7B_469/2023
Oktober 11, 2024 11:43 am

Im Urteil 7B_469/2023 vom 3. September 2024 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit der Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem «Verbot der reformatio in peius» nach Art. 391 Abs. 2 StPO im Berufungsverfahren (bei fehlender Berufung oder Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft). Das Bundesgericht entschied den Fall mit den folgenden zwei Absätzen: «Nach Art. 391 Abs. 1 StPO ist die Rechtsmittelinstanz bei ihrem Entscheid nicht gebunden an die Begründungen der Parteien (lit. a) und an die Anträge der Parteien, ausser wenn sie Zivilklagen beurteilt (lit. b). Sie darf gemäss Absatz 2 derselben Bestimmung Entscheide nicht zum Nachteil der beschuldigten oder verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist. Vorbehalten bleibt eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten. Weiter darf sie gemäss Art. 391 Abs. 3 StPO Entscheide im Zivilpunkt nicht zum Nachteil der Privatklägerschaft abändern, wenn nur von dieser ein Rechtsmittel ergriffen worden ist. Das Bundesgericht hat in BGE 147 IV 167 erwogen, die in Art. 391 Abs. 2 StPO vorgesehene Schutzwirkung würde vereitelt, wenn die Anschlussberufung das Schlechterstellungsverbot überschiessend - über die zulasten des Beschuldigten gestellten Anträge hinaus - beseitigen würde. Dies gelte sinngemäss auch, wenn zulasten der beschuldigten Person eigenständig Berufung erhoben werde. Ein zulasten des Beschuldigten erhobenes Rechtsmittel mache den erstinstanzlichen Entscheid im Rahmen der gestellten Anträge zum Gegenstand des zweitinstanzlichen Prozesses (a.a.O. E. 1.5.3 mit Hinweisen; etwa bestätigt in: Urteile 6B_1524/2022 vom 7. Juni 2024 E. 3.2.2; 6B_652/2023 vom 11. Dezember 2023 E. 5.3.2; vgl. zum Verbot der "reformatio in peius" auch BGE 149 IV 91).» (E.2.2). «Die Staatsanwaltschaft hat die erstinstanzliche Strafzumessung weder selbständig noch mit Anschlussberufung angefochten, was ihr frei gestanden wäre. Sie hat sich vor Vorinstanz einzig gegen die erstinstanzlich nicht angeordnete Landesverweisung gewendet. Insoweit steht es in Einklang mit Bundesrecht, wenn sich die Vorinstanz für die Frage der Strafzumessung an die vom Beschuldigten gestellten Anträge und somit an das Verbot der "reformatio in peius" nach Art. 391 Abs. 2 StPO gebunden sieht. Denn die Anträge des Beschuldigten zielten einzig auf eine Reduktion der Strafe, und nicht etwa auf eine Erhöhung, ab.» (E.2.3).