Strafzumessung bei MWST-Delikten

Im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 des Bundesgerichts vom 12. Juli 2023 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht ausführlich mit der Strafzumessung bei MWST-Delikten. Darin äussert sich das Bundesgericht u.a. wie folgt: «Dem Gesetzgeber war es ein Anliegen, unter neuem Recht bei der Berechnung der Mehrwertsteuerbusse vermehrt auch den finanziellen Verhältnissen der beschuldigten Person Rechnung zu tragen. Damit wollte er insbesondere sicherstellen, dass ohne Abklärung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, des Grundbedarfs sowie allfälliger Familien- und Unterstützungspflichten keine die wirtschaftliche Existenzgrundlage bedrohende Mehrwertsteuerbusse ausgesprochen wird bzw. die Mehrwertsteuerbusse auch in dieser Hinsicht verhältnismässig ist, was er mit dem Verweis in Art. 97 Abs. 1 MWSTG auf Art. 34 Abs. 2 StGB zum Ausdruck brachte. Gesetzgeberisches Ziel war es demgegenüber nicht, dass die Bussen neurechtlich automatisch tiefer auszufallen haben (BISCHOF, a.a.O., S. 495) und finanziell leistungsstarke Straftäter künftig milder zu bestrafen sind.» (E.10.3.2).

Sachverhalt

Die damalige Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) auferlegte A. mit Strafbescheid vom 24. März 2016 wegen mehrfacher vollendeter und mehrfacher versuchter Einfuhrsteuerhinterziehung eine Busse von Fr. 4’000’000.–. Die EZV warf A. vor, zahlreiche Kunstgegenstände bei der Einfuhr in die Schweiz nicht oder falsch angemeldet zu haben. A. erhob gegen den Strafbescheid Einsprache. Mit Strafverfügung vom 6. Oktober 2016 verurteilte die EZV A. erneut wegen mehrfacher vollendeter und mehrfacher versuchter Mehrwertsteuerhinterziehung zu einer Busse von Fr. 4’000’000.–.

Instanzenzug

Der A. verlangte eine gerichtliche Beurteilung. Die EZV überwies die Angelegenheit mit Verfügung vom 25. November 2016 an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zuhanden des zuständigen Gerichts mit dem Antrag, A. sei bezüglich der 152 in der Strafverfügung vom 6. Oktober 2016 beurteilten Fälle der vollendeten, vorsätzlich begangenen Einfuhrsteuerhinterziehung im Sinne von Art. 96 Abs. 4 lit. a i.V.m. Art. 97 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) schuldig zu sprechen und zu einer Busse von Fr. 4’000’000.– zu verurteilen. Eventualiter sei A. der mehrfachen vollendeten, fahrlässig begangenen Steuerhinterziehung im Sinne von Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG schuldig zu sprechen und mit einer angemessenen Busse zu bestrafen.

Das Bezirksgericht Bülach verurteilte A. mit Urteil vom 4. Mai 2018 wegen mehrfacher Steuerhinterziehung im Sinne von Art. 85 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG; in Kraft bis am 31. Dezember 2009; AS 2000 1300) und Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG zu einer Busse von Fr. 4’000’000.–. Gegen dieses Urteil erhoben A. Berufung und die EZV Anschlussberufung.

Das Obergericht des Kantons Zürich stellte das Verfahren gegen A. am 4. Juni 2020 bezüglich einzelner Fall-Dossiers ein. In weiteren Fall-Dossiers sprach es ihn vom Vorwurf der Steuerhinterziehung frei. Im Übrigen bestätigte es die erstinstanzlichen Schuldsprüche. Es bestrafte A. mit einer Busse von Fr. 2’503’000.–.

Gegen dieses Urteil gelangten A. und die damalige EZV mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Dieses hiess die Beschwerde der EZV gut, es hob das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. Juni 2020 auf und wies die Sache zur erneuten Berechnung der Busse an die Vorinstanz zurück. Die Beschwerde von A. wies es ab, soweit darauf einzutreten war (Urteil 6B_938/2020 und 6B_942/2022 vom 12. November 2021).

Das Obergericht des Kantons Zürich bestrafte A. mit Urteil vom 12. August 2022 mit einer Busse von Fr. 3’098’485.–.

Weiterzug ans Bundesgericht

Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 12. August 2022 sei aufzuheben und die Sache sei zur neuen Beurteilung an das Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen (Verfahren 6B_1186/2022).

Der A. führt ebenfalls Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil vom 12. August 2022 sei aufzuheben und die Busse angemessen zu reduzieren. Eventualiter sei die Sache zur Neufestsetzung bzw. Reduktion der Busse an die Vorinstanz zurückzuweisen (Verfahren 6B_1193/2022).

Der. A. beantragt in seiner Vernehmlassung, auf die Beschwerde des BAZG sei nicht einzutreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Die Vorinstanz und die Oberstaatsanwaltschaft verzichteten auf eine Stellungnahme (je Verfahren 6B_1186/2022).

Im Verfahren 6B_1193/2022 wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023

Der Beschwerdeführer 1 rügt zusammengefasst vor Bundesgericht, die Vorinstanz habe im angefochtenen Entscheid zu Unrecht die Bussenbandbreiten aus dem aufgehobenen Urteil vom 4. Juni 2020 übernommen, das Kumulationsprinzip falsch angewandt und keine Neubeurteilung vorgenommen. Da die Höhe des hinterzogenen Betrags bereits für die Bestimmung des Bussenrahmens massgebend sei, könne der hinterzogene Betrag nicht zusätzlich für die Beurteilung der Schwere des Einzeldelikts und die Festlegung der Busse innerhalb des Bussenrahmens herangezogen werden. Die Vorinstanz habe die hinterzogenen Beträge zu Unrecht gegenseitig verglichen und gestützt darauf die Schwere der Tat festgelegt. Dies habe dazu geführt, dass in 121 Fall-Dossiers noch vor der Reduktion wegen langer Verfahrensdauer eine Busse von unter 10% des Bussenrahmens, in zwölf Fall-Dossiers eine Busse von 10% bis 20% des Bussenrahmens, in vier Fall-Dossiers eine Busse zwischen 20% und 30% des Bussenrahmens und in einem Fall-Dossier eine Busse von knapp über 30% des Bussenrahmens resultiert habe, obschon die Vorinstanz von einem vorsätzlichen Handeln, deutlich erschwerenden Umständen und aussergewöhnlich guten finanziellen Verhältnissen ausgehe und sie selbst darauf hinweise, dass der Bussenrahmen nicht nur für vorsätzliche Taten, sondern auch für fahrlässige Handlungsweisen gelte. Insbesondere bei den altrechtlich behandelten zwölf Fall-Dossiers mit „variierendem oder fliessendem Bussenrahmen“ habe die Vorinstanz im Ergebnis Bussen im Fahrlässigkeitsbereich festgesetzt, dies trotz übriger Zumessungskriterien, die kaum schwerer wiegen könnten (E.3.1).

Der Beschwerdegegner 1 argumentiert in seiner Stellungnahme vor Bundesgericht im Wesentlichen, die Vorinstanz habe weder das Kumulationsprinzip noch das Doppelverwertungsverbot verletzt. Ein wertender Vergleich und eine Kategorisierung der einzelnen Delikte sei zulässig. Ebenso wenig habe die Vorinstanz die Bindungswirkung des Urteils 6B_938/2020 und 6B_942/2020 vom 12. November 2021 missachtet. (E.3.2)

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023 einleitend allgemein wie folgt:

«Gemäss Art. 85 Abs. 1 aMWSTG wird mit Busse bis zum Fünffachen der hinterzogenen Steuer oder des unrechtmässigen Vorteils bestraft, wer vorsätzlich sich oder einem andern einen unrechtmässigen Steuervorteil verschafft, namentlich die Steuer hinterzieht, auch indem er für sich eine unrechtmässige Befreiung, Vergütung, Rückerstattung oder einen unrechtmässigen Abzug von Steuern erwirkt. Wer durch fahrlässiges Verhalten sich oder einem andern einen unrechtmässigen Steuervorteil verschafft, wird mit Busse bis zum Einfachen des unrechtmässigen Vorteils bestraft (Art. 85 Abs. 3 aMWSTG).  

Am 1. Januar 2010 ist das neue Mehrwertsteuergesetz in Kraft getreten. Gemäss Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG wird mit Busse bis zu Fr. 800’000.– bestraft, wer die Steuerforderung zulasten des Staates verkürzt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig bei der Einfuhr Waren nicht oder unrichtig anmeldet oder verheimlicht. Sofern der durch die Tat erzielte Steuervorteil höher ist als die Strafdrohung, kann die Busse bei vorsätzlicher Begehung bis zum Doppelten des Steuervorteils erhöht werden (Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG).» (E.3.3)

Zum Fall nimmt das Bundesgericht im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023 zunächst wie folgt Stellung:

«Die Vorinstanz geht von korrekten oberen Bussenrahmen von Fr. 2’503’257.60 (Fall-Dossier 121; Doppeltes des Steuervorteils, vgl. Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG), vom Fünffachen der hinterzogenen Steuer (übrige zwölf Fälle aus dem Jahr 2009; vgl. Art. 85 Abs. 1 aMWSTG) bzw. von jeweils Fr. 800’0000.– (Fälle aus der Zeit ab 2010 mit einem Steuervorteil von weniger als Fr. 800’000.–; vgl. Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG) aus (vgl. angefochtenes Urteil E. 2.3.1 f. S. 58). Ebenso wenig kann ihr zum Vorwurf gemacht werden, sie habe das Bundesgerichtsurteil 6B_938/2020 und 6B_942/2020 vom 12. November 2021 missachtet und die einzelnen Strafen erneut asperiert, da sie die einzelnen Bussen im Gegenteil explizit addiert (vgl. angefochtenes Urteil E. 7 S. 72).» (E.3.5)

Zur Strafzumessung im Steuerrecht erklärt das Bundesgericht im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023 generell-abstrakt Folgendes:

«Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die Strafzumessung nur ein, wenn das Sachgericht den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn es von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.6; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft die Höhe von Steuerhinterziehungsbussen lediglich unter dem Gesichtspunkt der Überschreitung bzw. des Missbrauchs des Ermessens. Entsprechend greift es nur ein, wenn die Vorinstanz nicht von den rechtlich massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder die Busse willkürlich hart oder milde angesetzt hat (BGE 144 IV 136 E. 9.1; 114 Ib 27 E. 4a).» (E.3.6.1).

«Gemäss Art. 2 VStrR gelten die allgemeinen Bestimmungen des StGB für Taten, die in der Verwaltungsgesetzgebung des Bundes mit Strafe bedroht sind, soweit das VStrR oder das einzelne Verwaltungsgesetz nichts anderes bestimmt. Bussen bis zu Fr. 5’000.– sind nach der Schwere der Widerhandlung und des Verschuldens zu bemessen; andere Strafzumessungsgründe müssen nicht berücksichtigt werden (Art. 8 VStrR). Der Gesetzgeber hat Art. 8 VStrR im MWSTG – trotz des Verweises in Art. 97 Abs. 1 MWSTG auf Art. 34 und 106 Abs. 3 StGB – nicht für unanwendbar erklärt (CLAVADETSCHER/BOSSART MEIER, in: Kommentar MWSTG, Geiger/Schluckebier [Hrsg.], 2. Aufl. 2019, N. 7 zu Art. 97 MWSTG; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 11 N. 71; JACQUES PITTET, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2015, N. 7 zu Art. 97 MWSTG). Für Bussen über Fr. 5’000.– ist Art. 8 VStrR jedoch nicht einschlägig. Insoweit berechnet sich die Busse daher nach den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen. Gemäss Art. 2 VStrR und Art. 97 Abs. 1 MWSTG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 StGB bemisst das Gericht die Busse je nach den Verhältnissen des Täters so, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist. Weiter gelangen auch im Mehrwertsteuerstrafrecht die Strafzumessungsgrundsätze von Art. 47 StGB zur Anwendung (vgl. Art. 2 VStrR und Art. 333 Abs. 1 StGB). Danach misst das Gericht die Strafe nach dem objektiven und subjektiven Verschulden des Täters zu (Art. 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB; BGE 142 IV 137 E. 9.1; 141 IV 61 E. 6.1.1; 129 IV 6 E. 6.1). Es berücksichtigt zudem das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Täters, die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters sowie dessen Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren (sog. Täterkomponenten; Art. 47 Abs. 1 Satz 2 StGB; BGE 141 IV 61 E. 6.1.1; 129 IV 6 E. 6.1).  Hauptsächliche Strafzumessungsgründe bilden im Steuerstrafrecht neben dem Verschulden die Höhe der hinterzogenen Steuer (Taterfolg), die Art und Weise der Herbeiführung des Taterfolges, die Beweggründe, die persönlichen Verhältnisse und insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse (BGE 144 IV 136 E. 7.2.2; Urteil 2C_298/2020 vom 9. Oktober 2020 E. 11.1). Die Täterkomponenten, wozu auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der beschuldigten Person gehören, können im Anwendungsbereich des VStrR und des MWSTG lediglich bei Bussen bis zu Fr. 5’000.– unberücksichtigt bleiben (vgl. JONAS ACHERMANN, in: Basler Kommentar, Verwaltungsstrafrecht, 2020, N. 14 und 35 zu Art. 8 VStrR).» (E.3.6.2)

Fallbezogen fährt das Bundesgericht im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023 dann zu den altrechtlichen Bussen fort:

«Der Beschwerdeführer 1 rügt zu Recht, die Bemessung der altrechtlichen Bussen sei nicht nachvollziehbar und verstosse gegen Bundesrecht. Kennt der anwendbare Straftatbestand, wie dies bei Art. 85 Abs. 1 aMWSTG und Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG der Fall ist, keinen generell-abstrakten oberen Bussenrahmen, sondern lediglich einen oberen Bussenrahmen für den Einzelfall, der sich an der Höhe der hinterzogenen Steuer oder des unrechtmässigen Vorteils orientiert, kann für die Frage, ob die Busse im oberen oder unteren Bereich dieses individuellen Bussenrahmens anzusetzen ist, nicht erneut auf die Höhe der hinterzogenen Steuer abgestellt werden mit der Begründung, der Deliktsbetrag sei gering bzw. besonders hoch. Dies hätte zur Folge, dass die Busse bei einem geringen hinterzogenen Betrag im unteren Bereich des individuellen Bussenrahmens festzulegen wäre, obschon sich der geringe Deliktserfolg bereits im tiefen oberen Bussenrahmen widerspiegelt. Umgekehrt wäre die Busse bei einem hohen Deliktsbetrag im oberen Bereich des ohnehin bereits hohen oberen Bussenrahmens zu bemessen. Dies käme einem Verstoss gegen das Doppelverwertungsverbot gleich (vgl. DANIEL HOLENSTEIN, Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht aus dem zweiten Halbjahr 2020, ASA 89 772). Das Doppelverwertungsverbot besagt, dass Umstände, die zur Anwendung eines höheren oder tieferen Strafrahmens führen, innerhalb des geänderten Strafrahmens nicht noch einmal als Straferhöhungs- oder Strafminderungsgrund berücksichtigt werden dürfen, weil dem Täter sonst der gleiche Umstand zweimal zur Last gelegt oder zugute gehalten würde (BGE 142 IV 14 E. 5.4; 141 IV 61 E. 6.1.3; je mit Hinweisen). Indem die Vorinstanz die Bussen bei einem geringen deliktischen Erlös ausgehend von einem „leichten“ objektiven Tatverschulden zumindest vordergründig im unteren Bereich des individuellen Bussenrahmens und bei einem hohen deliktischen Erlös (vgl. dazu den Fall 121; nachfolgend E. 3.9) ausgehend von einem „schweren“ bzw. „erheblichen“ objektiven Tatverschulden im oberen bzw. einem höheren Bereich des individuellen Bussenrahmens festlegte, hat sie daher gegen das Doppelverwertungsverbot verstossen. Der erzielte Steuervorteil findet bei einem individuellen, sich am Steuervorteil orientierenden Bussenrahmen über den anzuwendenden Koeffizienten bzw. Bussenfaktor Eingang in die Strafzumessung. Mit Art. 85 Abs. 1 aMWSTG und Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG und dem Doppelverwertungsverbot unvereinbar ist es nach dem Gesagten, einzig aufgrund der Höhe des erzielten Steuervorteils innerhalb des individuellen, sich am Fünffachen (Art. 85 Abs. 1 aMWSTG) bzw. am Doppelten (Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG) dieses Steuervorteils orientierenden Bussenrahmens von einem massgeblich höheren oder niedrigeren Koeffizienten bzw. Bussenfaktor auszugehen, da die erwähnten Bestimmungen im Gegenteil einen linearen Strafrahmen vorsehen. Im Übrigen bleibt die Vorinstanz auch eine Erklärung schuldig, weshalb sich ein hoher Deliktsbetrag bezüglich der zu beurteilenden Einzeltat unabhängig von den übrigen Tatumständen überproportional schwer auf das Verschulden auswirken soll.» (E.3.7.1)

«Nach der zu Art. 175 Abs. 2 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) ergangenen Rechtsprechung entspricht die Steuerbusse bei vorsätzlicher Tatbegehung ohne besondere Umstände in der Regel dem Einfachen der hinterzogenen Steuer (Koeffizient bzw. Bussenfaktor von 1 bzw. 100%). Bei einem schweren Verschulden ist daher grundsätzlich eine Busse über dem Einfachen der hinterzogenen Steuer auszusprechen (BGE 144 IV 136 E. 7.2.1 mit Hinweisen). Das „Regelstrafmass“ von Art. 175 Abs. 2 DBG (Einfaches der hinterzogenen Steuer) kommt zur Anwendung für die vorsätzlich begangene Steuerhinterziehung, es sei denn, es lägen Strafminderungs- oder Strafschärfungsgründe vor (vgl. Urteile 2C_298/2020 vom 9. Oktober 2020 E. 11.1; 2C_113/2018 vom 25. November 2019 E. 4.2.2). Dieser Grundsatz ist im DBG explizit verankert (Art. 175 Abs. 2 DBG; vgl. auch Art. 56 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Das „Regelstrafmass“ ist nicht systematisch anzuwenden, sondern blosser Ausgangspunkt für die Strafzumessung nach dem Verschuldensprinzip (BGE 134 III 59 E. 2.3.1; Urteil 2C_298/2020 vom 9. Oktober 2020 E. 12.3; SIEBER/MALLA, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 4. Aufl. 2022, N. 46 zu Art. 175 DBG).  

Widerhandlungen gegen Art. 85 aMWSTG durch Hinterziehung der Einfuhrsteuer (Nicht- oder Falschdeklaration bei der Einfuhr von Waren in die Schweiz) sind von ihrem Unrechtsgehalt her mit der Hinterziehung von direkten Steuern vergleichbar. Auch bei der vorsätzlichen vollendeten Hinterziehung der Einfuhrsteuer im Sinne von Art. 85 Abs. 1 aMWSTG muss Ausgangspunkt für die Strafzumessung daher ein Strafmass im Bereich des Einfachen der hinterzogenen Steuer sein. Ausgehend davon ist die Strafe aufgrund der übrigen Strafzumessungsfaktoren, namentlich der konkreten Tatumstände und des subjektiven Tatverschuldens sowie bei Bussen über Fr. 5’000.– (vgl. Art. 8 VStrR; vorne E. 3.6.2) in Berücksichtigung der persönlichen und insbesondere der wirtschaftlichen Verhältnisse, zu mindern oder zu schärfen. Hingegen rechtfertigt es sich nicht, die Busse für eine vorsätzliche vollendete Hinterziehung der Einfuhrsteuer vor Berücksichtigung allfälliger strafmindernder Faktoren trotz ausgesprochen guter finanzieller Verhältnisse und eines organisierten Vorgehens unter dem Einfachen der hinterzogenen Steuer, d.h. innerhalb des Strafrahmens für fahrlässige Mehrwertsteuerhinterziehungen (vgl. Art. 85 Abs. 3 aMWSTG), bzw. trotz ausgesprochen guter finanzieller Verhältnisse und erschwerender Tatumstände lediglich beim Einfachen der hinterzogenen Steuer festzulegen. Dies ergibt sich bereits aus den gesetzlich festgelegten Bussenrahmen von bis zum Einfachen des unrechtmässigen Vorteils bei Fahrlässigkeit (vgl. Art. 85 Abs. 3 aMWSTG) und bis zum Fünffachen der hinterzogenen Steuer oder des unrechtmässigen Vorteils bei vorsätzlicher Tatbegehung (Art. 85 Abs. 1 aMWSTG). Eine einheitliche Rechtsanwendung muss auch im Mehrwertsteuerstrafrecht gewährleistet sein. Dass die Gerichte bei der Strafzumessung im Rahmen von Art. 85 Abs. 1 aMWSTG über ein grosses Ermessen verfügen, bedeutet nicht, dass sie die Busse nach Belieben festlegen dürfen. Zu betonen ist jedoch, dass die relevanten Strafzumessungsfaktoren auch im Mehrwertsteuerstrafrecht zu beachten sind und es nicht darum geht, bei Vorsatz unter Ausblendung der übrigen Strafzumessungskriterien systematisch eine Busse in der Höhe des Einfachen der hinterzogenen Steuer auszusprechen, was einem Verstoss gegen Art. 8 VStrR, Art. 106 Abs. 3 und Art. 47 StGB gleichkäme.» (E.3.7.2)

«Obschon die Vorinstanz bezüglich der unter E. 5.1 und 5.2 des angefochtenen Entscheids behandelten Fälle Vorsatz, zusätzliche erschwerende Umstände (Auslagerung der Kunstgegenstände aus einem offenen Zolllager mit anschliessendem Export zwecks illegaler Einfuhr in die Schweiz bzw. Falschanmeldung unter Verwendung fiktiver Rechnungen) und eine „ganz erhebliche“ bzw. eine „erhebliche“ kriminelle Energie annimmt (vgl. angefochtenes Urteil S. 67 f.), beläuft sich die Busse trotz der ausgesprochen günstigen finanziellen Verhältnisse des Beschwerdegegners 1 vor Berücksichtigung der „langen Verfahrensdauer“ im Bereich des Einfachen der hinterzogenen Steuer, teilweise auch darunter (vgl. etwa den Fall 107), dies bei einem Strafrahmen, der bis zum Fünffachen der hinterzogenen Steuer reicht. Hinsichtlich der übrigen altrechtlichen Fälle verneint die Vorinstanz erschwerende Umstände, die für eine über das grundsätzlich organisierte Vorgehen hinausgehende kriminelle Energie sprechen (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.3.1 S. 67 f.). In diesen Fällen setzt sie die Busse vor Berücksichtigung der „langen Verfahrensdauer“ trotz der vorsätzlichen Tatbegehung und des „grundsätzlich organisierten“ (d.h. direktvorsätzlichen) Vorgehens teils deutlich unter dem Einfachen der hinterzogenen Steuer fest (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.3.2 S. 68).  

Damit hat die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeschöpft, für die Strafzumessung relevante Umstände (Vorsatz; erschwerende Umstände) im Ergebnis unberücksichtigt gelassen bzw. in Verletzung ihres Ermessens falsch gewichtet und trotz vorsätzlicher Tatbegehung Bussen im Fahrlässigkeitsbereich der jeweiligen Bussenrahmen festgelegt. Die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 ist in diesem Punkt daher gutzuheissen und die Angelegenheit zur erneuten Strafzumessung an die Vorinstanz zurückzuweisen.» (E.3.7.3).

Zu den neurechtlichen Bussen erklärt das Bundesgericht im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023 Folgendes:

«Die Strafzumessung in den neurechtlichen Fällen richtet sich nach Art. 96 Abs. 4 lit. a und Art. 97 Abs. 1 MWSTG. Ziel des in Art. 96 ff. MWSTG verankerten neuen Konzepts des Mehrwertsteuerstrafrechts war es, der steuerpflichtigen Person mehr Rechtssicherheit zu geben, sie bei Bagatelltatbeständen vor einer Kriminalisierung zu schützen und umgekehrt schwere Delikte strenger zu ahnden. Weiter sollte mit dem neuen Konzept eine Trennung von Steuererhebungs- und Strafverfahren herbeigeführt werden zwecks Wahrung der strafprozessualen Verfahrensrechte, insbesondere des in Art. 104 Abs. 2 und 3 MWSTG explizit verankerten Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrechts (vgl. BGE 148 IV 96 E. 4.4.2 mit Hinweisen; PIRMIN BISCHOF, Revision des MWST-Verfahrensrechts und MWST-Strafrechts, Erläuterung der vom Nationalrat vorgenommenen Anpassungen, der Schweizer Treuhänder 2009/6-7, S. 492 ff.). Die Bestimmungen des VStrR, die den rechtskräftigen Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht für die Strafgerichte für verbindlich erklären (vgl. Art. 77 Abs. 4 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 und 2 VStrR) und die Strafverfolgungsbehörden verpflichten, mit dem Strafverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht zuzuwarten (vgl. Art. 69 Abs. 2 und Art. 73 Abs. 1 letzter Satz VStrR), wurden in Art. 103 Abs. 1 MWSTG für das Mehrwertsteuerstrafverfahren daher für nicht anwendbar erklärt. Die Strafverfolgungsbehörden können den deliktischen Taterfolg für das Strafverfahren folglich unabhängig von der Steuerbehörde festlegen (vgl. Art. 103 Abs. 1 MWSTG). Sie können im Strafverfahren „in dubio pro reo“ von einem niedrigeren Deliktserlös ausgehen als die Steuerbehörde oder strafrechtlich nicht verwertbare Beweise aus dem Verwaltungsverfahren unberücksichtigt lassen.  Mit der betragsmässigen Festsetzung eines Bussenrahmens in Art. 96 MWSTG wollte der Gesetzgeber ermöglichen, dass das Strafverfahren EMRK-konform unabhängig vom Veranlagungsverfahren durchgeführt werden kann (BISCHOF, a.a.O., S. 495). Bei vorsätzlichen Mehrwertsteuerhinterziehungen wird Art. 96 MWSTG jedoch durch die Bestimmung von Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG relativiert, die für den oberen Bussenrahmen weiterhin auf den erzielten Steuererlös abstellt, sofern der durch die Tat erzielte Steuervorteil höher ist als die Strafdrohung von Art. 96 MWSTG.» (E.3.8.1)

«Gemäss Art. 97 Abs. 1 zweiter Halbsatz MWSTG kann Art. 34 StGB sinngemäss herangezogen werden. Mit dem Verweis auf Art. 34 StGB wollte der Gesetzgeber herausstreichen, dass bei der Strafzumessung vermehrt auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nicht mehr primär auf den Taterfolg abgestellt werden soll (BISCHOF, a.a.O., S. 496).  Der Verweis in Art. 97 Abs. 1 zweiter Halbsatz MWSTG auf Art. 34 StGB bezieht sich demnach in erster Linie auf dessen Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3. Gemäss Art. 34 Abs. 2 Satz 4 StGB bestimmt sich die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum. Gleiches ergibt sich bereits aus Art. 97 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz MWSTG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 StGB und Art. 8 VStrR e contrario, wonach für die Berechnung von Bussen über Fr. 5’000.– namentlich auch die finanziellen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen sind (oben E. 3.6.2). Art. 34 Abs. 3 StGB i.V.m. Art. 97 Abs. 1 zweiter Halbsatz MWSTG verpflichtet die Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden zudem, die für die Bestimmung des Tagessatzes erforderlichen Auskünfte zu geben.» (E.3.8.2)

«Demgegenüber regeln Art. 34 Abs. 1 und 2 Satz 1 bis 3 StGB die Anzahl Tagessätze und deren Höhe, wobei eine Geldstrafe neurechtlich in der Regel maximal 180 Tagessätze zu Fr. 3’000.– beträgt (Art. 34 Abs. 1 und 2 Satz 1 StGB, in Kraft seit dem 1. Januar 2018). Altrechtlich betrug die Geldstrafe maximal 360 Tagessätze zu Fr. 3’000.– (vgl. aArt. 34 Abs. 1 Satz 1 StGB, Fassung gültig bis am 31. Dezember 2017). Massstab für die Strafandrohung von Art. 96 Abs. 4 MWSTG war offenbar die altrechtliche Geldstrafe von maximal 360 Tagessätzen zu Fr. 3’000.–, d.h. von maximal Fr. 1’080’000.– (BISCHOF, a.a.O., S. 495). Entgegen einer in der Lehre vertretenen Auffassung (vgl. PITTET, a.a.O., N. 9 zu Art. 97 MWSTG) lässt sich aus Art. 97 Abs. 1 zweiter Halbsatz MWSTG (Verweis auf Art. 34 StGB) jedoch nicht ableiten, die Steuerhinterziehungsbusse habe sich an der Geldstrafe gemäss Art. 34 Abs. 1 StGB zu orientieren, nachdem Art. 96 und 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG explizit einen anderen Bussenrahmen vorgeben und die Steuerhinterziehungsbusse auch nicht mit einer Geldstrafe vergleichbar ist, die sich nach völlig anderen Grundsätzen bemisst. Ohnehin beträgt die Geldstrafe seit Inkrafttreten des revidierten Art. 34 StGB am 1. Januar 2018 in der Regel noch höchstens 180 Tagessätze zu Fr. 3’000.–, d.h. maximal Fr. 540’000.– (Art. 34 Abs. 1 und 2 StGB). Mit der Reduktion der Geldstrafe von altrechtlich höchstens 360 Tagessätzen auf neurechtlich 180 Tagessätze ging nicht eine mildere, sondern eine härtere Bestrafung einher, da die Geldstrafe zugunsten der Freiheitsstrafe im Bereich der mittelschweren Kriminalität (Strafen von 181 bis 360 Tagessätzen) zurückgedrängt wurde (vgl. BGE 147 IV 241 E. 4).» (E.3.8.3)

«Der Fall 121 beurteilt sich in Anwendung von Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG (angefochtenes Urteil E. 6.1 S. 68 f.), da der durch die Tat erzielte Steuervorteil von Fr. 1’251’628.80 höher ist als die Strafdrohung von Busse bis Fr. 800’000.– gemäss Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG. Der obere Bussenrahmen beträgt wie dargelegt Fr. 2’503’257.60 (Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG). Die Vorinstanz setzt die Busse im Fall 121 vor Berücksichtigung der „langen Verfahrensdauer“ (vgl. dazu nachfolgend E. 5) auf Fr. 1’700’000.– fest und damit mehr als 1 /3 über dem Einfachen des erzielten Steuervorteils sowie im oberen Drittel des Bussenrahmens. Sie berücksichtigt nebst dem Taterfolg in der Höhe des erzielten Steuererlöses auch das konkrete Tatvorgehen sowie die äusserst günstigen finanziellen Verhältnisse des Beschwerdegegners 1. Dass die Vorinstanz damit das ihr zustehende Ermessen geradezu missbraucht und die strafzumessungsrelevanten Faktoren offensichtlich falsch gewichtet haben könnte, zeigt der Beschwerdeführer 1 nicht rechtsgenügend auf. Dies ist auch nicht ersichtlich.» (E.3.9)

«In den übrigen neurechtlichen Fällen beträgt der obere Bussenrahmen Fr. 800’000.– (Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG). Das objektive Tatverschulden, wozu der Taterfolg in Form des erzielten Steuererlöses gehört, ist unter neuem Recht weiterhin ein relevanter und wichtiger Strafzumessungsfaktor (vgl. Art. 8 VStrR; Art. 97 Abs. 1 Satz 1 MWSTG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 StGB). Auch im Rahmen von Art. 96 MWSTG kann die Busse trotz der fixen Maximalbeträge daher nicht losgelöst von jeglichen Überlegungen zur Höhe der hinterzogenen Steuer festgelegt werden. Dies gilt insbesondere für die vorsätzliche Mehrwertsteuerhinterziehung, die sich nach oben nach wie vor am Betrag des erzielten Steuervorteils orientiert (vgl. Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG). Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG gelangt dem Wortlaut der Bestimmung folgend nur zur Anwendung, sofern der durch die Tat erzielte Steuervorteil höher ist als die Strafdrohung von Art. 96 MWSTG. Dies hat im Ergebnis einen wenig kohärenten oberen Bussenrahmen zur Folge, da die Busse für eine vorsätzliche Hinterziehung der Einfuhrsteuer im Sinne von Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG bei einem geringen deliktischen Erlös rein theoretisch ein Vielfaches, bei einem Steuervorteil von Fr. 400’000.– das Doppelte, darüber und bis Fr. 800’000.– weniger als das Doppelte bzw. lediglich das Einfache und über Fr. 800’000.– erneut das Doppelte der hinterzogenen Steuer betragen kann. Ausgangspunkt für die Strafzumessung muss dennoch wie altrechtlich auch unter neuem Recht der (ungefähre) Deliktserlös bilden, wobei der strafrechtlich relevante Deliktserlös wie dargelegt angesichts des im Strafrecht geltenden Grundsatzes „in dubio pro reo“ mit dem von den Steuerbehörden errechneten Betrag nicht zwingend identisch sein muss (oben E. 3.8.1). Ausgehend davon ist die Strafzumessung – wie unter altem Recht (vgl. oben E. 3.7.2) – innerhalb des Bussenrahmens in Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse sowie der übrigen strafzumessungsrelevanten Faktoren vorzunehmen.» (E.3.10.1)

Allgemein führt das Bundesgericht im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023 aus:

«Dem Gesetzgeber war es ein Anliegen, unter neuem Recht bei der Berechnung der Mehrwertsteuerbusse vermehrt auch den finanziellen Verhältnissen der beschuldigten Person Rechnung zu tragen. Damit wollte er insbesondere sicherstellen, dass ohne Abklärung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, des Grundbedarfs sowie allfälliger Familien- und Unterstützungspflichten keine die wirtschaftliche Existenzgrundlage bedrohende Mehrwertsteuerbusse ausgesprochen wird bzw. die Mehrwertsteuerbusse auch in dieser Hinsicht verhältnismässig ist, was er mit dem Verweis in Art. 97 Abs. 1 MWSTG auf Art. 34 Abs. 2 StGB zum Ausdruck brachte (vgl. oben E. 3.8.2). Gesetzgeberisches Ziel war es demgegenüber nicht, dass die Bussen neurechtlich automatisch tiefer auszufallen haben (BISCHOF, a.a.O., S. 495) und finanziell leistungsstarke Straftäter künftig milder zu bestrafen sind. BISCHOF, der an der Ausarbeitung des neuen Art. 96 MWSTG als Mitglied der nationalrätlichen Kommission beteiligt war (vgl. BGE 148 IV 96 E. 4.4.2; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 11 N. 2 ff.; CLAVADETSCHER/BOSSART MEIER, a.a.O., N. 6 Vorbem. Art. 96-106 MWSTG), vertritt in diesem Zusammenhang gar die Auffassung, der in Art. 96 MWSTG vorgesehene Strafrahmen könne im Einzelfall beispielsweise auch ausgeschöpft werden, wenn nur eine Steuer von Fr. 10’000.– hinterzogen worden sei und die persönlichen Verhältnisse des Täters (Einkommensmillionär) es rechtfertigen (BISCHOF, a.a.O., S. 495).» (E.3.10.2).

Fallbezogen erklärt das Bundesgericht im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023:

«Die Vorinstanz berücksichtigt bei der Festsetzung der Busse innerhalb des Bussenrahmens von Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG nebst den finanziellen Verhältnissen zu Recht das objektive und subjektive Tatverschulden des Beschwerdegegners 1. Auch insofern fällt jedoch auf, dass sie die Bussen vor Berücksichtigung der „langen Verfahrensdauer“ trotz der vorsätzlichen Tatbegehung, erschwerender Umstände (Auslagerung der Objekte aus dem offenen Zolllager mit anschliessendem Export via Transitabfertigung; Falschanmeldung unter Verwendung fiktiver Rechnungen) und der ausgesprochen guten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdegegners 1 im Bereich des Einfachen der hinterzogenen Steuer bzw. teils darunter festlegt (vgl. angefochtenes Urteil E. 6.2.1 und 6.2.2 S. 69 f.). Hinsichtlich der übrigen neurechtlichen Fälle verneint die Vorinstanz erschwerende Umstände, die für eine über das grundsätzlich organisierte Vorgehen hinausgehende kriminelle Energie sprechen (vgl. angefochtenes Urteil E. 6.2.3 S. 71). In diesen Fällen setzt die Vorinstanz die Busse vor der strafmindernden Berücksichtigung der „langen Verfahrensdauer“ trotz der vorsätzlichen Tatbegehung und des „grundsätzlich organisierten“ (d.h. direktvorsätzlichen) Vorgehens teils deutlich unter dem Einfachen der hinterzogenen Steuer fest (vgl. angefochtenes Urteil E. 6.2.3 S. 71). Dies gilt insbesondere für den Fall 321, in welchem die Vorinstanz trotz ausserordentlich guter finanzieller Verhältnisse, einer vorsätzlicher Tatbegehung und eines Deliktserfolgs von rund Fr. 100’000.– vor Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer eine Busse von lediglich Fr. 85’000.– als angemessen erachtet (vgl. angefochtenes Urteil E. 6.2.3 S. 71). Die Vorinstanz hat das ihr zustehende Ermessen daher auch insofern nicht ausgeschöpft, für die Strafzumessung relevante Umstände (Vorsatz; erschwerende Umstände) im Ergebnis unberücksichtigt gelassen bzw. in Verletzung ihres Ermessens falsch gewichtet und trotz vorsätzlicher Tatbegehung teilweise Bussen im Fahrlässigkeitsbereich festgelegt. Diesbezüglich kann auf das zuvor Gesagte verwiesen werden (oben E. 3.7.3). Eine künftig mildere Bestrafung von finanziell leistungsstarken Tätern war kein gesetzgeberisches Ziel von Art. 96 MWSTG (oben E. 3.10.2). Die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 ist folglich auch bezüglich der im angefochtenen Urteil unter E. 6.2.1 bis 6.2.3 beurteilten neurechtlichen Fälle (den Fall 121 ausgenommen) gutzuheissen und die Angelegenheit zur erneuten Strafzumessung an die Vorinstanz zurückzuweisen.» (E.3.10.3).

Weitere Punkte im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023  

Das Urteil des Bundesgerichts geht noch auf weitere Punkte ein, auf welche hier nicht weiter eingegangen wird, wie u.a. die Abklärung der finanziellen Verhältnisse sowie die Verfahrensdauer.

Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut (E.6).

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