Urteil 7B_843/2023
Dezember 1, 2023 4:11 pm

Im Urteil 7B_843/2023 vom 20. November 2023 (zur amtl. Publikation vorgesehen) aus dem Kanton Luzern geht es um die Anordnung und Fortsetzung von Sicherheitshaft während des massnahmenrechtlichen selbstständigen gerichtlichen Nachverfahrens nach Art. 363 ff. StPO (E.2). Zu prüfen ist dabei gemäss dem Bundesgericht in einem ersten und zentralen Schritt, ob im hängigen Nachverfahren die Anordnung einer freiheitsentziehenden Sanktion ernsthaft droht. Im vorliegenden Fall geht es um die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 StGB) nach Art. 65 Abs. 1 StGB (E.4.3.1). Das Bundesgericht hat, wie es im Urteil bemerkt, die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 65 Abs. 1 StGB bis als zulässig erachtet, wenn sich nach der Rechtskraft des Urteils neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben haben, welche die Voraussetzungen einer Massnahme begründen können sowie andere Voraussetzungen erfüllt sind (E.4.3.2). Das Bundesgericht verweist dann aber auf ein neueres, einschränkendes EGMR-Urteil: «Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Urteil W.A. gegen die Schweiz indessen nun klargestellt, dass ein Zurückkommen auf einen rechtskräftigen Entscheid zu Ungunsten einer Person konventionsrechtlich nur zulässig sei, wenn die neuen Tatsachen und Beweismittel die abgeurteilten Taten oder die Schuldfrage beeinflussen würden (vgl. Urteil des EGMR W.A. gegen die Schweiz vom 2. November 2021, Nr. 38958/16, § 42-45 und § 71). Neue Tatsachen und Beweismittel, welche lediglich die nachträgliche Anordnung einer Sanktion begründen, reichen gemäss dieser jüngsten Rechtsprechung des EGMR nicht aus.» (E.4.3.3.).