Anklage im Fall Pierin Vincenz ist nicht zu ausführlich und Anspruch auf Übersetzung nicht verletzt
Das Bundesgericht heisst im Urteil 7B_256/2024, 7B_347/2024 vom 17. Februar 2025 die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich im Zusammenhang mit den vom Zürcher Obergericht festgestellten Mängeln im Verfahren gegen Pierin Vincenz und weitere Beschuldigte gut. Entgegen der Ansicht des Obergerichts ist die Ausführlichkeit der Anklageschrift nicht zu beanstanden und wurde der Anspruch auf Übersetzung nicht verletzt. Die Sache wird zur Durchführung des Berufungsverfahrens ans Obergericht zurückgewiesen. Das Bundesgericht erklärt u.a.: «Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO verlangt eine "möglichst kurze, aber genaue" Umschreibung der Sachverhaltselemente, die für eine Subsumtion unter die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllten Straftatbestände (vgl. Art. 325 Abs. 1 lit. g StPO) erforderlich sind [...]. Die Anklageschrift soll sich deshalb grundsätzlich auf das Notwendigste beschränken und auf Weitschweifigkeiten verzichten, um zu vermeiden, dass durch eine zu ausführliche Darstellung und Erörterung das Gericht zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst wird [...]. Eine Anklageschrift kann deshalb als nicht im Sinne von Art. 329 Abs. 1 lit. a StPO ordnungsgemäss erstellt gelten, wenn sie derart ausschweifend oder unübersichtlich formuliert ist, dass der beschuldigten Person nicht klar sein kann, gegen welche Vorwürfe sie sich zu verteidigen hat [...]. Gleichsam kann sie auch aus Sicht der Waffengleichheit ordnungswidrig sein, weil sie etwa in unzulässiger Weise Verdachtsgründe anführt, eine Beweisführung vornimmt oder ausführliche Rechtserörterungen enthält und damit einem eigentlichen Plädoyer gleichkommt.» (E.3.6.2). «Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die von der Staatsanwaltschaft ins Auge gefassten Tatbestände, insbesondere der (gewerbsmässige) Betrug (Art. 146 StGB) bzw. die ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB), in rechtlicher Hinsicht kompliziert sind und hohe Anforderungen an die Umschreibung der Tathandlungen stellen. Das gilt etwa für die Arglistigkeit einer Täuschung als Tatbestandsmerkmal des Betrugs (Art. 146 StGB) : Aus der Anklageschrift muss sich ergeben, weshalb sich die eingesetzten Täuschungsmittel durch Raffinesse oder Durchtriebenheit auszeichnen und eine erhöhte Gefährlichkeit offenbaren. So kann es notwendig sein, in der Anklageschrift die Beziehungen zwischen den Beteiligten, Abläufe in einem Unternehmen oder Äusserungen und Schriftstücke zu beschreiben, aus denen auf besondere Machenschaften geschlossen werden kann [...]. Bei Art. 158 StGB sind an die Beschreibung der Pflichtverletzung und daran anknüpfend an den (Eventual-) Vorsatz hohe Anforderungen zu stellen, weil dieses Tatbestandsmerkmal vergleichsweise unbestimmt ist [...].» (E.3.8.3). «Die Schwere sowie die tatsächliche und rechtliche Komplexität der den sieben Beschuldigten vorgeworfenen Straftaten verlangen deshalb insgesamt nach einer deutlich überdurchschnittlich detaillierten Anklageschrift.» (E.3.8.4). «Die Anklage ist dem Beschuldigten nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel schriftlich zu übersetzen [...].» (E.4.3.2). «Anders als die Vorinstanz pauschal annimmt [...], genügt der Umstand, dass die Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 dem Beschwerdegegner 5 nicht übersetzt worden ist, für sich allein genommen noch nicht, um von einer Verletzung des Anspruchs auf Übersetzung der wesentlichen Inhalte der wichtigsten Verfahrensschritte oder des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV) auszugehen. Vielmehr ist zu prüfen, ob der Beschwerdegegner 5 nach den gesamten Umständen nicht in der Lage war, die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zu verstehen und sich dagegen zu verteidigen.» (E.4.4).