7B_1295/2024
April 1, 2025 2:08 pm

Im Urteil 7B_1295/2024 vom 19. März 2025 aus dem Kanton Bern befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob ein Anspruch auf telefonische Kontakte des Beschuldigten mit seiner Verteidigung besteht. Das Bundesgericht äussert sich einleitend wie folgt: «Jede Person gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig (Art. 32 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Art. 10 Abs. 1 StPO). Dementsprechend darf die strafprozessual inhaftierte beschuldigte Person in ihrer persönlichen Freiheit nicht stärker eingeschränkt werden, als es der Haftzweck sowie die Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt erfordern (Art. 235 Abs. 1 StPO). Die Kontakte zwischen der inhaftierten Person und anderen Personen bedürfen der Bewilligung der Verfahrensleitung. Besuche finden wenn nötig unter Aufsicht statt (Art. 235 Abs. 2 StPO). Die inhaftierte Person kann indessen nach Art. 235 Abs. 4 Satz 1 StPO frei und ohne inhaltliche Kontrolle mit der Verteidigung verkehren. Bei der Verteidigung handelt es sich demnach nicht um eine "andere Person" im Sinne von Art. 235 Abs. 2 StPO, deren Kontakt mit der inhaftierten Person durch die Verfahrensleitung zu bewilligen ist […]. Eine (befristete) Einschränkung dieses freien Verkehrs zwischen der inhaftierten Person und ihrer Verteidigung durch die Verfahrensleitung ist nach Art. 235 Abs. 4 Satz 2 StPO nur bei begründetem Verdacht auf Missbrauch und mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts zulässig. Von einer eigentlichen Einschränkung des freien Verkehrs im Sinne von Art. 235 Abs. 4 Satz 2 StPO zu unterscheiden sind administrative und organisatorische Schutzvorkehren zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt, welche lediglich die Modalitäten des Verkehrs mit der Verteidigung beschlagen […]. Die konkrete Ausgestaltung des Verkehrs der inhaftierten Person mit ihrer Verteidigung richtet sich nach kantonalem Vollzugsrecht (vgl. Art. 235 Abs. 5 StPO), wobei aber die bundesrechtlichen Vorgaben gewahrt werden müssen […]» (E.4). Im vorliegenden Fall schützt das Bundesgericht die Beschwerde wie folgt: Die Abweisung des Gesuchs des Beschwerdeführers um Erteilung einer "Dauertelefonbewilligung" durch die Staatsanwaltschaft bzw. die Abweisung der dagegen gerichteten Beschwerde durch die Vorinstanz ist bundesrechtswidrig. Der Beschwerdeführer verfügt gestützt auf Art. 235 Abs. 4 StPO über einen grundsätzlichen Anspruch auf telefonischen Verkehr mit seiner Verteidigung, weshalb sein Antrag auf Erteilung einer "Dauertelefonbewilligung" mit seiner Verteidigung gutzuheissen ist (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG). Die konkrete Ausgestaltung der Modalitäten des telefonischen Kontakts mit der Verteidigung obliegt den nach Massgabe des kantonalen Rechts zuständigen Vollzugsbehörden (Art. 235 Abs. 5 StPO).» (E.6.4).