Tücken der Gesamtstrafenbildung

Im Urteil 7B_696/2023 vom 13. Mai 2024 aus dem Kanton Wallis befasste sich das Bundesgericht mit einer versuchten Tötung sowie vier Verkehrsdelikten. Zur versuchten Tötungen finde sich im Urteil interessante Ausführungen zum Thema DNA (E.2.4.1 ff.). Der Beschwerdeführer obsiegt jedoch vor Bundesgericht nur bei der Rüge bezüglich der Gesamtstrafenbildung. Das Bundesgericht äussert sich hierzu u.a. wie folgt: «In diesem Zusammenhang weist der Beschwerdeführer zu Recht auch auf den Umstand hin, dass die Erstinstanz für die vier Raserfahrten (und eine andere Fahrt vom 7. Oktober 2014) global noch eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten bzw., in Anwendung des Asperationsprinzips, 18 Monaten ausgefällt hatte. Jedenfalls müsste die Vorinstanz bei der Asperation insbesondere berücksichtigen, dass die Vorfälle teilweise nahe bei einander liegen und dasselbe Rechtsgut betreffen. Damit widerspricht die Gesamtstrafenbildung der Vorinstanz den Vorgaben von Art. 49 Abs. 1 und Art. 50 StGB. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet. Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen die Strafzumessung rügt, weicht er vom vorinstanzlich festgestellten, für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt ab, ohne im Einzelnen Willkür darzutun.» (E.3.1.3).

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis wirft A. u.a. vor, in der Nacht vom 5. Mai 2016 den schlafenden B. in dessen Wohnung in U. überrascht und unvermittelt mit einem Chromstahlrohr mehrmals gegen dessen Kopf und Körper geschlagen zu haben, wodurch B. diverse Frakturen erlitten habe. Des Weiteren soll A. am 18. Juli 2015, 20. Juli 2015, 24. Juli 2015 sowie 29. August 2015 auf Motorradfahrten zahlreiche grobe und qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzungen begangen haben.

Instanzenzug

Mit Urteil vom 22. April 2021 erklärte das Kreisgericht Oberwallis A. u.a. der versuchten Tötung sowie der mehrfachen groben und qualifiziert groben Verkehrsregelverletzung schuldig und verurteilte ihn im Sinne einer teilweisen Zusatzstrafe zu einem Urteil des Ministère public du canton du Valais insgesamt zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren und einer bedingten Geldstrafe von 355 Tagessätzen zu Fr. 30.–. Überdies verpflichtete es A. u.a., B. eine Genugtuung von Fr. 15’000.– zu bezahlen. Auf Berufung von A. und der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Kantonsgericht des Kantons Wallis am 17. November 2022 u.a. die kreisgerichtlichen Schuldsprüche der versuchten Tötung sowie der mehrfachen groben und qualifiziert groben Verkehrsregelverletzung und verurteilte A. im Sinne einer teilweisen Zusatzstrafe zu einem Urteil des Ministère public du canton du Valais insgesamt zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und vier Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 355 Tagessätzen zu Fr. 30.–. Auch verpflichtete es A., B. eine Genugtuung von Fr. 15’000.– zu bezahlen.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts vom 17. November 2022 sei aufzuheben und die Sache zur neuen Durchführung der Berufungsverhandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei er vom Vorwurf der versuchten Tötung freizusprechen und die Sache zur neuen Entscheidung bezüglich Strafe, Zivilforderung und Kosten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Kantonsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme zur Strafzumessung. Die Staatsanwaltschaft liess sich nicht vernehmen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_696/2023 vom 13. Mai 2024  

An dieser Stelle wird nicht auf alle Rügen eingegangen. Wer sich für DNA-Spuren interessiert findet in E.2.4.1 ff. sehr viele spannende Informationen, die Rüge war hier aber erfolglos.

Der Beschwerdeführer beanstandet vor Bundesgericht u.a. die Bemessung der Strafe für die vier Raserfahrten im Sommer 2015 (E.3).

Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 7B_696/2023 vom 13. Mai 2024 zunächst generell-abstrakt wie folgt:

«Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu (Art. 47 Abs. 1 Satz 1 StGB). Das Verschulden bestimmt sich nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit er nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).  Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.6; je mit Hinweisen). Nach Art. 50 StGB hat das Gericht, sofern es sein Urteil zu begründen hat, die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten und seine Überlegungen in den Grundzügen wiederzugeben, sodass die Strafzumessung nachvollziehbar ist (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 134 IV 17 E. 2.1; je mit Hinweisen).» (E.3.1.1).

«Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Die ratio legis des Asperationsprinzips besteht in der Vermeidung der Kumulation verwirkter Einzelstrafen, weshalb die Gesamtstrafe die Summe der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen darf. Die Deliktsmehrheit wirkt sich somit nur unproportional straferhöhend aus. Die Gesamtstrafe darf die Summe der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen (BGE 144 IV 217 E. 3.5.2 mit Hinweisen).  

Bei der Bemessung der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB sind namentlich das Verhältnis der einzelnen Taten untereinander, ihr Zusammenhang, ihre grössere oder geringere Selbstständigkeit sowie die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und Begehungsweisen zu berücksichtigen. Der Gesamtschuldbeitrag des einzelnen Delikts wird dabei geringer zu veranschlagen sein, wenn die Delikte zeitlich, sachlich und situativ in einem engen Zusammenhang stehen (Urteile 6B_1176/2021 vom 26. April 2023 E. 4.5.2; 6B_196/2021 vom 25. April 2022 E. 5.4.3; 6B_1397/2019 vom 12. Januar 2022 E. 3.4, nicht publ. in: BGE 148 IV 89; je mit Hinweisen).» (E.3.1.2).

Fallbezogen äussert sich das Bundesgericht anschliessend im Urteil 7B_696/2023 vom 13. Mai 2024 wie folgt:

«Die Vorinstanz betrachtet die vier Fahrten zwischen dem 18. Juli 2015 und 29. August 2015, auf welchen der Beschwerdeführer insgesamt 18 qualifiziert grobe und 61 grobe Verkehrsregelverletzungen beging, jeweils als Tateinheit und sanktioniert nicht jede einzelne Verkehrsregelverletzung gesondert. Für die Vorfälle erachtet sie eine Sanktion von zweimal drei Jahren (18. und 20. Juli 2015), einem Jahr (24. Juli 2015) bzw. zwei Jahren (29. August 2015) als gerechtfertigt. Die zuvor festgelegte Einsatzstrafe für die versuchte vorsätzliche Tötung von sieben Jahren und zwei Monaten erhöht sie um insgesamt fünf Jahre und zwei Monate, wobei sie die hypothetischen Sanktionen für die Raserfahrten aufgrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots um 20 % sowie wegen des Asperationsprinzips pro Vorfall um jeweils sechs Monate reduziert. Diese (hypothetischen) Zusatzstrafen begründet die Vorinstanz indes nicht näher, wenn sie von einer ausserordentlich hohen objektiven und subjektiven Tatschwere ausgeht. Hinzu kommt, dass sie – erneut ohne nähere Begründung – namentlich für die Fahrten vom 18. und 20. Juli 2015 sowie vom 29. August 2015 einen verhältnismässig grossen Teil der zusätzlichen Einzelstrafen an die Einsatzstrafe anrechnet. In diesem Zusammenhang weist der Beschwerdeführer zu Recht auch auf den Umstand hin, dass die Erstinstanz für die vier Raserfahrten (und eine andere Fahrt vom 7. Oktober 2014) global noch eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten bzw., in Anwendung des Asperationsprinzips, 18 Monaten ausgefällt hatte. Jedenfalls müsste die Vorinstanz bei der Asperation insbesondere berücksichtigen, dass die Vorfälle teilweise nahe bei einander liegen und dasselbe Rechtsgut betreffen. Damit widerspricht die Gesamtstrafenbildung der Vorinstanz den Vorgaben von Art. 49 Abs. 1 und Art. 50 StGB. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet. Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen die Strafzumessung rügt, weicht er vom vorinstanzlich festgestellten, für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt ab, ohne im Einzelnen Willkür darzutun.» (E.3.1.3).

In teilweiser Gutheissung der Beschwerde hebt das Bundesgericht das angefochtene Urteil auf und weist es zur neuen Bildung der Gesamtstrafe an die Vorinstanz zurück. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt (E.4).

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