Art. 147 StPO

Anspruch auf Konfrontation

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September 10, 2024 1:19 pm

Im Urteil 6B_920/2023 vom 22. August 2024 aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden befasste sich das Bundesgericht mit dem Konfrontationsanspruch. In Bestätigung seiner Praxis bestätigte das Bundesgericht den unbedingten Anspruch auf eine Konfrontation. Es führte u.a. aus: «Die mit dem Teilnahmerecht (Art. 147 StPO) und dem Konfrontationsanspruch (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK) gewährten Garantien sind nicht deckungsgleich und zu unterscheiden. Daraus ergibt sich, dass die Wiederholung einer Einvernahme mit erstmaliger Einräumung des Konfrontationsrechts im Sinne des Mindeststandards der EMRK dazu dient, sämtliche vorhandenen, früheren Aussagen einer Verwertbarkeit zuzuführen, während es bei der Wiederholung einer in Missachtung des Teilnahmerechts von Art. 147 Abs. 1 StPO abgehaltenen Einvernahme unter erstmaliger Wahrung des Teilnahmerechts darum geht, überhaupt erst verwertbare Aussagen zu schaffen (vgl. zum Ganzen Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.7.1-1.6.7.3 [zur Publikation bestimmt]).» (E.2.1.3). Das Bundesgericht hiess die Beschwerde wie folgt gut: «Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz den Beschwerdegegner in Nachachtung von Art. 343 Abs. 2 und Art. 389 Abs. 2 lit. a StPO als Auskunftsperson zur Berufungsverhandlung hätte vorladen müssen, um den verfassungsmässigen Anspruch der Beschwerdeführerin auf wenigstens eine einmalige Konfrontation zu erfüllen. Die Beschwerde erweist sich insoweit als begründet. Das angefochtene Urteil ist dementsprechend aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird den Beschwerdegegner parteiöffentlich zu befragen und unter Berücksichtigung dieser Einvernahme einen neuen Entscheid zu fällen haben. In Anbetracht dieses Verfahrensausgangs braucht auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen zu werden.» (E.2.5).

Juli 8, 2024 12:01 pm

Vielleicht der strafrechtliche BGE des Jahres 2024? Im Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht ausführlich mit der Verwertbarkeit von Beweisen, einerseits privaten Videoaufnahmen und andererseits auf Einvernahmen, bei denen Teilnahmerecht von Mitbeschuldigten (in unzulässiger Weise) nicht gewahrt wurde. Der Entscheid ist eine absolute Muss-Lektüre bei Verwertbarkeitsfragen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde u.a. wie folgt gut: «Zwar können eine Verletzung des Teilnahmerechts und deren Folgen nicht losgelöst vom Konfrontationsanspruch nach Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK beurteilt werden; die beiden Garantien sind jedoch nicht deckungsgleich und zu unterscheiden: Art. 147 StPO sieht ein Recht auf Teilnahme für sämtliche Verfahrensparteien bei allen staatsanwaltschaftlichen bzw. von der Staatsanwaltschaft an die Polizei delegierten sowie gerichtlichen Beweiserhebungen vor, verknüpft mit der Folge der Unverwertbarkeit des Beweises im Fall, dass das Teilnahmerecht unzulässigerweise eingeschränkt wurde. Der menschenrechtliche Standard von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK beinhaltet dagegen ein Recht allein der beschuldigten Person auf lediglich einmalige Konfrontation mit dem Belastungszeugen im gesamten Verfahren, wobei die Gewährleistung dieses Rechts Voraussetzung für die Verwertbarkeit sämtlicher belastender Aussagen dieses Zeugen bildet. Art. 147 StPO geht folglich in persönlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht über den Mindestanspruch der EMRK hinaus […]» (E.1.6.7.3). «Die Rechtsprechung ist nach dem Gesagten anzupassen. Die Voraussetzungen dafür liegen vor (vgl. BGE 149 II 381 E. 7.3.1; 149 V 177 E. 4.5; je mit Hinweisen). Zusammenfassend gilt demnach, dass eine Einvernahme, an der das Teilnahmerecht der beschuldigten Person gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO unzulässigerweise nicht gewährleistet war und die daher gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht verwertet werden darf, auch nach einer Wiederholung der Einvernahme unter Wahrung des Teilnahmerechts bzw. unter hinreichender Konfrontation weiterhin unverwertbar im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO bleibt. Eine spätere Einräumung des Teilnahmerechts bzw. Gewährleistung der Konfrontation führt nicht zur Verwertbarkeit von nach Art. 147 Abs. 4 StPO unverwertbaren Einvernahmen.» (E.1.6.7.4).