Bundesstrafgericht 2023: intensives Geschäftsjahr und hoher Erledigungsquotient
Das Bundesstrafgericht verzeichnete im Jahr 2023 weiterhin eine hohe Arbeitsbelastung bei einer insgesamt leichten Zunahme der Verfahrenseingänge. Der Erledigungsquotient lag über alle Kammern hinweg bei 106%.
Verwaltungskommission
Die Verwaltungskommission hat sich insbesondere dem Projekt «Instanzentrennung» gewidmet. Eine interne Arbeitsgruppe befasste sich mit der Frage, zu welchen strukturellen, finanziellen oder rechtlichen Änderungen die möglichen Organisationsmodelle führen würden. Die Fertigstellung des Gebäudes «Pretorio», das von der Berufungskammer genutzt werden wird, ist für Herbst 2026 vorgesehen.
Statistik – Fallbelastung und Erledigungsquotient
Die Strafkammer verzeichnete im Jahr 2023 etwas weniger Eingänge. Der Erledigungsquotient lag über dem Vorjahreswert. Im Vergleich zum Vorjahr ist eine Abnahme der Verfahren als Kollegialgericht zu verzeichnen, demgegenüber blieb die Anzahl der Einzelrichterverfahren konstant.
Beschwerdekammer – Zunahme bei den Eingängen und hoher Erledigungsquotient
Im Berichtsjahr blieb die Anzahl der in französischer und italienischer Sprache eingegangenen Geschäfte im Vergleich zum Vorjahr im Wesentlichen konstant, während bei den Verfahren in deutscher Sprache ein Anstieg zu verzeichnen ist. Der Erledigungsquotient lag mit 109% leicht unter dem Vorjahreswert, aber immer noch auf einem hohen Niveau.
Berufungskammer – hohe Verfahrenszahlen und personelle Unterbesetzung
Die Berufungskammer verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr eine deutliche Zunahme sowohl der Berufungsverfahren als auch der Revisionsverfahren, die sich mehr als verdoppelt haben. Der Erledigungsquotient blieb im Jahr 2023 in etwa stabil. Trotz des Amtsantritts eines zusätzlichen Richters ist die personelle Dotierung aufgrund der konstant hohen Eingangszahlen nach wie vor ungenügend.
Bundesgericht (aus der strafrechtlichen Optik)
2023 gingen beim Bundesgericht 7558 neue Beschwerden ein (Vorjahr 7392). Erledigt hat es 7420 Verfahren (Vorjahr 7138). 11,9% der Beschwerden wurden gutgeheissen (Vorjahr 12,5%). Die durchschnittliche Prozessdauer betrug 195 Tage (Vorjahr 174). 3631 pendente Fälle wurden auf das Folgejahr übertragen (Vorjahr 3493). Die fast 300 mehr abgeschlossenen Verfahren als im Vorjahr stehen im Zusammenhang mit den Umstrukturierungen, die das Bundesgericht 2020 begonnen hat. So ist seit Anfang 2023 zur Behandlung von Beschwerden aus dem Bereich Steuern und Abgaben die Dritte öffentlich-rechtliche Abteilung in Luzern zuständig (die beiden sozialrechtlichen Abteilung in Luzern wurden in Dritte und Vierte öffentlich-rechtliche Abteilung umbe nannt) und nicht mehr die Zweite öffentlich-rechtliche Abteilung in Lausanne.
Per 1. Juli nahm in Lausanne eine zweite strafrechtliche Abteilung ihre Tätigkeit auf. Damit konnte das angestrebte Modell von acht (anstatt bisher sieben) Abteilungen zu je fünf Gerichtsmitgliedern verwirklicht werden. Das Parlament hatte der dazu notwendigen Erhöhung der Richterzahl von 38 auf 40 bereits im Dezember 2022 zugestimmt und am 15. März zwei neue Bundesrichter gewählt. Neben der Verschiebung des Steuerrechts wurden zwischen den Abteilungen weitere Rechtsmaterien umgeteilt. Die Einrichtung einer zweiten strafrechtlichen Abteilung führte zu Platzknappheit am Hauptsitz Mon-Repos in Lausanne. Deshalb musste ein zusätzliches Gebäude im nahegelegenen Quartier Béthusy gemietet werden.
Im März hat die Verwaltungskommission den Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte ihren Bericht „Aufsicht des Bundesgerichts über die erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichte – gesetzgeberischer Handlungsbedarf“ zugestellt.
Das Parlament beschloss im Dezember, das im Vergleich zum Budget 2023 erhöhte Budget 2024 des Bundesgerichts um 1.5% zu kürzen. Die Verwaltungskommission entschied noch im Berichtsjahr, die Ausgaben des Gerichts dieser neuen Situation anzupassen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fällte im Berichtsjahr 245 Entscheidungen betreffend die Schweiz. In neun Fällen erging ein Urteil. Der EGMR stellte in sieben Fällen mindestens eine Verletzung der Konvention durch die Schweiz fest (Vorjahr 7).