Sachverhalt
Das Strafgericht Basel-Stadt erkannte mit Urteil vom 24. Juli 2009, dass A. den Straftatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung erfüllt habe, er wegen Schuldunfähigkeit jedoch nicht verurteilt werden könne. Aufgrund einer gutachterlich diagnostizierten kontinuierlichen paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.00) sowie akzentuierten Persönlichkeitszügen (ICD-10: Z73.1) mit primär narzisstischen und dissozialen Zügen ordnete das Strafgericht mit gleichem Urteil für die Dauer von fünf Jahren eine stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen an. Das Strafgericht verlängerte die stationäre Massnahme mit Beschluss vom 27. März 2012 um weitere fünf Jahre. Unter Anordnung von verschiedenen Auflagen sowie der Festsetzung einer Probezeit von fünf Jahren entliess das Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt A. mit Entscheid vom 11. April 2017 bedingt aus dem stationären Massnahmenvollzug.
Instanzenzug
Nach mehreren negativen Vorkommnissen und einer Verschlechterung des psychischen Zustandsbilds ordnete das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt, auf Antrag des Amts für Justizvollzug, mit Verfügung vom 19. November 2021 zwecks Vorbereitung einer Rückversetzung von A. in den stationären Massnahmenvollzug Sicherheitshaft an. Diese wurde mehrmals verlängert, insgesamt bis zum 21. April 2022. Am 16. Mai 2022 stellte A. bei dem mit dem nachträglichen Massnahmeverfahren befassten Appellationsgericht ein Gesuch um sofortige Haftentlassung, da kein Hafttitel mehr bestehe. Der Instruktionsrichter des Appellationsgerichts stellte am 18. Mai 2022 fest, dass die mit Beschluss des Strafgerichts vom 30. März 2022 bis zum 21. April 2022 angeordnete Sicherheitshaft nicht verlängert wurde und sich A. seither rechtswidrig bzw. ohne entsprechenden Titel in Haft befinde. Er stellte beim Appellationsgericht in der Funktion als Berufungsgericht den Antrag, gegen A. sei bis zum Abschluss des hängigen Beschwerdeverfahrens betreffend die Rückversetzung in den stationären Massnahmenvollzug die Sicherheitshaft anzuordnen. Der Präsident des Appellationsgerichts trat auf diesen Antrag mit Verfügung vom 13. Juni 2022 nicht ein. Auf Beschwerde in Strafsachen von A. hin hob das Bundesgericht diese Verfügung am 4. August 2022 auf und wies die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urteil 1B_375/2022). Mit Entscheid des Appellationsgerichts vom 31. August 2022 wurde die Sicherheitshaft über A. für die vorläufige Dauer von 8 Wochen bis zum 27. Oktober 2022 angeordnet.
Am 6. Januar 2022 beantragte das Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt beim Strafgericht Basel-Stadt die Rückversetzung von A. in den stationären Massnahmenvollzug. Mit Beschluss vom 30. März 2022 ordnete das Strafgericht für die Dauer von drei Jahren die Rückversetzung von A. in die mit Urteil des Strafgerichts vom 24. Juli 2009 ausgesprochene und mit Beschluss vom 27. März 2012 um fünf Jahre verlängerte stationäre Massnahme an.
Gegen den Beschluss des Strafgerichts Basel-Stadt vom 30. März 2022 betreffend die Rückversetzung in den stationären Massnahmenvollzug erhob A. am 2. Mai 2022 Beschwerde an das Appellationsgericht. Mit Entscheid vom 6. Oktober 2022 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt die Beschwerde von A. ab.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. Oktober 2022 sei vollumfänglich aufzuheben, es sei von seiner Rückversetzung in eine stationäre therapeutische Massnahme abzusehen und er sei unverzüglich aus der stationären therapeutischen Massnahme zu entlassen und auf freien Fuss zu setzen. Eventualiter sei die mit Entscheid vom 11. April 2017 auferlegte Probezeit von fünf Jahren um zwei weitere Jahre, bis zum 16. April 2024, zu verlängern, unter Beibehaltung der seinerzeit auferlegten Weisungen. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter beantragt A., ihm sei eine Haftentschädigung für ungesetzliche Haft vom 22. April bis 31. August 2022 in der Höhe von Fr. 26’400.– zu Lasten des Kantons Basel-Stadt zuzusprechen. Er stellt sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Appellationsgericht Basel-Stadt verzichtet auf eine Vernehmlassung und beantragt gestützt auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt sowie das Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt verzichten ebenfalls auf eine Vernehmlassung.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1420/2022 vom 10. März 2023
Wir schauen uns hier nur den Teil des Urteils zur Haftentschädigung an.
Der Beschwerdeführer rügt vor Bundesgericht, die Vorinstanz habe sein Gesuch um Haftentschädigung zu Unrecht abgewiesen. Damit verletze sie Art. 5 EMRK. Gemäss Art. 5 Ziff. 5 EMRK habe jeder, der entgegen den Bestimmungen dieses Artikels von Festnahme oder Haft betroffen worden sei, Anspruch auf Schadenersatz. Die Regelung in der EMRK sei eindeutig und lasse keinen Handlungsspielraum zu. Jede ohne gültigen Hafttitel festgehaltene Person sei zu entschädigen.
Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die vorinstanzlichen Erwägungen seien nicht überzeugend. Die vermeintliche Praxisänderung des Bundesgerichts sei irrelevant; relevant sei einzig die Feststellung der ungesetzlichen Haft. Der Instruktionsrichter habe die Ungesetzlichkeit attestiert und dem Berufungsgericht ein entsprechendes Haftanordnungsgesuch unterbreitet; die Praxisänderung sei demnach nur eine vermeintliche gewesen. Zudem bringt er vor, der Aufenthalt auf der Station xxx und derjenigen auf der Station yyy der UPK würden sich erheblichst unterscheiden. Die letztgenannte Station sei vollständig geschlossen, während er zuvor auf der Station xxx seine sozialen Kontakte und Ausgänge frei habe wählen und bestimmen können. Inwiefern dieser Stationswechsel keine schwerwiegenden Auswirkungen auf ihn gehabt haben soll, erschliesse sich somit nicht. Er sei angemessen mit Fr. 26’400.– zu entschädigen. (E.2.1)
Die Vorinstanz bezieht sich auf Art. 429 ff. StPO und erwägt, wie da Bundesgericht bemerkt, das vorübergehende Fehlen eines gültigen strafprozessualen Hafttitels führe nicht zwingend zu einer finanziellen Entschädigung (angefochtener Entscheid S. 17).
Sie führt aus, wie das Bundesgericht darstellt, vorliegend seien die materiellen Voraussetzungen für die Sicherheitshaft jederzeit erfüllt gewesen (angefochtener Entscheid S. 17 f.). Das vorübergehende Fehlen eines gültigen Hafttitels und die damit verbundene formelle Rechtswidrigkeit sei stark zu relativieren. Zum einen sei in der vorliegenden Konstellation bis zum Urteil des Bundesgerichts unklar gewesen, dass sich die Einweisung des Beschwerdeführers in die UPK ab dem 30. März 2022 nicht auf den erstinstanzlich angeordneten Rückweisungsbeschluss stützen lassen würde, obgleich dem Beschwerdeverfahren keine aufschiebende Wirkung zukomme. Der Beschwerdeführer hätte sich denn auch nicht auf eine Vorwirkung des neuen Rechts verlassen dürfen. Zum anderen sei der Haftentscheid des Appellationsgerichts umgehend nach Eröffnung des Urteils des Bundesgerichts ergangen (angefochtener Entscheid S. 18 f.).
Zudem sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer schon vor der Anordnung der Sicherheitshaft und seit seiner fürsorgerischen Unterbringung gewissermassen freiwillig in der Abteilung xxx der UPK verblieben sei und die angeordnete Sicherheitshaft für ihn letztlich nur den Wechsel auf die forensisch-psychiatrische Abteilung yyy der gleichen Institution bedeutet habe, was er denn anfänglich auch begrüsst habe. Dabei verweist die Vorinstanz auf das Verhandlungsprotokoll des Zwangsmassnahmengerichts vom 19. November 2021. Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer auch ohne Haftanordnung aufgrund seines aktuellen psychischen Zustands nicht in der Lage gewesen wäre, selbständig in Freiheit zu leben, und er so oder so in der UPK verblieben wäre, bis ein geeignetes Wohnheim oder eine betreute Wohnmöglichkeit gefunden worden wäre, habe die formelle Rechtswidrigkeit der angeordneten Sicherheitshaft im vorliegenden Fall keine schwerwiegenden Auswirkungen auf den Beschwerdeführer gehabt (angefochtener Entscheid S. 19), fasst das Bundesgericht die Position der Vorinstanz zusammen.
Die Vorinstanz zieht daraus, wie das Bundesgericht bemerkt, den Schluss, aufgrund dieser besonderen Umstände sei nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht dargelegt, inwiefern der Beschwerdeführer wegen Fehlens eines formellen Hafttitels immaterielle Unbill erlitten habe. Infolgedessen habe er keinen Anspruch auf eine Entschädigung wegen des vorübergehenden Fehlens eines Hafttitels (angefochtener Entscheid S. 19). (E.2.2).
Das Bundesgericht nimmt im Urteil 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 zum Thema Haftentschädigung dann wie folgt Stellung:
«Sind gegenüber der beschuldigten Person rechtswidrig Zwangsmassnahmen angewandt worden, so spricht ihr die Strafbehörde eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zu (Art. 431 Abs. 1 StPO); im Fall von Untersuchungs- und Sicherheitshaft besteht der Anspruch, wenn die zulässige Haftdauer überschritten ist und der übermässige Freiheitsentzug nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann (Art. 431 Abs. 2 StPO). Art. 431 StPO gewährleistet mithin den Anspruch auf Entschädigung und Genugtuung bei rechtswidrigen Zwangsmassnahmen (Abs. 1) oder bei Überhaft (Abs. 2). Sogenannte Überhaft liegt vor, wenn die Untersuchungs- und/oder Sicherheitshaft unter Einhaltung der formellen und materiellen Voraussetzungen rechtmässig angeordnet wurde, diese Haft den im Entscheid ausgesprochenen Freiheitsentzug aber überschreitet, also länger dauert als die tatsächlich ausgefällte Sanktion. Bei Überhaft nach Art. 431 Abs. 2 StPO ist also nicht die Haft per se, sondern nur die Haftlänge ungerechtfertigt. Sie wird erst im Nachhinein, das heisst nach Fällung des Urteils, übermässig (BGE 141 IV 236 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteile 6B_273/2021 vom 25. August 2022 E. 1.3.1; 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 1.5; je mit Hinweisen).» (E.2.3.1).
«Als Zwangsmassnahme gelten nach Art. 196 StPO jene Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, die in die Grundrechte des Betroffenen eingreifen und dazu dienen, Beweise zu sichern, die Anwesenheit von Personen im Verfahren sicherzustellen oder die Vollstreckung des Entscheids zu gewährleisten. Hierunter fällt namentlich auch die Sicherheitshaft (vgl. WEHRENBERG/FRANK, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 431 StPO; vgl. Urteil 6B_878/2019 vom 20. Mai 2020 E. 1.4.2). Zwangsmassnahmen sind rechtswidrig, wenn zum Zeitpunkt ihrer Anordnung oder Fortsetzung die materiellen oder formellen gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 196 ff. StPO nicht erfüllt waren (Urteile 6B_888/2021 vom 24. November 2022 E. 5.3; 6B_1273/2019 vom 11. März 2020 E. 4.3.1; 6B_990/2013 vom 10. Juni 2014 E. 2.2; je mit Hinweisen). Wird hingegen erst im Nachhinein festgestellt, dass die Zwangsmassnahme ungerechtfertigt war, weil die beschuldigte Person freigesprochen oder deren Strafverfahren eingestellt wird, waren aber zum Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsmassnahme deren Voraussetzungen gegeben, stützt sich der Entschädigungs- bzw. Genugtuungsanspruch auf Art. 429 StPO (vgl. Urteil 6B_990/2013 vom 10. Juni 2014 E. 2.2; SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1825; WEHRENBERG/FRANK, a.a.O., N. 3 zu Art. 431 StPO).» (E.2.3.2)
«Der aus Art. 5 Abs. 5 EMRK abgeleitete Entschädigungsanspruch besteht unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, insbesondere des Verhaltens der beschuldigten Person. Die zuständige Strafbehörde entscheidet über den Anspruch von Amtes wegen im Endentscheid, wobei die Frage nach dem Ob einer Entschädigung aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung nicht im Ermessen der Strafbehörde liegt. Für die Art und den Umfang der Wiedergutmachung nach Art. 429 ff. StPO dürfen die allgemeinen Bestimmungen der Art. 41 ff. OR herangezogen werden. Die Wahl der Art der Wiedergutmachung obliegt nicht der beschuldigten Person, sondern steht im Ermessen des Richters (vgl. Urteile 6B_878/2019 vom 20. Mai 2020 E. 1.4.2; 6B_1223/2019 vom 27. März 2020 E. 8.3; 6B_149/2017 vom 16. Februar 2018 E. 11.3 mit Hinweisen; vgl. WEHRENBERG/FRANK, a.a.O., N. 3 ff. zu Art. 431 StPO).» (E.2.3.3)
Das Bundesgericht kommt im Urteil 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 diesbezüglich zur Schlussfolgerung:
«Die Inhaftierung des Beschwerdeführers vom 22. April 2022 bis zum Haftentscheid der Vorinstanz vom 31. August 2022 ist mangels eines gültigen strafprozessualen Hafttitels als formell rechtswidrig zu qualifizieren, was vorliegend unumstritten ist (vgl. Urteil 1B_375/2022 vom 4. August 2022). Die Unrechtmässigkeit von erstandener Haft ist nach der Rechtsprechung in der Regel im Dispositiv des Haftprüfungsentscheides festzustellen (BGE 142 IV 245 E. 4.1; 140 I 246 E. 2.5.1; Urteil 6B_137/2016 vom 1. Dezember 2016 E. 1.1; je mit Hinweisen); dem wurde mit verfahrensleitender Verfügung vom 18. Mai 2022 nachgekommen.
Zwar liegt die Wahl der Art der Wiedergutmachung im Ermessen des Richters; dies bezieht sich jedoch nicht auf die Frage nach dem Ob einer Entschädigung (vgl. E. 2.3.3 oben). Indem die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Entschädigung verweigert und dies damit begründet, das vorübergehende Fehlen eines gültigen Hafttitels und die damit verbundene formelle Rechtswidrigkeit sei unter den vorliegenden Umständen stark zu relativieren und überdies habe die formelle Rechtswidrigkeit der angeordneten Sicherheitshaft in casu keine schwerwiegenden Auswirkungen auf den Beschwerdeführer gehabt, verletzt sie Bundesrecht. Die Vorinstanz hat den an den Beschwerdeführer auszurichtenden Anspruch festzusetzen.» (E.2.4).
Die Beschwerde wird durch das Bundesgericht deshalb teilweise gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid aufgehoben und zur Vorinstanz zurückgewiesen (E.3).