6B_284/2024
Oktober 1, 2024 1:03 pm

Im Urteil 6B_284/2024 vom 4. September 2024 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit der Verletzung des Anklagegrundsatzes. Es äusserte sich u.a. wie folgt: «Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Solange klar ist, welcher Sachverhalt der beschuldigten Person vorgeworfen wird, kann auch eine fehlerhafte und unpräzise Anklage nicht dazu führen, dass es zu keinem Schuldspruch kommen darf. Die nähere Begründung der Anklage erfolgt an Schranken; es ist Sache des Gerichts, den Sachverhalt verbindlich festzustellen. Dieses ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1 StPO; […]» (E.1.1). ). «[…] In tatsächlicher Hinsicht ging die Staatsanwaltschaft zudem davon aus, dass der Zug normal zum Stillstand gebracht werden konnte, nachdem der Zugführer die Gefahr rechtzeitig erkannt und gesehen hatte, dass sich die Beschwerdegegnerin 2 bereits wieder aufs Perron gerettet hatte. Unter den gegebenen Umständen musste der Beschwerdeführer nicht mit einer Verurteilung wegen Gefährdung des Lebens rechnen und eine solche scheidet aus. Dies gilt umso mehr, als die Anklage auch den entsprechenden Tatbestand nicht nennt, sondern einzig denjenigen der versuchten vorsätzlichen Tötung aufführt. Der Anklagegrundsatz ist verletzt.» (E.1.2.2). Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut.