Sachverhalt
Das Bezirksgericht Zürich erklärte A. mit Urteil vom 8. Dezember 2021 des versuchten Mordes im Sinne von Art. 112 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig. Vom Vorwurf des qualifizierten Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 und 4 StGB sprach es ihn frei. Es bestrafte ihn mit zehn Jahren Freiheitsstrafe. Zudem ordnete es eine Landesverweisung von zwölf Jahren an sowie deren Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS). Weiter verpflichtete es A., dem Privatkläger B. Fr. 5’000.– zzgl. 5 % Zins ab dem 1. Dezember 2019 als Genugtuung zu bezahlen. A., die Staatsanwaltschaft (bezüglich der Dauer der Freiheitsstrafe und der Landesverweisung) und B. (im Zivilpunkt) erhoben gegen dieses Urteil Berufung.
Instanzenzug
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 6. Dezember 2022 das erstinstanzliche Urteil im Schuld- und Strafpunkt sowie bezüglich der Landesverweisung inkl. Ausschreibung im SIS. Es verpflichtete A., B. Fr. 10’000.– zzgl. 5 % Zins seit dem 1. Dezember 2019 als Genugtuung zu bezahlen.
Dem Schuldspruch wegen versuchten Mordes liegt gemäss Bundesgericht u.a. folgender Sachverhalt zugrunde: Der A. stach am Morgen des 1. Dezember 2019 im Hinterhof einer Bar in Zürich unvermittelt mit einem Messer bzw. mit einem taschenmesserähnlichen Werkzeug auf B ein. Insgesamt fügte er diesem 19 Messerstiche zu, wovon deren 15 zu einer Durchtrennung des Unterhautgewebes und teilweise auch des Muskelgewebes am Oberkörper und am Hals führten, ohne dass dabei für B. allerdings konkrete Lebensgefahr bestand.
Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 6. Dezember 2022 sei aufzuheben, er sei vom Vorwurf des versuchten Mordes freizusprechen und stattdessen wegen einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verurteilen. Von der Anordnung einer Landesverweisung und der Ausschreibung der Landesverweisung im SIS sei abzusehen und die Zivilforderungen von B. seien abzuweisen. A. stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 6. Dezember 2022 sei aufzuheben, er sei vom Vorwurf des versuchten Mordes freizusprechen und stattdessen wegen einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verurteilen. Von der Anordnung einer Landesverweisung und der Ausschreibung der Landesverweisung im SIS sei abzusehen und die Zivilforderungen von B. seien abzuweisen. A. stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_208/2023 vom 8. Mai 2023
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung. Er rügt vor Bundesgericht, er habe nicht mit der Absicht gehandelt, den Beschwerdegegner 2 zu töten. Er sei in der Tatnacht vom Beschwerdegegner 2 und dessen Begleiter aus dem Nichts angegriffen und beraubt worden und er habe sich lediglich mit einer zufällig vom Boden aufgehobenen Scherbe gewehrt. Die Vorinstanz stelle zu Unrecht auf die teils krass widersprüchlichen und unglaubhaften Aussagen des Beschwerdegegners 2 ab. Dieser habe bezüglich des qualifizierten Raubes, des angeblichen Würgens sowie der Umstände, wie er ins Spital gekommen sei, die Unwahrheit gesagt. Der Beschwerdegegner 2 habe das Tatwerkzeug nicht gesehen, sondern lediglich gespürt. Er könne daher nicht mit Sicherheit beurteilen, ob er mit einem Messer oder mit einer Scherbe verletzt worden sei.
Das Bundesgericht erklärt im Urteil 6B_208/2023 vom 8. Mai 2023 einleitend zur Kognition das Folgende:
«Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen und ist damit Tatfrage, welche das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft (Art. 9 BV; BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 141 IV 369 E. 6.3 mit Hinweisen). Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz begründet ist (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 137 IV 1 E. 4.2.3; 135 IV 152 E. 2.3.2).» (E.1.2.2)
Zunächst setzt sich das Bundesgericht eingehend mit Sachverhaltsrügen des Beschwerdeführers auseinander und den detaillierten Sachverhaltserwägungen der Vorinstanz. Der Beschwerdeführer dringt damit nicht beim Bundesgericht durch (E.1.3).
Der Beschwerdeführer ficht weiter vor Bundesgericht die rechtliche Qualifikation als versuchter Mord an. Er macht dazu im Wesentlichen geltend, er habe nicht heimtückisch gehandelt. Sein Verhalten könne auch nicht als unmenschlich und aussergewöhnlich grausam qualifiziert werden. Hätte er die Tat geplant, hätte er ein tauglicheres Mittel verwendet sowie gezielter, tiefer und kräftiger zugestochen. Die Vorinstanz anerkenne zudem, dass bezüglich des Hintergrunds der Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Beschwerdegegner 2 keine Klarheit bestehe. (E.2.1)
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_208/2023 vom 8. Mai 2023 in lehrbuchartiger Form und unter Darstellung der eigenen Praxis wie wie folgt zur Qualifikation einer vorsätzlichen Tötung als Mord:
«Eine vorsätzliche Tötung ist als Mord zu qualifizieren, wenn der Täter besonders skrupellos handelt, namentlich wenn sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich sind (Art. 112 StGB). Mord zeichnet sich nach der Rechtsprechung durch eine aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens aus. Es geht um die besonders verwerfliche Auslöschung eines Menschenlebens. Für die Qualifikation verweist das Gesetz in nicht abschliessender Aufzählung auf äussere (Ausführung) und innere Merkmale (Beweggrund, Zweck). Diese müssen nicht alle erfüllt sein, um Mord anzunehmen (BGE 144 IV 345 E. 2.1.2; 141 IV 61 E. 4.1; 127 IV 10 E. 1a mit Hinweisen). Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung der äusseren und inneren Umstände der Tat. Eine besondere Skrupellosigkeit kann beispielsweise entfallen, wenn das Tatmotiv einfühlbar und nicht krass egoistisch war, so etwa, wenn die Tat durch eine schwere Konfliktsituation ausgelöst wurde (BGE 144 IV 345 E. 2.1.2; 141 IV 61 E. 4.1; 127 IV 10 E. 1a mit Hinweisen). Die massgeblichen Faktoren dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Besonders belastende Momente können durch entlastende ausgeglichen werden, wie umgekehrt auch erst das Zusammentreffen mehrerer belastender Umstände, die einzeln womöglich nicht ausgereicht hätten, die Tötung als ein besonders skrupelloses Verbrechen erscheinen lassen kann (BGE 144 IV 345 E. 2.1.2; Urteil 6B_877/2014 vom 5. November 2015 E. 6.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 465). Für Mord typische Fälle sind die Tötung eines Menschen zum Zwecke des Raubes, Tötungen aus religiösem oder politischem Fanatismus oder aus Geringschätzung (BGE 127 IV 10 E. 1a mit Hinweisen).» (E.2.2.1)
«Die Mordqualifikation kann auch bei unklarem Motiv zu bejahen sein, wenn etwa die Tatausführung und das Nachtatverhalten eine besondere Skrupellosigkeit erkennen lassen (BGE 144 IV 345 E. 2.4.1). Die Art der Tatausführung ist besonders verwerflich, wenn sie unmenschlich oder aussergewöhnlich grausam („barbare ou atroce“) ist bzw. wenn dem Opfer mehr physische oder psychische Schmerzen, Leiden oder Qualen zugefügt werden, als sie mit einer (versuchten) Tötung ohnehin verbunden sind (BGE 144 IV 345 E. 2.4.1; 141 IV 61 E. 4.1; Urteil 6B_877/2014 vom 5. November 2015 E. 6.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 465). Eine skrupellose Tatausführung wurde etwa bezüglich eines Täters bejaht, der seinem Opfer im Bett 47 Messerstiche versetzte und ihm die Kehle aufschnitt (BGE 141 IV 61 E. 4.2) oder eines Täters, der insgesamt elfmal mit einem Küchenmesser mit voller Kraft auf die fliehende, um Hilfe schreiende und das gemeinsame Kind auf dem Arm tragende Partnerin einstach (Urteil 6B_877/2014 vom 5. November 2015 E. 6.3, nicht publ. in: BGE 141 IV 465).
Die exzessive Art der Tötung mit zahlreichen Messerstichen lässt unter Berücksichtigung der Vorgeschichte und des Verhältnisses zwischen Täter und Opfer regelmässig Rückschlüsse darauf zu, ob die Tat besonders grausam, kaltblütig oder von krasser Missachtung fremden Lebens geprägt ist (vgl. BGE 144 IV 345 E. 2.4.2). Im Entscheid BGE 144 IV 345 verneinte das Bundesgericht mit der Vorinstanz die für einen Mord erforderliche besondere Skrupellosigkeit, weil gestützt auf die psychiatrische Begutachtung die ernstzunehmende Möglichkeit im Raum stand, dass die nach objektiven Gesichtspunkten besonders brutale Begehungsweise (Tötung durch zahlreiche Messerstiche) anderen Gründen als einer ausserordentlichen Grausamkeit oder Kaltblütigkeit zuzuschreiben war (BGE, a.a.O., E. 2.4.2).» (E.2.2.2)
Im vorliegenden Fall bejahte das Bundesgericht die Qualifikation als Mord im Urteil 6B_208/2023 vom 8. Mai 2023 wie folgt:
«Die Vorinstanz qualifiziert die Tatausführung mittels der unvermittelten grossen Anzahl Messerstiche gegen den Hals und den Oberkörper des wehrlosen Beschwerdegegners 2 zu Recht als unmenschlich sowie aussergewöhnlich grausam und damit als besonders skrupellos im Sinne von Art. 112 StGB. Sie weist zutreffend darauf hin, dass es für diese Art der Tatausführung mittels eines Messers oder einer gleichwertigen Stichwaffe einer besonders hohen kriminellen Energie bedarf, welche die Abscheulichkeit der Tat erhöht.
Der Mordqualifikation steht gemäss den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz nicht entgegen, dass das Tatmotiv des Beschwerdeführers im Unklaren blieb, da dieser diesbezüglich falsche Angaben machte (angeblicher Angriff des Beschwerdegegners 2) und sich der Beschwerdegegner 2 nicht dazu äusserte bzw. anfänglich gar die Täterschaft des Beschwerdeführers verschwieg, um ein Einschalten der Polizei zu verhindern (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.2.3 S. 15).» (E.2.5)