Abgrenzung von polizeilicher und strafprozessualer Tätigkeit
Im sehr lesenswerten Urteil 6B_194/2022 vom 12. Mai 2023 aus dem Kanton Luzern ging es um eine Kontrolle des Veterinärdienstes des Kantons Luzern wegen Kaninchen- und Hundehaltung. Zur Diskussion stand vor Bundesgericht die Frage ob es sich dabei um einer polizeiliche oder um eine strafprozessuale Massnahme handelte. Das Bundesgericht äusserte sich in diesem Fall eingehend zur «fliessend verlaufenden» Abgrenzung von polizeilicher und strafprozessualer Tätigkeit (E.2.5.2 ff.), u.a. wie folgt: «Die Grenze zwischen polizeirechtlicher und strafprozessualer Tätigkeit verläuft in der Praxis fliessend, und eine klare Trennung ist nicht immer möglich. Das entscheidende Abgrenzungskriterium für die Anwendbarkeit der StPO ist der strafprozessuale Anfangsverdacht […]. Übt die Polizei im Rahmen ihrer vom Gesetzgeber zugewiesenen Kernaufgaben zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor dem Vorliegen eines konkreten Tatverdachts und ohne Auftrag seitens der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts Tätigkeiten im Bereich der Verbrechensverhütung aus, handelt es sich dabei um sog. polizeiliche Vorermittlungen. Diese sind unterhalb der Schwelle des strafprozessualen Tatverdachts durchaus möglich […]. Solche polizeiliche Vorermittlungen werden nicht von den Bestimmungen der StPO zum Vorverfahren nach Art. 299 ff. StPO erfasst, sondern unterstehen dem kantonalen Polizeirecht […]. Ergibt sich aus dieser oder einer anderen allgemeinen Polizeitätigkeit ein Tatverdacht gegen eine bekannte oder unbekannte Täterschaft, richtet sich anschliessend die polizeiliche Tätigkeit nach der StPO und sie ermittelt nach Art. 306 ff. StPO.» (E.2.5.2).