Neuer Straftatbestand Identitätsmissbrauch von Art. 179decies StGB

Der Tatbestand vom Identitätsmissbrauch von Art. 179decies StGB trat am 1. September 2023 in Kraft. Es geht dabei um die Verwendung der Identität einer anderen Person ohne deren Einwilligung, um dieser zu schaden oder um sich oder einem Dritten einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.

Schauen wir uns diesen neuen Straftatbestand hier kurz an:

Wortlaut der Bestimmung von Art. 179decies 

«Wer die Identität einer anderen Person ohne deren Einwilligung verwendet, um dieser zu schaden oder um sich oder einem Dritten einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.»

Zur Geschichte vom Identitätsmissbrauch i.S.v. Art. 179decies

Die Bestimmung wurde eingefügt durch Anhang 1 Ziff. II 26 des Datenschutzgesetzes vom 25. Sept. 2020.

Die Botschaft zur Revision des Datenschutzgesetzes nimmt dazu wie folgt Stellung (BBl 2017 7127 f.):

«Der Bundesrat wird mit der durch das Parlament angenommenen Motion 14.3288 Comte beauftragt, einen Entwurf zur Änderung des Strafrechts auszuarbeiten, damit der Missbrauch einer Identität, der eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeit darstelle, eine strafbare Handlung für sich wird. Die Identität eines Menschen ist durch verschiedene konstituierende Merkmale bestimmbar, etwa durch seinen Namen, seine Herkunft, sein Bild, die soziale, familiäre oder berufliche Positionierung, sowie durch andere persönliche Daten wie Geburtsdatum, Internetadresse, Kontonummer oder Nickname. Die vorgeschlagene Strafbestimmung gegen den Identitätsmissbrauch schützt die Persönlichkeit des Individuums. Das Recht auf Respektierung und Achtung seiner Identität soll unter strafrechtlichen Schutz gestellt werden, indem der Missbrauch der Identität als Teil seiner Persönlichkeit bestraft wird. Die systematische Einordnung erfolgt unter den Titel der strafbaren Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich. Es soll jedoch davon abgesehen werden, die Verwendung einer fremden Identität zum Selbstzweck, um ihrer selbst willen, unter Strafe zu stellen, da dadurch die Grenzen des Strafrechts zu stark ausgeweitet würden. Der Täter muss vielmehr in der Absicht handeln, einen Schaden zu verursachen oder einen Vorteil zu erwirken. Die Verwendung einer Identität aus reinem Übermut oder als Scherz fällt damit nicht unter die Bestimmung. Die Verwendung einer neuen, fiktiven Identität fällt ebenso wenig in den Anwendungsbereich. Das Phänomen und die Problematik des Missbrauchs einer fremden Identität haben sich durch den verbreiteten Gebrauch elektronischer Medien und entsprechender Kommunikationsmittel akzentuiert und verschärft. Die praktische Schwelle, in fremdem Namen auf sozialen Medien Äusserungen abzugeben oder via elektronischer Kommunikationsmittel entsprechende Handlungen auszuführen, hat sich im Vergleich zur herkömmlichen Kommunikation deutlich gesenkt. Die vorgeschlagene Strafbestimmung soll jedoch unabhängig vom Tatmittel und Medium, mit dem die Tat begangen wird, Anwendung finden. Auch der herkömmliche Missbrauch einer Identität, beispielsweise eine schriftlich erfolgte Warenbestellung oder eine persönliche, mündliche Kontaktaufnahme im Vorfeld eines sogenannten Enkeltrick-Betruges, wird durch die Strafbestimmung erfasst. Es wird somit davon abgesehen, lediglich den mittels eines Computers oder eines Telefons begangenen Identitätsmissbrauch unter Strafe zu stellen. Der in der Strafbestimmung statuierte Nachteil für den durch den Identitätsmissbrauch Betroffenen muss eine gewisse Schwere erreichen und kann materieller oder immaterieller Natur sein. Die Absicht, beim Betroffenen einen massiven Ärger auszulösen, kann als Nachteilsabsicht bereits ausreichen. Bei der Verwendung einer fremden Identität in Schädigungsabsicht oder zwecks Erlangung eines unrechtmässigen Vorteils stellt sich in der Regel die Frage nach der Anwendung weiterer Strafbestimmungen wie Betrug, Urkundenfälschung oder Delikte gegen die Ehre. In Fällen, in welchen der Unrechtsgehalt der Tat durch den gleichzeitig anwendbaren Tatbestand nicht gänzlich abgedeckt wird, der Aspekt der Persönlichkeitsverletzung durch den Identitätsmissbrauch also noch nicht berücksichtigt wird, ist von echter Konkurrenz auszugehen. Beide Strafbestimmungen finden Anwendung. Nimmt der Täter beispielsweise auf einem sozialen Netzwerk die Identität von B an und verleumdet C, wird neben dem Straftatbestand der Verleumdung auch der neu zu schaffende Tatbestand des Identitätsmissbrauchs angewendet. Nur so wird das gegen B begangene Unrecht geahndet und die bei diesem entstandenen negativen Folgen wie Reputationsverlust, Einleitung eines Verfahrens oder eine aufwändige und nur bedingt erfolgreiche Richtigstellung berücksichtigt. Im Falle des unbefugten Beschaffens von Personendaten und dem anschliessenden Missbrauch der entsprechenden Identität kommen ebenfalls beide Strafbestimmungen zur Anwendung. Erfolgt der Identitätsmissbrauch als Teil einer betrügerischen Handlung mit dem Ziel, einen unrechtmässigen Vorteil zu erlangen, kann der Betrugstatbestand auch den (in der Regel vorgelagerten) Tatbestand des Identitätsmissbrauchs umfassen, womit dieser mitbestraft ist. Die gesetzliche Strafandrohung soll verhältnismässig sein zum Wert des geschützten Rechtsguts sowie zum Unrechtsgehalt der Straftat. Andernfalls verliert das Strafrecht an Glaubwürdigkeit und an präventiver Wirkungskraft. Die vom Phänomen des Missbrauchs einer fremden Identität ausgehende Gefahr soll, gerade im digitalen Zeitalter, nicht unterschätzt oder verharmlost werden, auch wenn der konkrete Unrechtsgehalt der Tat und die Folgen für die geschädigte Person nicht in jedem Fall schwer sein müssen. Entsprechend wird der neue Straftatbestand als Vergehen ausgestaltet und mit einer Strafandrohung von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe versehen.»

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