Tatsache, dass der Beschwerdeführer erstmals am 28. August 2019 durch die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis zum Tatvorwurf des am 23. Februar 2019 in Schlieren begangenen Diebstahls befragt wurde, nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Vielmehr wäre es eben gerade geboten gewesen, die beiden Verfahren zeitlich parallel an die Hand zu nehmen und zu vereinen mit der Folge, dass sich dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geboten hätte, an den entsprechenden Einvernahmen von C. teilnehmen zu können.» (E.10.4.2)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in diesem Punkt wie folgt gut: «Die Sache ist daher in Gutheissung der Beschwerde in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen, die sämtlichen Einvernahmeprotokollen Beweischarakter zugesprochen hat. Sie wird prüfen, welche zulasten des Beschwerdeführers berücksichtigten Aussagen zufolge Verletzung der Teilnahmerechte allenfalls nicht verwertet werden dürfen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Auf die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers ist bei dieser Sachlage nicht einzugehen.» (E.10.5)