Sachverhalt und Instanzenzug
Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts hatte Joseph S. Blatter und Michel Platini 2022 freigesprochen, soweit sie das Verfahren nicht einstellte. Die Anklage steht im Zusammenhang mit dem Vorwurf gegenüber den Betroffenen, zum Nachteil der FIFA unrechtmässig Zahlungen zugunsten von Michel Platini erwirkt zu haben.
Die Bundesanwaltschaft erklärte gegen dieses Urteil Berufung an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts. Deren Kammerpräsident, der zuvor bei der Bundesanwaltschaft Leiter des fraglichen Verfahrens gewesen war, trat in der Folge in den Ausstand.
Michel Platini beantragte bei der Berufungskammer anschliessend, weitere Richterinnen und Richter sowie Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber der Berufungskammer in den Ausstand zu versetzen. Für den Entscheid über das Ausstandsgesuch ernannte der Präsident des Bundesstrafgerichts drei Ober- bzw. Kantonsgerichtspräsidenten zur Bildung einer ausserordentlichen Berufungskammer. Diese hiess das Ausstandsgesuch 2023 teilweise gut und ordnete den Ausstand von sämtlichen Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreibern der Berufungskammer an. Im Übrigen wies sie das Gesuch ab.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_173/2023 vom 15. März 2024
Das Bundesgericht heisst die dagegen erhobene Beschwerde von Michel Platini gut und ordnet an, dass (neben den Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreibern) auch sämtliche Richterinnen und Richter der (ordentlichen) Berufungskammer in den Ausstand versetzt werden. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Präsident der Berufungskammer im erstinstanzlichen Prozess gegen Joseph S. Blatter und Michel Platini auch als Zeuge befragt wurde. Zumindest soweit es dabei um die Begründung eines Anfangsverdachts und die Verfahrenseröffnung gegenüber Joseph S. Blatter (und damit auch um die spätere Verfahrenseröffnung gegenüber dem Beschwerdeführer) geht, gehören die Aussagen des Präsidenten der Berufungskammer nach wie vor zum Beweisthema des Strafverfahrens. Unter diesen besonderen Umständen könnte der Eindruck entstehen, dass die Gerichtsmitglieder der (ordentlichen) Berufungskammer die fraglichen Zeugen[1]aussagen nicht ausreichend unabhängig und unbefangen würdigen. Sie wären gehalten, Aussagen ihres eigenen Kammerpräsidenten zu beurteilen. In dieser spezifischen Konstellation besteht der Anschein, dass die Gerichtsmitglieder der (ordentlichen) Berfungskammer über das Zeugnis ihres Präsidenten nicht völlig frei nach rein verfahrens – bezogenen Kriterien befinden könnten.
Hier sind die generell-abstrakten Schlüsselausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_173/2023 vom 15. März 2024:
«Nach Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Justizpersonen ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Dies soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens beitragen und ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 144 I 159 E. 4.3; 140 I 326 E. 5.1, 271 E. 8.4, 240 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die grundrechtliche Garantie wird in Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 144 I 234 E. 5.2; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen). Eine in einer Strafbehörde, etwa beim Berufungsgericht (Art. 13 lit. d StPO), tätige Person tritt, abgesehen von den in Art. 56 lit. a-e StPO genannten Fällen, in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (Art. 56 lit. f StPO). Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Wird von so vielen Richtern und Richterinnen der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts der Ausstand verlangt, dass keine gültige Verhandlung stattfinden kann, so bezeichnet der Präsident oder die Präsidentin des Bundesstrafgerichts aus der Zahl der Obergerichtspräsidenten und -präsidentinnen der in der Sache nicht beteiligten Kantone durch das Los so viele ausserordentliche nebenamtliche Richter und Richterinnen, als erforderlich sind, um die Ausstandsfrage und nötigenfalls die Hauptsache selbst zu beurteilen (Art. 38c StBOG).» (E.2.2.1).
«Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung der Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit begründet ist. Voreingenommenheit und Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters oder die Richterin zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Bei der Beurteilung solcher Gegebenheiten ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter oder die Richterin tatsächlich befangen ist (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 147 I 173 E. 5.1; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung belegt ein kollegiales Verhältnis bzw. eine berufliche Beziehung zwischen der in der Strafbehörde tätigen Person und einer Verfahrenspartei oder deren Rechtsbeistand noch keinen Ausstandsgrund, sofern keine weiteren, konkreten Umstände auf mangelnde Unvoreingenommenheit schliessen lassen (BGE 144 I 159 E. 4.4; Urteile 7B_190/2023 vom 14. Dezember 2023 E. 4.3; 7B_156/2022 vom 7. September 2023 E. 4.5.1; 6B_662/2022 vom 21. September 2022 E. 1.3; je mit Hinweisen). Blosse Kollegialität unter Gerichtsmitgliedern begründet keine Ausstandspflicht (BGE 147 I 173 E. 5.2.1; 141 I 78 E. 3.3; 139 I 121 E. 5; 133 I 1 E. 6.6).» (E.2.2.2).
Fallbezogen äussert sich das Bundesgericht alsdann im Urteil 7B_173/2023 vom 15. März 2024 wie folgt:
«Die Vorinstanz hält fest, dass ein Subordinations- bzw. Weisungsverhältnis zwischen K. und den übrigen Richtern und Richterinnen der Berufungskammer, insbesondere den Richterinnen Blum und Kolvodouris Janett sowie dem Richter Frischknecht, nicht hinreichend glaubhaft gemacht und zudem auch in keiner Weise ersichtlich sei. Anhaltspunkte für eine über blosse Kollegialität hinausgehende Beziehung zwischen K. einerseits und den Richterinnen Blum und Kolvodouris Janett sowie dem Richter Frischknecht andererseits seien ebenso wenig ersichtlich. Anders präsentiere sich die Ausgangslage bei den Gerichtsschreibern und Gerichtsschreiberinnen der Berufungskammer. Von aussen betrachtet bestehe zumindest ein Anschein, dass bei den formell der Berufungskammer zugeteilten Gerichtsschreibern und Gerichtsschreiberinnen im Berufungsverfahren CA.2022.25 eine Beeinträchtigung der erforderlichen Unabhängigkeit nicht ausgeschlossen werden könne.» (E.2.3).
«Soweit der Beschwerdeführer seinerseits behauptet, K. sei als Präsident der Berufungskammer seinen (ordentlichen und nebenamtlichen) Richterkollegen und -kolleginnen derselben Kammer administrativ übergeordnet und diese seien ihm gegenüber weisungsgebunden, kann ihm nicht gefolgt werden. Aus dem Umstand, dass K. als Kammerpräsident die Geschäfte verteilt und die Zusammensetzung des Spruchkörpers und dessen Vorsitz bestimmt, lässt sich keine Hierarchie unter den Richtern und Richterinnen der Berufungskammer ableiten. Wie die Vorinstanz zu Recht bemerkt, bieten die in Art. 15 Abs. 2 des Organisationsreglements für das Bundesstrafgericht vom 31. August 2010 (SR 173.713.161) statuierten Kriterien (namentlich: Sprache des Geschäfts, Beschäftigungsgrad der Richter und Richterinnen, Belastung durch die Mitarbeit in Gerichtsgremien, fachliche Eignung, Mitwirkung an früheren Entscheiden im gleichen Sachgebiet, Bezug zu anderen Fällen und Abwesenheiten) Gewähr dafür, dass das vom Gesetz eingeräumte Ermessen bei der Zuteilung der Geschäfte und Bildung der Spruchkörper pflichtgemäss gehandhabt wird (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 1C_187/2017, 1C_327/2017 vom 20. März 2018 E. 6.5 f.).» (E.2.4).
«Zu beachten ist jedoch, dass K._ nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht nur Verfahrensleiter der Bundesanwaltschaft im betreffenden Verfahren war, sondern darüber hinaus von der Strafkammer des Bundesstrafgerichts in der Hauptverhandlung als Zeuge befragt wurde. Eingangs dieser Einvernahme machte die Vorsitzende der Strafkammer den Zeugen darauf aufmerksam, dass er zur seitens der Verteidigung aufgeworfenen Vorfrage angehört werde, inwiefern es einen genügenden Anfangstatverdacht für die Bundesanwaltschaft gegeben habe, um das vorliegende Strafverfahren am 24. September 2015 gegen den Beschuldigten Joseph S. Blatter zu eröffnen. Entsprechend beschränke sich die Zeugeneinvernahme in sachlicher und zeitlicher Hinsicht auf Umstände, welche für die Begründung des Anfangstatverdachts bzw. die am 24. September 2015 erfolgte Eröffnung des Verfahrens gegen Joseph S. Blatter relevant gewesen seien. Hingegen seien zeitlich spätere Umstände, namentlich im Zusammenhang mit der am 29. Mai 2020 erfolgten Ausdehnung auf bzw. der Eröffnung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer nicht Gegenstand der Einvernahme, da K. damals nicht mehr bei der Bundesanwaltschaft tätig gewesen sei (vgl. zum Ganzen: Akten Vorinstanz, pag. 1.1 S. 2).» (E.2.5.1).
«Die Verteidigung des Beschwerdeführers machte und macht geltend, dass unklar sei, wie die Bundesanwaltschaft auf die inkriminierte Zahlung (von einem Bankkonto der FIFA auf ein auf den Beschwerdeführer lautendes Konto bei der Z. Bank AG) vom 1. Februar 2011 in Höhe von Fr. 2 Millionen aufmerksam geworden sei. Hierzu hielt die Strafkammer des Bundesstrafgerichts in ihrem Urteil SK.2021.48 vom 8. Juli 2022 im Einzelnen Folgendes fest: Die Chronologie der Verfahrenshandlungen zeige, dass die vorliegend relevante Zahlung vom 1. Februar 2011 in Höhe von Fr. 2 Millionen spätestens am 9. September 2015 in den Fokus der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gerückt sei, als diese spezifisch hierzu Bankunterlagen von der Z. Bank AG verlangt habe. Aus der Chronologie lasse sich indes nicht eindeutig ableiten, zu welchem genauen Zeitpunkt und aufgrund welcher Ursache die Bundesanwaltschaft konkret von der inkriminierten Zahlung erfahren habe. Namentlich bleibe unklar, ob die Transaktion bereits am Tag der begleiteten Edition vom 27. Mai 2015 aufgrund eines Hinweises von A.A. (damaliger Finanzdirektor der FIFA) – wie dies der ehemalige Verfahrensleiter K. in seiner Zeugeneinvernahme vor der Strafkammer behauptet habe, von A.A. indes bestritten werde – oder aufgrund eines Hinweises anlässlich des von den Vertretern der Bundesanwaltschaft nicht protokollierten Treffens vom 8. Juli 2015 – wie dies die Verteidigung des Beschwerdeführers für am wahrscheinlichsten halte – oder schliesslich ganz allgemein aufgrund der im Zeitraum vom 27. Mai bis 9. September 2015 erfolgten Ermittlungstätigkeit der Bundesanwaltschaft bekannt geworden sei. „Ohne die Szenarien eines allfälligen Hinweisgebers eindeutig ausschliessen zu können oder wollen“, sei jedoch festzuhalten, dass die Chronologie eher dafür spreche, dass die Bundesanwaltschaft ohne entsprechenden Hinweis auf die inkriminierte Zahlung aufmerksam worden sei. Hätte nämlich A.A. am 27. Mai 2015 oder eine andere Person anlässlich des nicht protokollierten Treffens vom 8. Juli 2015 auf die Zahlung aufmerksam gemacht, wäre zu erwarten gewesen, dass die Bundesanwaltschaft bei der Z. Bank AG bereits mit ihrer ersten Verfügung vom 23. Juli 2015 – und nicht erst mit ihrer Verfügung vom 9. September 2015 – spezifische Auskünfte und Detailbelege zur inkriminierten Zahlung verlangt hätte. Im Ergebnis könne diese Frage aber ohnehin offengelassen werden. Für die Strafkammer bestehe nämlich im Sinne eines hypothetischen Ermittlungsverlaufs eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass die Bundesanwaltschaft – unabhängig von einem allfälligen, aufgrund mangelnder Protokollierung allenfalls nicht verwertbaren Hinweis – aufgrund der am 27. Mai 2015 sichergestellten, nicht versiegelten und demnach verwertbaren Unterlagen, auf die inkriminierte Zahlung gestossen wäre. Es möge zwar – wie die Verteidigung des Beschwerdeführers im Grundsatz zu Recht vorbringe – zutreffen, dass diese FIFA-internen Unterlagen die damalige Verdachtslage nicht unmittelbar hätten erhärten können, da allfällige Korruptionszahlungen zur Beeinflussung der Vergabe der FIFA-WM 2018 und 2022 nicht von der FIFA, sondern vielmehr von den Länderteams, welche sich um die Austragung der FIFA-WM 2018 und 2022 beworben hatten, erfolgt wären. Für die Strafkammer liege es dennoch nahe, dass die Bundesanwaltschaft primär diese Unterlagen habe sichten wollen bzw. im Sinne eines hypothetischen Ermittlungsverlaufs gesichtet hätte, da sie diese einerseits in ihrer Verfügung vom 26. Mai 2015 ausdrücklich verlangt gehabt habe und andererseits in solchen Unterlagen insbesondere Bankdaten der Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees zu erwarten gewesen seien, welche für die weiteren Ermittlungen in einem Strafverfahren dieser Art unerlässlich seien. Unter Berücksichtigung, dass die inkriminierte Zahlung sich ohne Weiteres aus den vier sichergestellten Dokumenten betreffend den Beschwerdeführer ergebe und die Zahlung bereits aufgrund der Höhe des ausbezahlten Betrages sowie der zeitlich lang zurückliegenden Dauer der erbrachten und damit vergüteten Dienstleistungen des Beschwerdeführers auffalle, bestehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Bundesanwaltschaft bereits bei Sichtung dieser Unterlagen auf die inkriminierte Zahlung aufmerksam geworden sei bzw. wäre. Aber selbst wenn die Bundesanwaltschaft die inkriminierte Zahlung zu diesem Zeitpunkt noch nicht bemerkt hätte, sei sehr wahrscheinlich, dass die Bundesanwaltschaft – erneut unabhängig von einem allfälligen, aufgrund mangelnder Protokollierung allenfalls nicht verwertbaren Hinweis – aufgrund der im Factsheet des Beschwerdeführers vermerkten Bankdaten bei der Z. Bank AG – wie in einem Verfahren der vorliegenden Art üblich – entsprechende Bankunterlagen allgemeiner Natur betreffend die Bankkonten des Beschwerdeführers ediert hätte. Spätestens bei der Sichtung der ihr übermittelten Bankunterlagen, namentlich der internen Notiz vom 23. März 2011, wäre sie auf die inkriminierte Zahlung aufmerksam geworden, hätte anschliessend die in der Verfügung an die Z. Bank AG vom 9. September 2015 beschriebenen Unterlagen zur Identifizierung der inkriminierten Zahlung verlangt und dadurch schliesslich die beiden internen Notizen erhalten. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die von der Z. Bank AG mittels Verfügungen vom 23. Juli 2015 und 9. September 2015 edierten Unterlagen, namentlich die zur Verdachtsbegründung verwendeten internen Notizen vom 21. und 23. März 2011, im Sinne eines hypothetischen Ermittlungsverlaufes mit einer grossen Wahrscheinlichkeit auch ohne einen allfälligen Hinweisgeber erlangt worden wären, diese demnach nicht von der Fernwirkung eines allfälligen Beweisverwertungsverbots erfasst seien und folglich zur Verdachtsbegründung gegen Joseph S. Blatter hätten verwertet werden können. Aus diesem Grund könne ausdrücklich offengelassen werden, ob es einen Hinweisgeber – sei dies A.A. anlässlich der begleiteten Edition vom 27. Mai 2015 oder eine andere Person anlässlich des von den Vertretern der Bundesanwaltschaft nicht protokollierten Treffens vom 8. Juli 2015 – gegeben habe und ob die fehlende Protokollierung eines solchen Hinweises im konkreten Fall überhaupt zu einer Verwertungsproblematik geführt hätte (zum Ganzen: Urteil Strafkammer S. 25 f.).» (E.2.5.2).
«Zeugin oder Zeuge ist eine an der Begehung einer Straftat nicht beteiligte Person, die der Aufklärung dienende Aussagen machen kann und nicht Auskunftsperson ist (Art. 162 StPO). Jede zeugnisfähige Person ist zum wahrheitsgemässen Zeugnis verpflichtet; vorbehalten bleiben die Zeugnisverweigerungsrechte (Art. 163 Abs. 2 StPO). Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge zur Sache falsch aussagt, macht sich wegen falschen Zeugnisses im Sinne von Art. 307 StGB strafbar. Im Rahmen der Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO) hat das Gericht über die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu befinden.
Bestehen persönliche Beziehungen des Richters oder der Richterin zu Zeugen, kann das den Strafprozess beherrschende Gebot der Wahrheitserforschung den Richter oder die Richterin in Konflikte bringen. Vorhalte an den Zeugen und die unbefangene Würdigung der Aussage werden durch solche persönlichen Beziehungen ausserordentlich erschwert. Im Fall der persönlichen Beziehungen zum Zeugen geht es nicht um eine Voreingenommenheit des Richters oder der Richterin zugunsten oder zuungunsten der beschuldigten Person, sondern um die Frage, ob der Richter oder die Richterin die Aussage unbefangen zu würdigen vermag (zum Ganzen: GUNTHER ARZT, Der befangene Strafrichter, 1969, S. 56 f.; vgl. auch ROLF GEISER, Über den Ausstand des Richters im schweizerischen Zivilprozessrecht, 1957, S. 57 f.).» (E.2.5.3).
«Wenn die Strafkammer des Bundesstrafgerichts zum Schluss kommt, dass eine vollständige Klärung der Diskrepanz der Aussagen von K. und A.A. für die Fällung ihres Urteils SK.2021.48 aufgrund des Vorliegens weiterer Beweise nicht notwendig sei, kann daraus nicht abgeleitet werden, die Aussagen von K. seien im Berufungsverfahren CA.2022.25 a priori nicht relevant. Vielmehr gehören sie – zumindest in Bezug auf die Begründung des Anfangstatverdachts bzw. die am 24. September 2015 erfolgte Verfahrenseröffnung gegen Joseph S. Blatter – nach wie vor zum Beweisthema des gegenständlichen Strafverfahrens, kann doch das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil in allen angefochtenen Punkten umfassend überprüfen (Art. 398 Abs. 2 StPO). Die Situation ist auch nicht mit dem Fall zu vergleichen, in dem ein Zeuge oder eine Zeugin von einer Partei (bloss) angerufen wird, um dadurch einen allfälligen Ausstandsgrund zu provozieren (vgl. MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 22 zu Art. 56 StPO mit weiteren Hinweisen). Wie dem Protokoll der Zeugeneinvernahme von K. ausserdem entnommen werden kann, machte ihn die Vorsitzende der Strafkammer im Verlauf der Befragung – auf Ergänzungsfragen des Verteidigers des Beschwerdeführers hin – mehrfach auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam „im Hinblick auf das andere Verfahren, in dem er als Beschuldigter involviert ist“ und es um die angeblichen „Geheimtreffen“ gehen soll (vgl. Akten Vorinstanz, pag. 1.1 S. 5 f.).» (E.2.5.4).
«Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände kann von aussen und objektiv betrachtet durchaus der Eindruck entstehen, die ordentlichen und nebenamtlichen Richter und Richterinnen der Berufungskammer könnten die in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gemachten Aussagen von K. nicht ausreichend unabhängig und unbefangen würdigen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob K. im Berufungsverfahren erneut – ob von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei hin – als Zeuge vorzuladen ist (vgl. Art. 389 StPO). Die Richter und Richterinnen der (ordentlichen) Berufungskammer wären schliesslich gehalten, Aussagen ihres eigenen Kammerpräsidenten zu beurteilen, wobei dieser nicht neutraler Zeuge ist, sondern – zumindest zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses – als beschuldigte Person in ein mit der vorliegenden Sache zusammenhängendes Verfahren involviert war. Er riskiert (e), sich mit seinen Zeugenaussagen im eigenen Verfahren auch selbst zu belasten. Selbst wenn unter den betroffenen ordentlichen und nebenamtlichen Berufungsrichtern und -richterinnen über die kollegiale Zusammenarbeit hinaus keine näheren Beziehungen zu K. vorliegen, besteht in dieser spezifischen Konstellation der Anschein, die Richter und Richterinnen könnten über das Zeugnis ihres Kammerpräsidenten nicht völlig frei nach rein verfahrensbezogenen Kriterien befinden.» (E.2.5.5).
«Das Ausstandsgesuch des Beschwerdeführers gegen die Richterinnen Blum und Kolvodouris Janett sowie den Richter Frischknecht und auch die übrigen Richter und Richterinnen der (ordentlichen) Berufungskammer des Bundesstrafgerichts ist begründet. Soweit der angefochtene Beschluss es abweist, verstösst er gegen Bundesrecht. Auf die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden.» (E.2.5.6).
Das Bundesgericht heisst im Urteil 7B_173/2023 vom 15. März 2024 die Beschwerde gut (E.3).