Urteil des Bundesgerichts im Fall Pierre Maudet

Das Bundesgericht heisst im Urteil 6B_220/2022 vom 31. Oktober 2022 die Beschwerde der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf im Fall Pierre Maudet teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zurück ans Kantonsgericht. In Bezug auf die Reise nach Abu Dhabi hebt es die Freisprüche von Pierre Maudet und Patrick Baud-Lavigne vom Vorwurf der Vorteilsannahme und von Magid Khoury und Antoine Daher vom Vorwurf der Vorteilsgewährung auf. Dagegen bestätigt es die Freisprüche der Betroffenen in Bezug auf die Finanzierung einer Umfrage.

Sachverhalt

Pierre Maudet hatte Ende November 2015 als Staatsrat des Kantons Genf an einer Reise zum Formel 1 Grand Prix im Emirat Abu Dhabi teilgenommen; er wurde dabei von seiner Familie begleitet sowie von seinem damaligen Stabschef Patrick Baud-Lavigne und von Antoine Daher. Die Kosten der Reise wurden vollumfänglich von den Behörden in Abu Dhabi übernommen.

Instanzenzug

Im Februar 2021 verurteilte das Polizeigericht des Kantons Genf Pierre Maudet und Patrick Baud-Lavigne wegen Vorteilsannahme, Magid Khoury wegen Vorteilsgewährung und Antoine Daher wegen Gehilfenschaft zu Vorteilsgewährung.

Im Dezember 2021 sprach die Strafkammer des Kantonsgerichts des Kantons Genf die Betroffenen von diesen Vorwürfen frei. Die Genfer Staatsanwaltschaft gelangte dagegen mit Beschwerde ans Bundesgericht.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_220/2022 31. Oktober 2022

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zurück ans Kantonsgericht.

Die Reise nach Abu Dhabi stellt einen nicht gebührenden Vorteil dar. Gemäss Bundesgericht kann dem Kantonsgericht nicht gefolgt werden, wenn es davon ausgeht, dass sich eine unrechtmässige Vorteilsgewährung und eine unrechtmässige Vorteilsannahme durch öffentliche Bedienstete immer gegenseitig bedingen. Vielmehr kann das Verhalten der Person, die den Vorteil gewährt und derjenigen, die ihn annimmt, je für sich allein strafbar sein.

Pierre Maudet und Patrick Baud-Lavigne waren sich bewusst, dass ihnen der gewährte Vorteil nicht gebührt und fanden sich damit ab, davon aufgrund ihrer amtlichen Funktionen profitiert zu haben. Sie haben sich damit der Vorteilsannahme schuldig gemacht (Artikel 322sexies des Schweizerischen Strafgesetzbuches, StGB). Magid Khoury und Antoine Daher, die im Rahmen des Erhalts der Reiseeinladung aktiv geworden waren, sind ihrerseits als Täter beziehungsweise als Gehilfe wegen Vorteilsgewährung (Artikel 322quinquies StGB) zu verurteilen.

Abzuweisen ist hingegen die Beschwerde der Staatsanwaltschaft dagegen im Zusammenhang mit der Finanzierung einer 2017 realisierten Umfrage. Dabei handelte es sich um eine politische Finanzierung, die Pierre Maudet nicht als Amtsträger, sondern als Kandidat im Hinblick auf die kantonalen Wahlen gewährt wurde. Das schliesst eine rechtliche Einordnung unter die Artikel 322quinquies und 322sexies StGB aus.

Bemerkungen zum Urteil des Bundesgerichts 6B_220/2022 31. Oktober 2022

Das Urteil des Bundesgerichts 6B_220/2022 vom 31. Oktober 2022 ist ein sehr wichtiger Leitentscheid. Er zeigt einerseits auf, dass das Verhalt einer Person, welche einen unrechtmässigen Vorteil gewährt und diejenige welche ihn annimmt für sich alleine je strafbar ist. Weiter muss eine Vorteilsannahme als Amtsträgerin oder als Amtsträger erfolgen. Praktisch wird das Urteil zur Folge haben, dass Politikerinnen und Politiker Vorsicht bei der Annahme von Einladungen und Geschenken walten lassen werden müssen.

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