7B_324/2023
Januar 15, 2024 4:53 am

Im Urteil 7B_322/2023, 7B_323/2023, 7B_324/2023 vom 27. Dezember 2023 aus dem Kanton Zug geht es um Ausstandbegehren gegen einen Ersatzoberrichter und einen Gerichtsschreiber des Obergerichts des Kantons Zug. Das Bundesgericht äussert sich u.a. wie folgt zur richterlichen Unabhängigkeit: «Richterliche Unabhängigkeit bedeutet zunächst einmal die Unabhängigkeit vor externer Einflussnahme, namentlich durch die anderen Staatsgewalten oder die Parteien […]. Eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK liegt dabei nicht erst dann vor, wenn die richterliche Unabhängigkeit im konkreten Fall tatsächlich beeinträchtigt ist, sondern bereits dann, wenn ein entsprechender Anschein besteht […]. Es gilt nicht bloss tatsächliche Loyalitätskonflikte zu verhindern, sondern auch das notwendige Vertrauen der Rechtssuchenden in die richterliche Unabhängigkeit der Gerichte zu erhalten […], weshalb auch das äussere Erscheinungsbild eines Gerichts den Eindruck der Unabhängigkeit zu vermitteln hat […]. Diese Grundsätze schlagen sich auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nieder. Dieser hat wiederholt eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit festgestellt, obwohl die jeweiligen Gerichtspersonen in ihrer rechtsprechenden Funktion nicht (direkt) weisungsgebunden waren oder ihnen eine solche Weisungsfreiheit sogar gesetzlich zugesichert wurde, und ohne dass Anzeichen für eine konkrete externe Einflussnahme vorgelegen hätten. Ausschlaggebend war, dass die betroffenen Gerichtspersonen in jeweils anderer Funktion gegenüber der (am Verfahren beteiligten) Verwaltung oder gegenüber den Strafbehörden in einem Weisungsverhältnis standen, womit zumindest der Anschein bestand, dass es an der erforderlichen Unabhängigkeit gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK mangle […]» (E.4.3.2). «Vorliegend streitig ist in erster Linie nicht die Unabhängigkeit des Gerichts gegen aussen, sondern jene des Beschwerdegegners 1 innerhalb des Gerichts. Die vorgenannten Grundsätze und Präjudizien können jedoch analog auf diese Situation übertragen werden. Kerngehalt der richterlichen Unabhängigkeit ist die Weisungsfreiheit der Gerichtsmitglieder, was mit Blick auf die interne Unabhängigkeit bedeutet, dass formelle Hierarchien innerhalb eines Gerichts unzulässig sind. Problematisch sind indessen nicht nur formelle Hierarchien innerhalb eines Gerichts. Auch Einflüsse, welche sich aus sogenannt informellen Hierarchien ergeben können, sind geeignet, die interne richterliche Unabhängigkeit zu gefährden […].» (E.4.3.3). Das Bundesgericht verneint die Ausstandpflicht der beiden Gerichtspersonen nach langen Ausführungen (E.4.4). Das Urteil ist «must read» zu Fragen des Ausstandes von Gerichtspersonen.