Anklageprinzip und Anklagen von Verkehrsregelverletzungen
Im Urteil 7B_286/2022 vom 22. Oktober 2024 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit einer (glimpflich verlaufenen) Kollision zwischen einem Auto mit einem Zug und der entsprechenden SVG-Anklage gegen den Automobilisten (bzw. Beschwerdeführer). Einerseits äusserte sich das Bundesgericht dabei zum Anklagegrundsatz (E.2.1.1). Andererseits ging es im Detail auf Anklagen nach Art. 90 SVG ein (E.2.1.2), hier ein Auszug: «Nach der Rechtsprechung muss die Anklage wegen grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG eine hinreichende Darstellung des Tatbestandsmerkmals der "ernstlichen Gefahr für die Sicherheit anderer" enthalten […]. Nebst dem muss klar sein, ob der beschuldigten Person Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorgeworfen wird. Dies gilt grundsätzlich auch für die Anklage von Verkehrsregelverletzungen, die sowohl bei vorsätzlicher als auch bei fahrlässiger Begehung strafbar sind (vgl. Art. 90 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 SVG). Hinweise auf eine fehlende Aufmerksamkeit in der Anklage beinhalten in der Regel einen Vorwurf der Fahrlässigkeit, während die Formulierungen "mit Wissen und Willen" bzw. "in Kauf genommen" mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 StGB auf Vorsatz bzw. Eventualvorsatz hindeuten. Bei einer Anklage wegen Verletzung der Verkehrsregeln ist daher von einer angeklagten fahrlässigen Tatbegehung auszugehen, es sei denn, die Anklage beinhalte einen darüber hinausgehenden Vorwurf eines vorsätzlichen Handelns. […] Schildert die Anklage kein bewusstes Verhalten, ist daher von einer fahrlässigen Verletzung der Verkehrsregeln auszugehen, dies insbesondere bei Verkehrsregelverletzungen, die unter den angeklagten Umständen typischerweise durch fehlende Aufmerksamkeit im Strassenverkehr begangen werden […]» (E.2.1.2). Weiter geht es auch um Anklageergänzungen im Berufungsverfahren (E.2.3).