Prüfung von Anstiftung bei fehlender Mittäterschaft im «Seefeld-Mord»

Im Urteil 6B_452/2023 vom 20. Oktober 2023 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit der zweiten Person im «Seefeld-Mord» (Beschwerde gegen Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 26. August 2022 (SB200132)). Da die Mittäterschaft vom Bundesgericht verneint wurde (E.3.7.2 und E.3.10) muss eine Mitwirkung im Sinne der Anstiftung nun vom Obergericht des Kantons Zürich geprüft werden (E.3.10). Dazu das Bundesgericht: «Die Anstiftung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 StGB verlangt, dass die psychisch-geistige Beeinflussung des Anstifters kausal für den Tatentschluss des Angestifteten war und es ohne die Beeinflussung folglich nicht zur Tat gekommen wäre […]. Kann dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Mord vom 30. Juni 2016 kein mittäterschaftlicher Tatbeitrag nachgewiesen werden, hat die Vorinstanz daher zu prüfen, ob sich dieser der Anstiftung zu Mord im Sinne von Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 112 StGB strafbar gemacht hat. » (E.3.8). Das Urteil ist insbesondere ist sehr interessant wegen der generell-abstrakten Ausführungen des Bundesgerichts zur Mittäterschaft (E.3.2) und zur Anstiftung (E.3.3).

Sachverhalt

Der A. der und B. verbüssten je eine mehrjährige Freiheitsstrafe in der Strafanstalt Pöschwies, wo sie sich anfreundeten. A. trat am 23. Juni 2016 einen unbegleiteten Hafturlaub an. Am Abend kehrte er nicht wie ihm geheissen in die Strafanstalt zurück, sondern begab sich zu einem früheren Bekannten. In der Zeit zwischen dem 24. und 25. Juni 2016 verfasste er auf dem Tablet dieses Bekannten einen „Erpresserbrief“, in welchem er die Regierung von Zürich im Namen einer anonymen Täterschaft aufforderte, B. bis am 29. Juni 2016, um 9 Uhr, aus dem Gefängnis zu entlassen, ansonsten irgendwo in der Schweiz bis zur Entlassung von B. täglich eine unschuldige Person sterben werde, wobei angedroht wurde, dass A., welcher sich in Gewahrsam der Täterschaft befinde, als erstes getötet werde. Weiter erwähnte das „Erpresserschreiben“, dass bei jeder Leiche eine „Visitenkarte“ hinterlassen werde. A. bat seinen Bekannten, Fotoaufnahmen von ihm zu erstellen, auf welchen er mit Kabelbindern gefesselt, einem Klebeband über dem Mund, einem blutenden Kopf und lediglich mit einem weissen T-Shirt sowie einer Unterhose bekleidet auf dem Kellerboden liegend zu sehen war. Zu diesem Zweck entnahm sich A. mit einer Spritze Blut und liess dieses über seinen Kopf fliessen. Zwei dieser Fotoaufnahmen legte er zusammen mit einer Fotokopie des Tablets mit dem „Erpresserschreiben“ in ein Couvert, welches er per Post an den Kantonsrat Zürich sandte, wo es am 28. Juni 2016 eintraf.

Nach Ablauf des im „Erpresserschreiben“ auferlegten Ultimatums erwarb A. am 29. Juni 2016 in einer Coop-Filiale ein Fleischmesser mit einer ca. 18 cm langen Klinge. Danach hielt er in der Stadt Zürich nach einem geeigneten Opfer Ausschau. Nachdem er am 29. Juni 2016 keine geeignete Gelegenheit gefunden hatte, begab er sich am 30. Juni 2016 mit dem Fleischmesser erneut in die Stadt Zürich. Um ca. 13.40 Uhr befand er sich im Seefeldquartier, wo er den auf einer Mauer sitzenden und eine E-Zigarette rauchenden, ihm unbekannten 41-jährigen C. sah. In der Folge ging A. mit dem Messer in der rechten Hand hinter dem Rücken versteckt auf diesen zu und stach und schnitt danach mit der Messerklinge unvermittelt ohne Vorwarnung mit grosser Wucht von vorne, rechts seitlich und von hinten insgesamt fünfmal in den Kopf/Hals, Brustkorb, Oberarm und Rücken des Geschädigten. C. konnte sich noch ca. 100 Meter auf dem Gehweg in Richtung Bahnhof Stadelhofen schleppen, wo er zusammenbrach und verstarb. A. flüchtete nach der Tat und tauchte unter.

Die Anklage wirft B. vor, er und A. hätten sich ca. einen Monat vor dem unbegleiteten Hafturlaub von A. vom 23. Juni 2016 intensiv darüber Gedanken zu machen begonnen, wie sie gemeinsam am schnellsten aus der Strafanstalt Pöschwies fliehen könnten, wobei B. auf die Idee gekommen sei, dass A. anlässlich des Hafturlaubs die Gelegenheit wahrnehmen könnte, die Flucht zu ergreifen und ein „Erpresserschreiben“ an den Zürcher Kantonsrat zu verfassen, in welchem er namens einer unbekannten litauischen Täterschaft androhen würde, wahllos einen Menschen umzubringen, sollte B. nicht umgehend aus dem Gefängnis entlassen werden. Diesen Tatplan habe A. in der Folge stichwortartig auf einem Stück Papier aufgeschrieben, wobei B. ihm die Ideen und den Wortlaut (Wörter und Satzteile in gebrochenem Deutsch, Tonalität) vorgegeben und A. dies zu Papier gebracht habe. Ca. drei Tage vor dem anstehenden Hafturlaub seien beide zur festen Überzeugung gelangt, dass es nötig sei, irgend einen unbekannten Menschen zu töten, sollte der Kantonsrat dieser Forderung im „Erpresserschreiben“ nicht nachkommen. Beide seien willens und damit einverstanden gewesen, dass die Tötung ausgeführt würde, wenn nicht auf die Forderung eingegangen werde. Für den Fall, dass B. auch nach der (ersten) Tötung nicht aus der Haft entlassen würde, hätten sie vereinbart, dass im „Erpresserschreiben“ noch weitere Tötungsdelikte angedroht werden sollten, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. B. habe A. zudem den Ratschlag gegeben, das zufällig ausgewählte Opfer mit einer Schusswaffe zu töten. Ferner habe B. vorgeschlagen, im „Erpresserschreiben“ aufzuführen, dass A. in die Fänge einer unbekannten litauischen Täterschaft geraten sei und als erster getötet würde, wenn nicht auf die Forderung eingegangen werde. Um die angebliche Gefangenschaft von A. und die Brutalität der Entführer zu dokumentieren, sei B. auf die Idee gekommen, dem „Erpresserschreiben“ Fotoaufnahmen beizulegen, auf welchen A. gefesselt und geknebelt mit blutüberströmtem Kopf in einem Kellerverlies zu sehen sein würde (Anklageschrift S. 6). Des Weiteren hätten A. und B. besprochen und vereinbart, innert welcher Frist der Kantonsrat B. aus dem Gefängnis zu entlassen habe und dass man am Ort der Tötung einen Zettel mit einer Grussbotschaft hinterlassen würde (Anklageschrift S. 7).

Instanzenzug

Das Bezirksgericht Zürich sprach B. mit Urteil vom 30. Januar 2020 der Anstiftung zu Mord im Sinne von Art. 112 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB und der Anstiftung zur Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB schuldig. Von den Vorwürfen der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, der strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Mord im Sinne von Art. 260 bis Abs. 1 lit. b StGB und des mehrfachen versuchten Vergehens gegen das Waffengesetz im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a WG i.V.m. mit Art. 22 Abs. 1 StGB sprach es ihn frei. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 16 1 /2 Jahren und einer unbedingten Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu Fr. 10.–. Zudem verpflichtete es ihn, mehreren Privatklägern in solidarischer Haftung mit A. Schadenersatz- und Genugtuungszahlungen zu leisten. Von einer Verwahrung von B. sah es ab.  B. und die Staatsanwaltschaft erhobenen gegen dieses Urteil Berufung.

Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte B. am 26. August 2022 in Gutheissung der Berufung der Staatsanwaltschaft des Mordes im Sinne von Art. 112 StGB und der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig. Vom Vorwurf der strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Mord im Sinne von Art. 260 bis Abs. 1 lit. b StGB sprach es ihn frei. Die erstinstanzlichen Freisprüche wegen versuchter Nötigung und mehrfachen versuchten Vergehens gegen das Waffengesetz erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Das Obergericht verurteilte B. zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren und 3 Monaten. Den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verwahrung von B. wies es ab.  Das Obergericht erachtet den Anklagesachverhalt mit Einschränkungen als erstellt. Es geht mit dem Bezirksgericht davon aus, B. und A. hätten das „Erpresserschreiben“ inkl. Beilage von Fotos im Strafvollzug gemeinsam geplant und vorbereitet, wobei sich im Nachhinein nicht mehr sagen lasse, wer genau welchen Beitrag an das Schreiben geleistet habe bzw. wer genau welche Idee eingebracht habe. Entgegen der Anklage sei B. nicht ausschliesslicher Ideengeber und Verfasser des Inhalts des Erpresserschreibens gewesen. A. sei ebenfalls eine aktive Rolle zugekommen und er habe sich mit B. auf Augenhöhe bewegt. Beide hätten den Brief in gemeinsamem Zusammenwirken verfasst. Anders als das Bezirksgericht erachtet die Vorinstanz indes als erwiesen, dass A. bereits im Strafvollzug einen stichwortartigen Entwurf des „Erpresserschreibens“ verfasste, den er (dem nicht deutschsprachigen) B. vorlegte und der ihm als Vorlage für das später auf dem Tablet verfasste Schreiben diente. Nicht erstellen lässt sich gemäss dem Obergericht, dass B. A. den Ratschlag erteilte, das Opfer mit einer Schusswaffe zu töten.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der B. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 26. August 2022 sei teilweise aufzuheben, er sei von den Vorwürfen des Mordes und der Irreführung der Rechtspflege freizusprechen und es sei ihm eine angemessene Genugtuung zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. B. ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_452/2023 vom 20. Oktober 2023

Hier wird nicht auf alle Rügen, die meisten wurden vom Bundesgericht als unbegründet abgetan, eingegangen.

Zur gemeinsamen Tatbegehung (Mittäterschaft/Anstiftung)

Der Beschwerdeführer kritisiert die rechtliche Würdigung als Mord und Irreführung der Rechtspflege, begangen in Mittäterschaft mit A. (E.3.1).

Das Bundesgericht führt im Urteil 6B_452/2023 vom 20. Oktober 2023 zur Mittäterschaft generell-abstrakt Folgendes aus:

«Nach der Rechtsprechung ist Mittäter, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgeblicher Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, sodass er als Hauptbeteiligter dasteht. Dabei kommt es darauf an, ob der Tatbeitrag nach den Umständen des konkreten Falls und dem Tatplan für die Ausführung des Delikts so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder fällt. Das blosse Wollen der Tat, der subjektive Wille allein genügt zur Begründung von Mittäterschaft jedoch nicht. Daraus folgt aber nicht, dass Mittäter nur ist, wer an der eigentlichen Tatausführung beteiligt ist oder sie zu beeinflussen vermag. Tatbestandsmässige Ausführungshandlungen sind keine notwendige Voraussetzung für die Annahme von Mittäterschaft (vgl. zum Ganzen: BGE 143 IV 361 E. 4.10; 135 IV 152 E. 2.3.1; Urteile 6B_1454/2021 vom 26. Mai 2023 E. 4.2; 6B_1161/2021 vom 21. April 2023 E. 7.8.2; je mit Hinweisen). Die Mitwirkung bei der Ausführung des Delikts kann vielmehr z.B. darin bestehen, dass der Leiter einer kriminellen Gruppe den Einsatz befiehlt, ein „Dratzieher“ die kriminelle Aktion aus dem Hintergrund leitet oder überwacht oder dass jemand massgebend an der Führung eines Betriebs mitwirkt, der kriminellen Aktivitäten dient (DONATSCH/GODENZI/TAG, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 10. Aufl. 2022, S. 181; vgl. auch WOLFGANG WOHLERS, in: Handkommentar Schweizerisches Strafgesetzbuch, Wohlers/Godenzi/Schlegel [Hrsg.], 4. Aufl. 2020, vor Art. 24 ff. N. 18; je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Begründung für diese Praxis liegt unter anderem darin, dass gerade raffinierte Delinquenten sich bei der Tatausführung häufig im Hintergrund halten und die „Handarbeit“ andern überlassen. Solche Delinquenten sind Mittäter, obschon sie sich zur Zeit der Tatausführung allenfalls an einem ganz andern Ort aufhalten und auf den Geschehensablauf und die Details der Tatausführung keinen Einfluss mehr haben (BGE 108 IV 88 E. I.2/a; Urteil 6B_1034/2021 vom 3. März 2022 E. 3.3).  Mittäterschaft bedeutet gleichwertiges koordiniertes Zusammenwirken bei Begehung einer strafbaren Handlung (Urteile 6B_1149/2020 vom 17. April 2023 E. 2.4.5.3; 6B_1034/2021 vom 3. März 2022 E. 3.3 mit Hinweisen auf die Lehre). Sie setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, wobei dieser nicht ausdrücklich bekundet werden muss; es genügt, wenn er konkludent zum Ausdruck kommt. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Mittäter bei der Entschlussfassung mitwirkt, sondern es reicht aus, dass er sich später den Vorsatz seiner Mittäter zu eigen macht (BGE 143 IV 361 E. 4.10; 135 IV 152 E. 2.3.1; 120 IV 265 E. 2c/aa; je mit Hinweisen). Eventualvorsatz reicht zur Annahme von Mittäterschaft aus, soweit der betreffende Straftatbestand eine eventualvorsätzliche Tatbegehung genügen lässt (BGE 126 IV 84 E. 2c/aa; 115 IV 161 E. 2; Urteil 6S.426/2003 vom 1. März 2004 E. 2.3).» (E.3.2)

Zur Anstiftung äussert sich das Bundesgericht im Urteil 6B_452/2023 vom 20. Oktober 2023 wie folgt:

«Anstifter im Sinne von Art. 24 Abs. 1 StGB ist, wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat. Der Anstifter wird nach der Strafdrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft (Art. 24 Abs. 1 StGB). Die Anstiftung ist nach der Rechtsprechung keine selbstständige Straftat, sondern wie die Gehilfenschaft (Art. 25 StGB) eine Form der akzessorischen Teilnahme an der Haupttat (BGE 148 IV 393 E. 3.4; 144 IV 265 E. 2.3.2). Durch die Anstiftung wird in einem andern der Entschluss zu einer bestimmten Tat hervorgerufen. Der Tatentschluss muss auf das motivierende Verhalten des Anstifters zurückzuführen sein. Es bedarf insofern eines Kausalzusammenhangs. Nicht erforderlich ist, dass beim Anzustiftenden Widerstände zu überwinden wären. Auch bei demjenigen, der bereits zur Tat geneigt ist oder sich zur Begehung von Straftaten sogar anbietet, kann ein Tatentschluss noch hervorgerufen werden, und zwar so lange, als er zur konkreten Tat noch nicht entschlossen ist. Anstiftung fällt aber ausser Betracht, wenn der andere zu einer bestimmten Tat bereits entschlossen ist (zum Ganzen: BGE 144 IV 265 E. 2.3.2; 128 IV 11 E. 2a; 127 IV 122 E. 2b/aa).  Erforderlich ist eine psychisch-geistige Beeinflussung, eine unmittelbare Einflussnahme auf die Willensbildung des anderen (BGE 144 IV 265 E. 2.3.2; 128 IV 11 E. 2a; 127 IV 122 E. 2b/aa). Dabei kommt als Anstiftungsmittel jedes motivierende Verhalten infrage, welches beim anderen den Handlungsentschluss hervorrufen kann, wie etwa eine blosse Bitte, eine Anregung oder konkludente Aufforderung (BGE 128 IV 11 E. 2a; 127 IV 122 E. 2b/aa). Wer lediglich eine Situation schafft, in der sich ein anderer voraussichtlich zur Verübung einer Straftat entschliessen wird, ist nicht Anstifter (BGE 128 IV 11 E. 2a; 127 IV 122 E. 2b/aa).» (E.3.3.1)

«Die Tat, zu der angestiftet wird, braucht nicht in allen Einzelheiten bestimmt zu sein. Die Einzelheiten der Ausführung können dem Angestifteten überlassen sein (BGE 116 IV 1 E. 3c; Urteile 6B_694/2020 vom 17. Juni 2021 E. 3.1; 6B_1194/2019 vom 27. April 2020 E. 2.1). Der Anstifter nimmt direkten psychisch-intellektuellen, motivierenden kausalen Einfluss auf die Bildung des Tatentschlusses beim Angestifteten. Bei der anschliessenden Planungs- und Ausführungsphase der Haupttat übt er jedoch keinen entscheidenden Einfluss mehr auf den Täter aus, andernfalls bei Tatherrschaft Mittäterschaft zu prüfen ist (MARC FORSTER, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, N. 12 zu Art. 24 StGB).» (E.3.3.2)

«Subjektiv genügt für die Anstiftung Eventualvorsatz (Art. 12 Abs. 2 Satz 2; BGE 128 IV 11 E. 2a; 127 IV 122 E. 1 und 4a). Der Vorsatz des Anstifters muss sich zum einen auf die Herbeiführung des Tatentschlusses und zum andern auf die Ausführung der Tat durch den Angestifteten beziehen (BGE 127 IV 122 E. 4a). Der Anstifter muss zumindest für möglich halten und in Kauf nehmen, dass infolge seines Verhaltens der Angestiftete eine Handlung begeht, welche die objektiven und subjektiven Merkmale eines bestimmten Straftatbestands erfüllt (BGE 128 IV 11 E. 2a; 127 IV 122 E. 4a). Die Tat, zu welcher angestiftet wird, muss ihrerseits eine Vorsatztat sein; ob insoweit Eventualdolus ausreicht oder direkter Vorsatz erforderlich ist, bestimmt sich nach den für die Tat geltenden Regeln (BGE 127 IV 122 E. 4a).» (E.3.3.3)

«Die blosse Mitwirkung am Zustandekommen des Tatentschlusses ist nach der heute vorherrschenden Lehre keine mittäterschaftliche Beteiligung am Delikt, sondern nichts anderes als eine Anstiftung oder allenfalls eine psychische Gehilfenschaft (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 13 N. 64; WOHLERS, a.a.O., vor Art. 24 ff. N. 18; BERNHARD STRÄULI, Code pénal I, in: Commentaire romand, 2. Aufl. 2021, Intro Art. 24-27 N. 96; je mit weiteren Hinweisen auf die Lehre). Ebenso wenig reicht es aus, dass der potenzielle (Mit-) Täter z.B. wegen einer anteilsmässigen Beteiligung an der Tatbeute ein Interesse am Erfolg der Tat hat, weil das Interesse als solches keine Tatherrschaft begründet. Derjenige, der das Delikt zwar initiiert, dann aber an diesem nicht weiter mitgewirkt hat, ist daher Anstifter oder psychischer Gehilfe (WOHLERS, a.a.O., vor Art. 24 ff. N. 18). Eine abweichende Lösung würde die Abgrenzung der Mittäterschaft von der Anstiftung verunmöglichen (STRATENWERTH, a.a.O., S. 396). Dies entspricht trotz der Formulierung „Entschliessung, Planung oder Ausführung“ auch der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts, welche für die Mittäterschaft (Mit-) Tatherrschaft bzw. einen Tatbeitrag im Sinne eines gleichwertigen koordinierten Zusammenwirkens bei Begehung einer strafbaren Handlung verlangt (BGE 133 IV 76 E. 2.7; Urteil 6B_1034/2021 vom 3. März 2022 E. 3.3 und 3.5; je mit Hinweisen auf die Lehre).» (E.3.4).

Das Bundesgericht äussert sich alsdann fallbezogen im Urteil 6B_452/2023 vom 20. Oktober 2023 wie folgt:

«Die Vorinstanz stellt verbindlich fest, der Beschwerdeführer habe mit A. den Inhalt des „Erpresserschreibens“ diskutiert und beide hätten ihre Ideen eingebracht. Der Beschwerdeführer und A. verfassten das „Erpresserschreiben“ folglich gemeinsam. An dieser gemeinsamen Tatbegehung ändert nichts, dass es schliesslich A. war, der den vereinbarten Inhalt des „Erpresserschreibens“ auf dem Tablet niederschrieb, und dieser die gemeinsam besprochenen Fotos alleine erstellte. Bezüglich des „Erpresserschreibens“, welches die Vorinstanz als Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 306 Ziff. 1 Abs. 1 StGB qualifiziert, ist mit der Vorinstanz daher von Mittäterschaft auszugehen. Der entsprechende Schuldspruch verstösst nicht gegen Bundesrecht und die Beschwerde des Beschwerdeführers ist insoweit unbegründet.» (E.3.5)

«Die Vorinstanz bejaht Mittäterschaft auch bezüglich des Tötungsdelikts vom 30. Juni 2016. Sie wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe bei der Planung der Tat einen sehr hohen Einfluss ausgeübt. Die Tötung sei nur ein – wenn auch wesentlicher – Teil eines grösseren Gesamtplans gewesen, der nicht nur seine Freipressung durch den beurlaubten A., sondern explizit auch die Tötung von unbeteiligten Dritten als Druckmittel beinhaltet habe. […]» (E.3.6).

«Diese vorinstanzlichen Erwägungen zur Beteiligung des Beschwerdeführers am Tötungsdelikt vom 30. Juni 2016 erscheinen widersprüchlich. […]» (E.3.7).

«Die Vorinstanz sprach den Beschwerdeführer daher zu Unrecht des Mordes im Sinne von Art. 112 StGB begangen in Mittäterschaft mit A. schuldig.» (E.3.7.2)

«Die Anstiftung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 StGB verlangt, dass die psychisch-geistige Beeinflussung des Anstifters kausal für den Tatentschluss des Angestifteten war und es ohne die Beeinflussung folglich nicht zur Tat gekommen wäre (oben E. 3.3.1). […] Kann dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Mord vom 30. Juni 2016 kein mittäterschaftlicher Tatbeitrag nachgewiesen werden, hat die Vorinstanz daher zu prüfen, ob sich dieser der Anstiftung zu Mord im Sinne von Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 112 StGB strafbar gemacht hat. » (E.3.8)

«Die Beschwerde ist bezüglich der rechtlichen Würdigung als mittäterschaftlich begangener Mord im Sinne von Art. 112 StGB nach dem Gesagten begründet und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.» (E.3.10).

Die Beschwerde wird durch das Bundesgericht teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. August 2022 wird teilweise aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

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