Gemäss Art. 182 StPO ziehen Staatsanwaltschaften und Gerichte eine oder mehrere sachverständige Personen bei, wenn sie nicht über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, welche zur Feststellung oder Beurteilung eines Sachverhalts notwendig sind.
Als Sachverständige können (nur) natürliche Personen (also keine juristischen Personen oder Institutionen des öffentlichen Rechts) ernannt werden, die auf dem betreffenden Fachgebiet die erforderlichen besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen (Art. 183 Abs. 1 StPO). Für Sachverständige gelten auch die Ausstandsgründe nach Art. 183 Abs. 3 StPO. Die Verfahrensleitung ernennt die sachverständige Person (Art. 184 Abs. 1 StPO). Die sachverständige Person ist für das Gutachten persönlich verantwortlich (Art. 185 Abs. 1 StPO). Das Gutachten ist durch die sachverständige Person in schriftlicher Form zu erstatten (Art. 187 Abs. 1 StPO). Ausnahmen sind möglich (Art. 187 Abs. 2 StPO).
Der Beweis durch Sachverständigengutachten nach Art. 182 ff. StPO wird je nach Art und Umfang unterschiedlich bezeichnet. Wird einer sachverständigen Person nur eine begrenzte Fragestellung unterbreitet, etwa eine Risikoeinschätzung, wird das Gutachten als Fokalgutachen oder als Kurzgutachten bezeichnet. Der Begriff Fokalgutachten kommt davon, dass das Gutachten einen bestimmten Fokus hat (Thierry Urwyler/Jérôme Endrass/Henning Hachtel/Marc Graf, Handbuch Strafrecht – Psychiatrie – Psychologie, Basel 2022, N 70).
Bei Fokalgutachten findet lediglich eine thematische Beschränkung seitens des Auftraggebers statt. Formell sind dieselben Anforderungen einzuhalten. So sind u.a. die sachverständigen Personen nach Art. 182 ff. StPO zu beauftragen (Thierry Urwyler/Jérôme Endrass/Henning Hachtel/Marc Graf, Handbuch Strafrecht – Psychiatrie – Psychologie, Basel 2022, N 622).
Den primären Einsatzort haben Fokalgutachten bei der Beurteilung der Wiederholungs- und Ausführungsgefahr im strafprozessualen Bereich. In der Literatur wird das Instrument des Fokalgutachtens kritisch betrachtet und zur restriktiven Anwendung gemahnt (Thierry Urwyler/Jérôme Endrass/Henning Hachtel/Marc Graf, Handbuch Strafrecht – Psychiatrie – Psychologie, Basel 2022, N 622).