Sachverhalt
Dem A. wird vorgeworfen, am 5. März 2021 das Gefängnis U. angerufen und gegenüber zwei Mitarbeitern geäussert zu haben, dass er eine Bombe am bzw. im Gefängnis U. hochgehen lasse und alle umbringen werde, wenn ein gewisser Insasse nicht freigelassen werde. Zudem habe A. am 30. März 2021 mehrfach in einer Anwaltskanzlei angerufen und gegenüber der Sekretärin angegeben, dass er mit vier Kollegen in der Kanzlei vorbeikommen werde und sie dann schon sehen würden, was passieren werde, wenn ihr Vorgesetzter C., seinen Anruf nicht entgegennehmen bzw. wenn er nicht mit ihm verbunden werde. Schliesslich soll A. am 26. März 2021 mehrfach ein Transportunternehmen angerufen und dabei seine Gesprächspartner beschimpft und bedroht haben.
Verfahrensgeschichte
Das Bezirksgericht Zürich stellte mit Urteil vom 26. Oktober 2021 fest, dass A._ die Tatbestände der versuchten Befreiung von Gefangenen im Sinne von Art. 310 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, der mehrfachen Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB, der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 Abs. 1 StGB und des mehrfachen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage im Sinne von Art. 179septies StGB erfüllt hat. Aufgrund der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 1 StGB sah es von einer Strafe ab und ordnete eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB (Behandlung psychischer Störungen) an.
Auf Berufung von A. hin trat das Obergericht Zürich am 28. Juni 2022 (SB210642-O/U/ad-hb) auf die Erweiterung der Berufung betreffend Missbrauch einer Fernmeldeanlage nicht ein. Das Obergericht stellte die Rechtskraft der Verurteilung wegen Beschimpfung und mehrfachen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage, begangen in Schuldunfähigkeit, sowie des Absehens einer Strafe wegen der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit, fest. Das Obergericht stellte ferner fest, dass A. die Tatbestände der versuchten Befreiung von Gefangenen, der mehrfachen Drohung und der versuchten Nötigung in nicht selbst verschuldeter Schuldunfähigkeit erfüllt hat. Es ordnete eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB (Behandlung psychischer Störungen) an.
Weiterzug an das Bundesgericht
Der A. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass er die Tatbestände der versuchten Befreiung von Gefangenen, der mehrfachen Drohung und der versuchten Nötigung nicht erfüllt habe. Es sei eine ambulante therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 1 StGB anzuordnen und es sei ihm eine angemessene Entschädigung für erstandene Überhaft zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. A. ersucht um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung.
Wortlaut von Art. 310 StGB «Befreiung von Gefangenen»
Art. 310 StGB hat den folgenden Wortlaut:
«1. Wer mit Gewalt, Drohung oder List einen Verhafteten, einen Gefangenen oder einen andern auf amtliche Anordnung in eine Anstalt Eingewiesenen befreit oder ihm zur Flucht behilflich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2. Wird die Tat von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.»
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1261/2022 vom 23. Januar 2023
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor Bundesgericht hinsichtlich seiner Verurteilung wegen der versuchten Befreiung von Gefangenen, der mehrfachen Drohung und der versuchten Nötigung eine willkürliche Beweiswürdigung sowie die Verletzung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ vor (E.1.1).
Der Beschwerdeführer beschränkt sich mit seinen Vorbringen gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nach Ansicht des Bundesgerichts darauf, seine Sicht der Dinge zu schildern und der Vorinstanz vorzuwerfen, die Beweise nicht in seinem Sinne gewürdigt zu haben. Die Beschwerde genügt in diesem Punkt den strengen Begründungsanforderungen, bemerkt das Bundesgericht (E.1.4).
Dennoch äussert sich das Bundesgericht ausführlich in generell abstrakter Art und Weise zum Tatbestand der Gefangenbefreiung, da der Beschwerdeführer vorbringt, der Tatbestand von Art. 310 Ziff. 1 StGB sei nicht erfüllt, da es an der notwendigen, ernst genommenen Drohung mangle. Die Gefängnismitarbeiter hätten die Drohungen nicht ernst genommen (E.2.1).
Hier ist die fast lehrbuchartige Schlüsselausführung des Bundesgerichts im Urteil 6B_1261/2022 vom 23. Januar 2023:
«Wer mit Gewalt, Drohung oder List einen Verhafteten, einen Gefangenen oder einen andern auf amtliche Anordnung in eine Anstalt Eingewiesenen befreit oder ihm zur Flucht behilflich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 310 Ziff. 1 StGB). Nebst dem abstrakten Rechtsgut des geordneten Gangs der Rechtspflege schützt der Tatbestand auch das Gefängniswesen, den Straf- und Massnahmevollzug sowie den sonstigen Vollzug freiheitsentziehender Massnahmen. Mit direkter Zielsetzung soll durch die Strafandrohung jedermann abgeschreckt werden, Einrichtungen des Gefängniswesens und die dort beschäftigten Personen zu bedrohen (DELNON/RÜDY, in: Basler Kommentar, Strafrecht II. 4. Aufl. 2019, N. 4 zu Art. 310 StGB). Der Begriff der Drohung nach Art. 310 Ziff. 1 StGB ist entsprechend der „Androhung ernstlicher Nachteile“ im Sinne von Art. 181 StGB auszulegen (URSULA CASSANI, Commentaire du droit pénal suisse, Partie spéciale, 1996, vol. 9, N. 23 zu Art. 310 StGB; ISABELLE PONCET, in Macaluso/Moreillon/Queloz [Hrsg.], Commentaire romand, Code pénal II, 2017, N. 23 zu Art. 310 StGB; DELNON/RÜDY, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019, N. 19 zu Art. 310 StGB; vgl. PIETH/SCHULTZE, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, N. 7 zu Art. 310 StGB; vgl. WOLFGANG WOHLERS, in: Wohlers/Godenzi/Schlegel [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 4. Aufl. 2020, N. 7 zu Art. 310 StGB; vgl. DUPUIS et al., in: Petit commentaire, Code pénal, 2. Aufl. 2017, N. 23 zu Art. 310 StGB; vgl. STRATENWERTH/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 7. Aufl. 2013, § 58 N. 11). Nur die Drohung mit einem ernstlichen Nachteil ist geeignet, die Befreiung einer gefangenen Person zu bewirken (URSULA CASSANI, Commentaire du droit pénal suisse, Partie spéciale, 1996, vol. 9, N. 23 zu Art. 310 StGB). Relativ bedeutungslose und nicht ernst zu nehmende «Drohungen» scheiden als Tatmittel aus (DELNON/RÜDY, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019, N. 19 zu Art. 310 StGB). Bei der Androhung ernstlicher Nachteile stellt der Täter dem Opfer ein Übel in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig erscheinen lässt. Ernstlich sind Nachteile, wenn ihre Androhung nach einem objektiven Massstab geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage der betroffenen Person gefügig zu machen und so seine Freiheit der Willensbildung oder -betätigung zu beschränken (BGE 122 IV 322 E. 1a; 120 IV 17 E. 2a/aa; Urteile 6B_386/2022 vom 20. Dezember 2022 E. 3.1; 6B_141/2022 vom 10. Oktober 2022 E. 4.3.2; je mit Hinweisen). Die Drohung muss eine gewisse Intensität aufweisen, die von Fall zu Fall und nach objektiven Kriterien festzulegen ist. Misslingt die Bestimmung von Willensbildung oder -betätigung, bleibt es beim Versuch (BGE 106 IV 125 E. 2b S. 129; Urteile 6B_150/2021 vom 11. Januar 2022 E. 2.3; 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 5.3.1). Ob eine Äusserung als Drohung zu verstehen ist, beurteilt sich nach den gesamten Umständen, unter denen sie erfolgte (Urteile 6B_780/2021 vom 16. Dezember 2021 E. 3.1 nicht publ. in BGE 148 IV 145; 6B_466/2019 vom 17. September 2019 E. 3.2; je mit Hinweisen).» (E.2.2).
Zum konkreten zu beurteilenden Sachverhalt äussert sich das Bundesgericht wie folgt:
«Die Vorinstanz erwägt, die vom Beschwerdeführer den Gefängnismitarbeitern gegenüber gemachte Aussage, eine Bombe hochgehen zu lassen, falls ein bestimmter Insasse nicht entlassen werde, stelle eine gravierende Drohung dar und sei geeignet, eine Durchschnittsperson einzuschüchtern. Auch wenn ein strengerer Massstab anzusetzen sei, da die Gesprächspartner des Beschwerdeführers Gefängnismitarbeiter und daher im Umgang mit schwierigen Personen besser vertraut gewesen seien, sei die Aussage des Beschwerdeführers als ernstzunehmende Drohung zu qualifizieren. Aus den Aussagen der beiden Gefängnismitarbeiter gehe hervor, dass diese nicht in Angst und Schrecken versetzt worden seien. Ihre Aussagen zeigten jedoch klar auf, dass ihnen bei der Sache nicht wohl gewesen sei, sie sich in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt gesehen hätten und nicht sicher gewesen seien, ob es nur leere Worte gewesen seien oder ob der Beschwerdeführer die Tat begehen würde. Dies zeige sich auch im Verhalten der Gefängnismitarbeiter. Anhand der Überwachungskameras sei geprüft worden, ob der Beschwerdeführer nicht beim Gefängnis auftauche und es sei gleichentags Anzeige erstattet worden. Da die Gefängnismitarbeiter der Forderung des Beschwerdeführers nicht nachgekommen seien, sei es beim Versuch geblieben. Der Tatbestand der versuchten Befreiung von Gefangenen im Sinne von Art. 310 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB sei erfüllt.» (E.2.3).
«Der Beschwerdeführer bringt vor, die Gefängnisbeamtin habe ausgesagt, dass sie die Drohungen nicht ernst genommen und keine Angst gehabt habe. Der Gefängnisbeamte habe ausgesagt, dass er dem Beschwerdeführer das Know-How für die Beschaffung und den Bau einer Bombe nicht zutraue. Dabei beruft sich der Beschwerdeführer auf einzelne Aussagen der Gefängnismitarbeiter. Die Vorinstanz hat unter Berücksichtigung der weiteren Aussagen und des Verhaltens der Gefängnismitarbeiter indes überzeugend dargelegt, dass diese sich in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt gefühlt haben (oben E. 2.3). In der ausgesprochenen Bombendrohung ist zweifellos die Androhung eines ernstlichen Nachteils zu erkennen. Die vom Beschwerdeführer zur Befreiung eines Insassen ausgesprochene Bombendrohung war nach einem objektiven Massstab geeignet, die Gefängnismitarbeiter in ihrer Freiheit der Willensbildung oder -betätigung zu beschränken. Damit ist der objektive Tatbestand der Drohung erfüllt und die Rüge erweist sich als unbegründet. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie die Aussagen des Beschwerdeführers als Drohung im Sinne von Art. 310 Ziff. 1 StGB wertet.» (E.2.4).
Weitere Punkte im Urteil
Weiter geht es im Urteil noch um stationäre Massnahmen und die Abstützung der Vorinstanz auf das entsprechende Sachverständigengutachten (E.3.1 ff.). Das wird hier nicht weiter vertieft.