Honorar der amtlichen Verteidigung: Anspruch auf rechtliches Gehör und kein reformatorischer Entscheid des Bundesgerichts möglich

Im Urteil 7B_240/2024 vom 20. Mai 2025 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit einer Entschädigung der amtlichen Verteidigung, welche einfach zugesprochen wurde, ohne dass die amtliche Verteidigerin ihre Kostennote einreichen konnte. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde wie folgt gut: «[…] Indem die Vorinstanz die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin für das bisherige Berufungsverfahren auf Fr. 1’000.– (inklusive Auslage und Mehrwertsteuer) festlegte, ohne ihr vorgängig die Gelegenheit zu geben, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen, verletzte sie deren Anspruch auf rechtliches Gehör. […]. Die Beschwerde ist hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs gutzuheissen.» (E.3.2.3). Das Bundesgericht fällte hingegen nicht den beantragten reformatorischen Entscheid: «Die Beschwerdeführerin beantragt, dass das Bundesgericht im Falle der Gutheissung der Beschwerde reformatorisch entscheiden und über den geltend gemachten Entschädigungsanspruch für die amtliche Verteidigung in der Höhe von total Fr. 5’693.15 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) befinden soll. Dies ist vorliegend nicht möglich. Wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt, kommt den Kantonen bei der Bemessung des Honorars der amtlichen Verteidigerin ein weiter Ermessensspielraum zu. Es ist Sache der kantonalen Behörden, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten wurde […]. Es kann nicht sein eigenes Ermessen an jenes der Sachgerichte setzen und hat den Entscheid betreffend die in der Honorarnote ausgewiesene Entschädigung der amtliche Verteidigung nicht vorwegzunehmen. Ein reformatorischer Entscheid kommt damit nicht in Frage. […]. Eine Heilung der vorliegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt im bundesgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht […].» (E.4).

Sachverhalt

Rechtsanwältin A. wurde zur amtlichen Verteidigerin in einem Strafverfahren ernannt. Das Obergericht des Kantons Aargau hob in jenem Strafverfahren das darin ergangene bezirksgerichtliche Urteil mit Beschluss vom 24. Januar 2024 auf und wies die Sache zur erneuten Durchführung der gesamten Hauptverhandlung an die erste Instanz zurück (Dispositiv-Ziff. 1). Es nahm die obergerichtlichen Verfahrenskosten auf die Staatskasse (Dispositiv-Ziff. 2.1) und sprach der amtlichen Verteidigerin für das bisherige Berufungsverfahren eine Entschädigung von Fr. 1’000.– inklusive Auslagen und Mehrwertsteuer zu (Dispositiv-Ziff. 2.2). Zudem wies es die erste Instanz an, über die erstinstanzlichen Kosten und Entschädigungen zusammen mit dem neuen Urteil und unter Berücksichtigung des vorliegenden Rückweisungsentscheids neu zu entscheiden (Dispositiv-Ziff. 3).

Weiterzug ans Bundesgericht

Die A. erhebt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, Dispositiv-Ziff. 2.2 des Beschlusses vom 24. Januar 2024 des Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben und ihre vom Staat Aargau zu zahlende Entschädigung als amtliche Verteidigerin von B. sei für das Berufungsverfahren auf Fr. 5’693.15 festzusetzen. Eventualiter sei die Sache zur Einreichung der Kostennote und zum Entscheid über die Parteikosten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat innert Frist keine Vernehmlassung eingereicht. Das Obergericht des Kantons Aargau liess sich vernehmen und beantragte die Abweisung der Beschwerde; A. sei auch im Falle einer (teilweisen) Gutheissung ihrer Bundesgerichtsbeschwerde keine Parteientschädigung zuzusprechen. A. replizierte und hielt an ihren Anträgen fest.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_240/2024 vom 20. Mai 2025  

Die Beschwerdeführerin beanstandet vor Bundesgericht, dass ihr die Vorinstanz für das bisherige Berufungsverfahren ohne jede Begründung lediglich eine Entschädigung von Fr. 1’000.– inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer zugesprochen habe. Die Vorinstanz habe sie hierzu weder angehört noch ihr die Gelegenheit geboten, einen Entschädigungsantrag zu stellen. Damit verletze sie das rechtliche Gehör. Die angemessene Entschädigung für das vorinstanzliche Berufungsverfahren belaufe sich auf Fr. 5’693.15 (E.1).

Die Beschwerdeführerin rügt vor Bundesgericht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Konkret führt sie aus, sie habe in ihrer Funktion als amtliche Verteidigerin bei der Vorinstanz die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Rückweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht zwecks erneuter Durchführung einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung beantragt. Die Vorinstanz habe daraufhin ihren Beschluss gefällt, ohne sie vorgängig über die eingegangenen Stellungnahmen zu orientieren bzw. ihr diese Eingaben zuzustellen. Sie sei weder zur Einreichung einer Kostennote aufgefordert worden noch in entsprechender Weise angehört worden. Sie, die Beschwerdeführerin, habe nicht damit rechnen müssen, dass das Berufungsverfahren einfach beendet würde, ohne sich zu den Entschädigungsfolgen äussern zu können. Die von der Vorinstanz auf Fr. 1’000.– festgesetzte amtliche Entschädigung sei sachlich nicht gerechtfertigt und verletzte den gesetzlichen Entschädigungsanspruch (E.3.1).

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_240/2024 vom 20. Mai 2025 wie folgt:

Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs

«Gemäss Art. 135 Abs. 1 StPO wird die amtliche Verteidigung nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. Die Entschädigung wird von der Staatsanwaltschaft oder vom urteilenden Gericht am Ende des Verfahrens festgelegt (Art. 135 Abs. 2 StPO).» (E.3.2.1).

«Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) umfasst als Mitwirkungsrecht all jene Befugnisse, die einem Betroffenen einzuräumen sind, damit er seinen Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern (BGE 149 I 91 E. 3.2; 144 II 427 E. 3.1; je mit Hinweisen). Voraussetzung des Äusserungsrechts sind genügende Kenntnisse über den Verfahrensverlauf, was auf das Recht hinausläuft, in geeigneter Weise über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen vorweg orientiert zu werden (BGE 144 I 11 E. 5.3; 141 I 60 E. 3.3; je mit Hinweisen). Wie weit dieses Recht geht, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Würdigung der konkreten Umstände beurteilen. Entscheidend ist, ob dem Betroffenen ermöglicht wurde, seinen Standpunkt wirksam zur Geltung zu bringen (BGE 144 I 11 E. 5.3 mit Hinweisen).» (E.3.2.2).

«[…] Dass sie der Beschwerdeführerin den Abschluss des Schriftenwechsels angekündigt oder sie zur Einreichung ihrer Honorarnote aufgefordert hatte, macht die Vorinstanz nicht geltend und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Die Beschwerdeführerin musste aufgrund der aus ihrer Sicht noch ausstehenden bzw. noch zuzustellenden Stellungnahmen der übrigen Verfahrensbeteiligten nicht mit dem am 24. Januar 2024 ergangenen Beschluss rechnen. Der darin ergangene Entscheid über die Entschädigung für die amtliche Verteidigung erfolgte insofern zu einem für sie nicht vorhersehbaren Zeitpunkt und die Beschwerdeführerin durfte darauf vertrauen, sich noch zu den Entschädigungsfolgen äussern zu können. Indem die Vorinstanz die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin für das bisherige Berufungsverfahren auf Fr. 1’000.– (inklusive Auslage und Mehrwertsteuer) festlegte, ohne ihr vorgängig die Gelegenheit zu geben, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen, verletzte sie deren Anspruch auf rechtliches Gehör. Aus dem von der Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung angeführten Urteil 6B_478/2015 vom 12. Februar 2016 lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Darin ging es lediglich um die Frage, ob dem Beschwerdeführer, welcher im Vorfeld die Honorarnote seines Verteidigers eingereicht hatte, vor dem Entscheid über die Parteientschädigung im Berufungsverfahren anzuhören sei, dem Beschwerdeführer mithin Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu dem von der Vorinstanz ins Auge gefassten, von der Honorarnote abweichenden Entschädigungsentscheid zu äussern. Für die vorliegend zu beurteilende Frage der Gehörsverletzung ist das genannte Urteil nicht einschlägig. Die Beschwerde ist hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs gutzuheissen.» (E.3.2.3).

Zum beantragten reformatorischen Entscheid

«Die Beschwerdeführerin beantragt, dass das Bundesgericht im Falle der Gutheissung der Beschwerde reformatorisch entscheiden und über den geltend gemachten Entschädigungsanspruch für die amtliche Verteidigung in der Höhe von total Fr. 5’693.15 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) befinden soll. Dies ist vorliegend nicht möglich. Wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt, kommt den Kantonen bei der Bemessung des Honorars der amtlichen Verteidigerin ein weiter Ermessensspielraum zu. Es ist Sache der kantonalen Behörden, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten wurde (BGE 141 I 124 E. 3.2; Urteil 6B_902/2024 vom 20. März 2025 E. 2.1; je mit Hinweisen). Es kann nicht sein eigenes Ermessen an jenes der Sachgerichte setzen und hat den Entscheid betreffend die in der Honorarnote ausgewiesene Entschädigung der amtliche Verteidigung nicht vorwegzunehmen. Ein reformatorischer Entscheid kommt damit nicht in Frage. Daran vermögen auch die Ausführungen der Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung nichts zu ändern. Eine Heilung der vorliegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt im bundesgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht (BGE 137 I 195 E. 2.3.2 mit Hinweisen).» (E.4).

«Die Beschwerde ist gemäss den vorstehenden Erwägungen gutzuheissen. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache zur Einreichung der Kostennote und zur neuen Entscheidung und Begründung über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung an die Vorinstanz zurückzuweisen.» (E.5).

Das Bundegericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

 

 

 

 

 

 

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