Ausstandsgrund der «Feindschaft» nach Art. 56 lit. f StPO
Im Urteil 1B_209/2022 vom 22. Dezember 2022 aus dem Kanton Bern befasste sich das Bundesgericht mit dem Ausstand von Gerichtspersonen (Art. 56 ff. StPO). Dabei zeigte das Bundesgericht allgemein auf, in welcher Frist nach Art. 58 Abs. 1 StPO ein Gesuch um Ausstand «ohne Verzug» gestellt werden muss (E.2.1) und wie (hoch) die Anforderungen an die Ausstandsgründe, namentlich Art. 56 lit. f StPO, sind (E.3.1). Hier ist eine Schlüsselstelle aus dem Urteil: «Verbale Anfeindungen, Unterstellungen oder auch das Erheben einer Strafanzeige durch eine Partei vermögen für sich allein keinen Ausstandsgrund im Sinne von Art. 56 lit. f StPO zu begründen. Andernfalls hätte es die betreffende Partei in der Hand, einen Richter oder eine Richterin auf diesem Weg in den Ausstand zu versetzen und so die Zusammensetzung des Gerichts zu beeinflussen. Massgeblich ist in derartigen Fällen die Reaktion der betroffenen Gerichtsperson. Antwortet diese etwa mit einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung und Zivilforderungen, so erhält der Konflikt dadurch eine persönliche Dimension, welche ihre Unbefangenheit tangiert. Auch andere Formen der Reaktion, welche nicht mehr sachgerecht sind, können zu einem Ausstandsgrund führen.» (E.3.1. a.E.).