Strafbarkeitsrisiken des Anwalts bei unterlassener Prüfung von Beilagen im Zivilprozess
Im Urteil 6B_899/2021 des Bundesgerichts vom 26. Januar 2023, welches nach einer öffentlichen Beratung und in Fünferbesetzung gefällt wurde, ging es um einen Anwalt, der in einem Prozess vor dem Arbeitsgericht Zürich eine Beilage einreichte, welche dem Bankgeheimnis unterworfene Informationen enthielt. Die Schlüsselfrage dabei war, ob es sich dabei um Eventualvorsatz oder um bewusste Fahrlässigkeit handelte. War das Obergericht Zürich als Vorinstanz noch verständnisvoll mit dem Anwalt, der offen einräumte, dass er die Beilage nicht vollständig selber gelesen hatte, sah das Bundesgericht es anders. Zunächst machte das Bundesgericht wichtige generell-abstrakte Ausführungen zu den Themen Vorsatz vs. Eventualvorsatz (E.3.5.1), der Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit (E.3.5.2) sowie zu seiner eigenen Kognition bei diesen Fragen (E.3.5.3). Das Bundesgericht stellte bei Anwalt vor allem die Verletzung der Sorgfaltspflicht ins Zentrum und hiess anschliessend die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft Zürich gut: «Aus der anwaltlichen Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung (Art. 12 lit. a BGFA) ergibt sich jedoch, dass ein Anwalt Dokumente, welche er von seinem Mandanten erhält und in einem Zivilprozess als Beweismittel einzureichen gedenkt, vollständig prüft und sich vergewissert, dass dort einerseits nichts steht, was die Beweiskraft des Dokuments schmälert […], und es andererseits keine Informationen enthält, die einer gesetzlichen Geheimhaltungsverpflichtung unterliegen.» (E.3.6.3).