Zustellung von Vorladungen im Berufungsverfahren
Im Urteil 6B_707/2023 vom 22. April 2024 aus dem Kanton Zürich hatte sich das Bundesgericht mit dem Thema der Frage der rechtsgültigen Zustellung einer Vorladung für die Berufungsverhandlung und der entsprechenden Rückzugsfiktion zu befassen. Das Urteil ist äusserst lesenswert, da es einerseits die formellen rechtliche Aspekte von Zustellungen im Detail erörtert und andererseits auch den Sachverhalt im vorliegenden Fall, einschliesslich Telefonaten zwischen Gerichtsschreiberin und Strafverteidiger, minutiös analysiert. Der Teufel lag in Details. Hier eine der Schlüsselstellen: «Dem Beschwerdeführer konnte vorliegend die Vorladung für die Berufungsverhandlung nicht direkt an seine letzte bekannte Adresse zugestellt werden. Auch eine Weiterleitung durch seinen Beistand scheiterte mangels Kenntnis des Aufenthaltsorts des Beschwerdeführers. Zwar unterliess es der Beschwerdeführer, der Vorinstanz oder seinem Vertreter spontan seine aktuelle Adresse mitzuteilen; im Gegensatz zum BGE 148 IV 362 zugrundeliegenden Sachverhalt war diesbezüglich jedoch keine ausdrückliche Weigerung - die weitere Zustellungsversuche obsolet gemacht hätte - bekannt. Dem Beschwerdeführer war auch das rechtliche Gehör in Bezug auf Art. 407 Abs. 1 lit. c StPO nicht gewährt worden. Die Berufungsverhandlung war sodann auf Ende Juni 2023 anberaumt und sowohl der Vertreter wie auch der Beistand stellten eine baldige Rückkehr des Beschwerdeführers in die Schweiz in Aussicht. Im Gegensatz zum Sachverhalt in BGE 149 IV 259 stand der Vertreter ausserdem in Kontakt mit dem Beschwerdeführer und hatte diesem die Vorladung elektronisch zugestellt, wobei Letzterer ihm seine Rückkehr in die Schweiz zugesichert habe. Somit waren bis zum 3. April 2023 weder alle zumutbaren Möglichkeiten zur Zustellung der Vorladung ausgeschöpft worden, noch liess das sonstige Verhalten des Beschwerdeführers auf ein grundsätzliches Desinteresse am Berufungsverfahren schliessen. Vor diesem Hintergrund erwies sich die gerichtsseitige Ansetzung einer Frist zwecks Bezeichnung eines Zustelldomizils als angebracht. Allerdings erfolgte die Fristansetzung formungültig.» (E.1.5.1).