Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat führt ein Strafverfahren gegen A. wegen Pornografie.
Im Rahmen eines am Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, hängigen Entsiegelungsverfahrens stellte A. am 5. Januar 2023 ein Ausstandsbegehren gegen den Bezirksrichter B. und die Gerichtsschreiberin C.. Dieses Ausstandsbegehren wurde an das Obergericht des Kantons Zürich übermittelt. In ihrer Stellungnahme vom 6. Januar 2023 erklärten Bezirksrichter B. und Gerichtsschreiberin C., dass sie weder subjektiv den Eindruck hätten, voreingenommen oder befangen zu sein, noch objektive Gründe zu erkennen vermöchten, welche diesen Anschein erweckten. Mit Beschluss vom 23. Februar 2023 wies das Obergericht das Ausstandsbegehren ab.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und beantragt, der angefochtene Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass Bezirksrichter B. und Gerichtsschreiberin C. in den Ausstand zu treten hätten; eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Das Zwangsmassnahmengericht, B. und C. selbst sowie die Staatsanwaltschaft haben sich nicht vernehmen lassen.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_53/2023 vom 29. April 2024
Das Bundesgericht erklärt generell-abstrakt im Urteil 7B_53/2023 vom 29. April 2024 zunächst Folgendes:
«Nach Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Justizpersonen ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Dies soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens beitragen und ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 144 I 159 E. 4.3; 140 I 326 E. 5.1, 271 E. 8.4, 240 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die grundrechtliche Garantie wird in Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 144 I 234 E. 5.2; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen). Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt, abgesehen von den in Art. 56 lit. a-e StPO genannten Fällen, in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (Art. 56 lit. f StPO). Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung der Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit begründet ist. Voreingenommenheit und Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters oder die Richterin zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Bei der Beurteilung solcher Gegebenheiten ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter oder die Richterin tatsächlich befangen ist (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 147 I 173 E. 5.1; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen). Der Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst nicht auch die Garantie jederzeit fehlerfrei arbeitender Richter. Prozessuale Rechtsfehler sind im Rechtsmittelverfahren zu rügen und lassen sich grundsätzlich nicht als Begründung für eine Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters heranziehen. Nur ausnahmsweise können richterliche Verfahrensfehler die Unbefangenheit einer Gerichtsperson in Frage stellen. Dabei müssen objektiv gerechtfertigte Gründe zur Annahme bestehen, dass sich in Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiert, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruht. Wird der Ausstandsgrund aus materiellen oder prozessualen Rechtsfehlern abgeleitet, so sind diese nur wesentlich, wenn sie besonders krass sind oder wiederholt auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (zum Ganzen: BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3; je mit Hinweisen).» (E.2).
Sehr interessant wird es hier, beim fallbezogenen Teil:
«Der Beschwerdeführer begründet sein Ausstandsgesuch gegen den Beschwerdegegner 1 und die Beschwerdegegnerin 2 damit, dass sie an einem Entscheid in einem Entsiegelungsverfahren mitgewirkt hätten, mit dem auf ein Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft eingetreten worden sei, obwohl dieses Gesuch am letzten Tag der Frist, d.h. dem 20. September 2022, lediglich per unsignierter E-Mail an das Zwangsmassnahmengericht gesendet worden sei. Nachträglich sei dann ein unterschriebenes Exemplar vom Gericht per Telefon nachgefordert worden. Dieser Vorgang sei nicht dokumentiert worden. Das nachgeforderte Exemplar sei allerdings erst am 23. September 2022, d.h. nach Fristablauf, per Kurier beim Gericht eingetroffen. Gleichwohl sei es mit einem Eingangsstempel vom 20. September 2022 versehen worden. Nachfolgend sei dieser gesamte Vorgang nicht offengelegt worden, insbesondere sei er nicht im Eintretensentscheid des Gerichts erwähnt worden. Anlässlich einer späteren Akteneinsicht durch die Verteidigung sei zudem das elektronisch eingereichte Exemplar nicht in den Akten enthalten gewesen.» (E.3.1).
«Die Beschwerdegegner brachten im vorinstanzlichen Verfahren vor, dass der Entsiegelungsantrag der Staatsanwaltschaft am 20. September 2022 via WebTransfer (in eingescannter Form, ohne Originalunterschrift und qualifizierte elektronische Signatur) beim Zwangsmassnahmengericht eingegangen sei. In der Folge sei die Staatsanwaltschaft telefonisch aufgefordert worden, das Original nachzureichen, was nicht mittels Telefonnotiz festgehalten worden sei. Das Original des Entsiegelungsantrages sei daraufhin als „act. 1“ zu den Akten genommen und mit dem Eingangsstempel des ursprünglichen Eingangs des Entsiegelungsantrages versehen worden. Aufgrund des am Entsiegelungsantrag mit Originalunterschrift angehefteten Übermittlungszettels sei klar ersichtlich, dass diese Urkunde nachgereicht worden sei. In den Akten habe sich zunächst nur der eingescannte Entsiegelungsantrag befunden, bevor der nachgereichte Antrag mit Originalunterschrift hinzugekommen sei; der zuerst eingereichte Entsiegelungsantrag sei nunmehr als „Doppel“ von „act. 1″ als “ (act. 1) “ zu den Akten genommen worden. Bei der späteren Akteneinsicht der Verteidigung des Beschwerdeführers sei das Doppel, “ (act. 1) „, aus den Akten genommen worden, was dem Vorgehen der Kanzlei-Praxis entspreche.» (E.3.2).
Die Vorinstanz (Obergericht des Kantons Zürich) erwägt, zusammengefasst durch das Bundesgericht im Urteil 7B_53/2023 vom 29. April 2024, was folgt:
«Das Zwangsmassnahmengericht wäre gehalten gewesen, im Interesse der Transparenz und der Verfahrensfairness über die offenbar telefonisch erfolgte Aufforderung zumindest eine Aktennotiz zu erstellen, welcher zu entnehmen sei, wann und an wen diese Aufforderung ergangen sei, zumal dies aus dem bei den Akten liegenden Übermittlungszettel der Staatsanwaltschaft nicht hervorgehe. Dies gelte umso mehr, als es dem Beschwerdeführer bzw. dessen Verteidiger möglich sein müsse, die Rechtzeitigkeit der Stellung des Entsiegelungsgesuchs gestützt auf die Akten zu überprüfen. Auch stifte die Art und Weise der Akturierung der beiden Exemplare des Entsiegelungsantrages der Staatsanwaltschaft Verwirrung und sei der Nachvollziehbarkeit der Verfahrensabläufe abträglich. Der Verweis der Beschwerdegegner auf die eigene Kanzleipraxis vermöge nicht darüber hinwegzutäuschen, dass es grundsätzlich nicht korrekt sei, den nachträglich eingegangenen Entsiegelungsantrag mit Originalunterschrift mit dem Eingangsstempel des zuerst eingereichten, nicht formgültigen Entsiegelungsantrages zu versehen. Dass diesem nachgereichten Exemplar ein Übermittlungszettel der Staatsanwaltschaft (lose) angeheftet sei, welcher mit einem Eingangsstempel vom 23. September 2022 versehen sei, ändere nichts daran, dass mit dem rückdatierten Eingangsstempel der (unzutreffende) Eindruck entstehe, dass beide Dokumente am 20. September 2022 eingegangen seien. Mithin wäre auf dem nachgereichten Antrag korrekterweise der Eingangsstempel vom 23. September 2022 anzubringen gewesen, anderenfalls sich im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen lasse, wann welches Dokument beim Gericht eingegangen sei. Indes sei der beanstandete Eingangsstempel nicht von den Beschwerdegegnern selber, sondern von den zuständigen Kanzleimitarbeitern angebracht worden, weshalb den Beschwerdegegnern nicht vorgeworfen werden könne, sie hätten das wahre Eingangsdatum des nachgereichten Entsiegelungsantrags mit Originalunterschrift bewusst verschleiert. In einer Konstellation wie der vorliegenden erscheine es sodann weder sinnvoll noch der Transparenz und Nachvollziehbarkeit förderlich, wenn im Vorfeld der Akteneinsicht durch die Verteidigung der zuerst eingereichte Entsiegelungsantrag als vermeintliches Doppel usanzgemäss aus den Akten entfernt werde. Beim zuerst eingegangenen Entsiegelungsantrag handle es sich nämlich nicht (lediglich) um ein (identisches) Doppel, sondern vielmehr um den ursprünglich eingegangenen Entsiegelungsantrag, welcher mit Blick auf die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Stellung des Entsiegelungsantrages von massgeblicher Bedeutung sei. Indes schilderten die Beschwerdegegner in ihrer Stellungnahme glaubhaft, dass die Entfernung von Doppeln im Vorfeld der Gewährung der Akteneinsicht der gelebten Kanzleipraxis entspreche und es mithin nicht sie selber gewesen seien, welche die Aussonderung des vermeintlichen Doppels vorgenommen hätten. Für ein bewusstes „Unterschlagen“ dieses Dokuments durch die Beschwerdegegner gegenüber der Verteidigung, um die wahren Verfahrensabläufe zu verschleiern, würden unter diesen Umständen keine Anhaltspunkte bestehen. Es dürfe nicht vom Zufall abhängen, ob dem Beschwerdeführer der Umstand, dass der Entsiegelungsantrag zunächst nicht formgültig eingereicht worden sei, überhaupt bekannt werde oder nicht. Diese vorangegangenen Vorgänge wären in geeigneter Form bzw. spätestens in der Verfügung vom 3. Januar 2023 betreffend die Formgültigkeit des Entsiegelungsgesuchs offenzulegen gewesen, anderenfalls die wirksame Verteidigung des Gesuchstellers erschwert werde. Ein Anschein der Voreingenommenheit der Beschwerdegegner ergebe sich aus dem Gesagten indes nicht. Die Versäumnisse könnten nicht als derart schwerwiegende und wiederholte Fehlleistungen qualifiziert werden, dass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkämen und eine auf fehlender Distanz und Neutralität beruhende Haltung der Verfahrensbeteiligten offenbarten. Diese Schwelle sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreicht.» (E.3.3).
Die Abweisung des Ausstandsgesuchs durch die Vorinstanz hält der Überprüfung durch das Bundesgericht im Urteil 7B_53/2023 vom 29. April 2024 nicht stand, dazu äussert sich das Bundesgericht wie folgt: :
«Unbestritten ist, dass im laufenden Entsiegelungsverfahren GT220095-L innert Frist kein Entsiegelungsantrag mit Originalunterschrift einging, das Zwangsmassnahmengericht aber letztlich dennoch annahm, der Entsiegelungsantrag sei rechtzeitig gestellt worden. Zwar trifft es zu, dass allfällige prozessuale Rechtsfehler in erster Linie im Rechtsmittelverfahren zu rügen sind. Ungeachtet dessen, wie es sich vorliegend mit der Formgültigkeit des staatsanwaltschaftlichen Entsiegelungsantrags tatsächlich verhält, lassen die gesamten Umstände jedoch den Anschein einer auf fehlender Distanz und Neutralität beruhenden Haltung der Beschwerdegegner entstehen. Zunächst unterliess es das Zwangsmassnahmengericht, in den Verfahrensakten festzuhalten und dem Beschwerdeführer mitzuteilen, dass es die Staatsanwaltschaft telefonisch aufgefordert hatte, das Original des Entsiegelungsantrags nachzureichen. Sodann versah es den nachträglich eingegangenen Entsiegelungsantrag mit Originalunterschrift mit dem Eingangsstempel des zuerst per WebTransfer eingereichten Entsiegelungsantrags. Aus der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 28. Oktober 2022 ging derweil bloss hervor, dass das Entsiegelungsgesuch „frist- und formgerecht“ eingereicht worden sei. Nachdem der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 20. Dezember 2022 dem Zwangsmassnahmengericht kundgetan hatte, er habe „aus Anlass eines anderen Falles durch Überprüfung der vorliegenden Akten“ festgestellt, dass das Entsiegelungsgesuch vom 19. September 2022 ohne digitale Signatur eingereicht worden sei, weshalb auf das Entsiegelungsgesuch nicht einzutreten sei, hielt das Zwangsmassnahmengericht in seiner Verfügung vom 3. Januar 2023 fest, dem Entsiegelungsgesuch vom 19. September 2022 sei zu entnehmen, dass es zunächst per E-Mail bzw. WebTransfer eingereicht, und in der Folge das Entsiegelungsgesuch mit Originalunterschrift der zuständigen Staatsanwältin per Kurier nachgereicht worden sei. Die näheren, insbesondere zeitlichen Umstände legte das Zwangsmassnahmengericht dem Beschwerdeführer in dieser zweiten Verfügung indes nicht offen. Hinzu kommt, dass es schliesslich – im Hinblick auf die Akteneinsicht durch den Verteidiger des Beschwerdeführers am 5. Januar 2023 – den zuerst eingereichten Entsiegelungsantrag als vermeintliches „Doppel“ aus den Akten entfernte. Erst nachdem der Beschwerdeführer noch gleichentags das Ausstandsgesuch gegen die Beschwerdegegner gestellt hatte, äusserten sich diese in ihrer Stellungnahme vom 6. Januar 2023 eingehend zu den Vorgängen. Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, vermittelt das Zwangsmassnahmengericht auf diese Weise den Anschein, einseitig zu Gunsten der Staatsanwaltschaft tätig (gewesen) zu sein. Entgegen der Vorinstanz können die Unzulänglichkeiten auch nicht „in erster Linie“ der zuständigen Kanzlei des Zwangsmassnahmengerichts angelastet werden. Selbst wenn das geschilderte Vorgehen der „Kanzlei-Praxis“ entsprechen sollte, haben die Beschwerdegegner in deren Kenntnis die besagten Entscheide über die Formgültigkeit des Entsiegelungsgesuchs getroffen bzw. daran mitgewirkt.» (E.3.4).
Die Beschwerde wird durch das Bundesgericht im Urteil 7B_53/2023 vom 29. April 2024 gutgeheissen. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, und das Ausstandsgesuch des Beschwerdeführers vollumfänglich gutgeheissen. Bezirksrichter B. und Gerichtsschreiberin C. sind im Entsiegelungsverfahren GT220095-L in den Ausstand zu versetzen (E.4).