Entsiegelungsverfahren
August 12, 2024 4:47 am

Im Urteil 7B_56/2023 vom 24. Juni 2024 aus dem Kanton Luzern befasste sich das Bundesgericht mit der Tragung der Kosten bei einem durch das Zwangsmassnahmengericht als gegenstandlos abgeschriebenen Entsiegelungsverfahren. Das Bundesgericht erklärte hierzu u.a. Folgendes: «Die StPO enthält keine Bestimmung über die Kostenfolgen im Fall, dass ein Entsiegelungsverfahren gegenstandslos wird. Art. 428 Abs. 1 StPO, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, regelt die Kostentragung im Rechtsmittelverfahren der StPO und ist nach der Rechtsprechung auf erstinstanzliche Entscheide, worunter auch Entsiegelungsentscheide des Zwangsmassnahmengerichts fallen, nicht anwendbar (BGE 138 IV 225 E. 8.2; Urteile 6B_1185/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.2; 6B_90/2017 vom 22. November 2017 E. 5.3). Das Bundesgericht hat es in einem vergleichbaren Fall für bundesrechtskonform erachtet, dass die Vorinstanz aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes entscheidet und in erster Linie auf den mutmasslichen Verfahrensausgang abstellt. Sofern sich dieser mühelos ermitteln lasse, so der Entscheid, bestehe kein Raum für die allgemeine Regel, wonach jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig werde, die durch den Rückzug ihres Begehrens die Gegenstandslosigkeit zu verantworten habe (siehe Urteil 1B_115/2017 vom 12. Juni 2017 E. 2.3.1 mit Hinweisen; unter Verweis auf dieses Urteil auch DAMIAN K. GRAF, Praxishandbuch zur Siegelung, 2022, S. 159). Hiervon abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.» (E.2.2). Das Bundesgericht wies die Beschwerde gegen die Kostenauflage an den Beschwerdeführer ab (E.3).

August 7, 2024 4:33 am

Im Urteil 7B_203/2023 vom 26. Juli 2024 aus dem Kanton Zürich behandelte das Bundesgericht ein Entsiegelungsverfahren, bei welchem der Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, u.a. mit den folgenden Ausführungen: «Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 StPO haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch dient der Sachaufklärung und garantiert den Verfahrensbeteiligten ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht. Sie haben insbesondere Anspruch auf Äusserung zur Sache vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids […]. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst zudem das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können, unabhängig davon, ob die Eingaben neue oder wesentliche Vorbringen enthalten […].» (E.2.2.1). «Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids […]. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen die Gehörsverletzung nicht besonders schwer wiegt und dadurch geheilt wird, dass die Partei, deren rechtliches Gehör verletzt wurde, sich vor einer Instanz äussern kann, welche sowohl die Tat- als auch die Rechtsfragen uneingeschränkt überprüft […].» (E.2.2.2). 

Juli 23, 2024 2:23 pm

Im Urteil 7B_805/2023, 7B_806/2023 vom 28. Juni 2024 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit dem beliebten Thema des Entsiegelungsverfahrens. Das Bundesgericht entschied den Fall wie folgt: «Die Vorinstanz [Bezirksgericht Pfäffikon, Zwangsmassnahmengericht] überlässt - ohne weitere Begründung - die "Entsiegelung, Aussonderung und Durchsuchung" hinsichtlich der im Entsiegelungsverfahren GT230004 sichergestellten Datenträger und Aufzeichnungen der Beschwerdegegnerin [Staatsanwaltschaft See/Oberland]. Wenn sie mithin die Triage an die Beschwerdegegnerin als Strafverfolgungsbehörde delegiert, anstatt sie selber vorzunehmen oder von einer beigezogenen sachverständigen Person vornehmen zu lassen, ist dies nicht mit dem Bundesrecht vereinbar. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet.» (E.2.2).  

Oktober 10, 2023 4:02 am

Im Urteil 7B_487/2023 vom 25. September 2023 aus dem Kanton Zürich befasst sich das Bundesgericht mit einem Entsiegelungsfall, genauer mit dem Antrag, die Durchsuchung erst nach Aussonderung der Anwaltskorrespondenz freizugeben. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde wie folgt gut: ««Der Beschwerdeführer hat im vorinstanzlichen Verfahren klar zum Ausdruck gebracht, dass geschützte Anwaltskorrespondenz per E-Mail geführt worden sei und die fragliche E-Mail-Adresse ("xxx") angegeben. Damit hat er plausibel vorgebracht, dass bereits vor seiner Verhaftung ein Mandatsverhältnis bestand und Korrespondenz erfolgte, welche einem absoluten Beschlagnahme- und Entsiegelungsverbot unterliegt […]. Einer weiteren Substanziierung bedurften die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht. Damit steht fest, dass die geschützte Anwaltskorrespondenz, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, auszusondern ist. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich begründet.» (E.3.2)

Februar 10, 2023 2:36 pm

Im Urteil 1B_563/2022 vom 19. Januar 2023 befasste sich das Bundesgericht der Frage der Substanziierungspflicht im Entsiegelungsverfahren. Im konkreten Fall wurde die Aussonderung von Anwaltskorrespondenz verlangt, unter Angabe der beiden relevanten Anwaltskanzlei-E-Mail-Adressen. Das Bundesgericht erklärte hierzu: «Die prozessuale Obliegenheit, angerufene Geheimhaltungsinteressen ausreichend zu substanziieren, ist kein Selbstzweck, sondern soll dem Zwangsmassnahmengericht eine sachgerechte und gezielte Triage ermöglichen […]. Praxisgemäss ist es hierfür ausreichend, wenn der Speicherort der geschützten Anwaltskorrespondenz und die Namen der Anwältinnen und Anwälte bekannt sind, da so ohne Weiteres mittels Suchfunktion nach der geschützten Anwaltskorrespondenz gesucht werden kann und eine Aussonderung ohne grossen Aufwand bzw. aufwändige Nachforschungen möglich ist.» (E.3.3.1). Das Gesagte ist indessen insoweit zu präzisieren, als auf eine Nennung des exakten Speicherorts nur dann verzichtet werden darf, wenn offensichtlich ist, wo diejenigen Daten abgelegt sind, die dem angerufenen Geheimnisschutz unterliegen sollen.» (E.3.3.2). Diese Ausführungen sind selbstverständlich nicht auf Anwaltskorrespondenz beschränkt.