Sachverhalt
Am 14. Juni 2021 kam es zwischen den Nachbarinnen A. (Beschwerdeführerin) und B. zu einer Auseinandersetzung. Beide erstatteten in der Folge gegeneinander Strafanzeige: A. gegen B. wegen Drohung, Nötigung sowie Sachbeschädigung, letztere gegen erstere wegen Ehrverletzung.
Am 7. März 2022 führte die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis eine Einigungsverhandlung mit den Beteiligten durch, anlässlich welcher ein Vergleich mit folgendem Wortlaut getroffen wurde:
«B. zahlt A. per Saldo aller Ansprüche CHF 1’000.00 in monatlichen Raten von 4x CHF 250.00, erstmals per 01.04.2022. Beide Parteien entschuldigen sich gegenseitig und versprechen sich zukünftig zu respektieren. Hiermit ziehen beiden [sic] Parteien ihre Strafanträge unwiderruflich zurück und erklären ihr Desinteresse an der Strafverfolgung und verzichten auf weitergehende Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche.»
Am 8. März 2022 schrieb der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin dem zuständigen Staatsanwalt, er wolle sich nochmals herzlich dafür bedanken, dass dieser mit Bravour und dem nötigen Fingerspitzengefühl eine Einigung zwischen den Parteien ermöglicht habe. Allerdings hätten ihn die Worte des Staatsanwalts bei der Verabschiedung, dass die Anwaltskosten aufgrund des Vergleichs von seiner Klientin selbst getragen werden müssten, etwas verwirrt. Für dieses Vorgehen bestehe keine gesetzliche Grundlage und seine Klientin habe grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO. Sie sei nicht geständig gewesen und habe in keiner Weise Anlass zur Durchführung des Strafverfahrens gegeben oder dieses erschwert, weshalb ihr eine Entschädigung auch nicht verweigert werden könne. Der Beizug einer erbetenen Verteidigung sei ohne Weiteres gerechtfertigt gewesen, da nicht nur eine Nötigung sowie eine Drohung im Raum gestanden seien, sondern auch noch eine qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln, da B. ausgesagt habe, die Beschwerdeführerin sei circa 100 Stundenkilometer bei einer allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern gefahren. Am 9. März 2022 antwortete der zuständige Staatsanwalt dem Rechtsvertreter, eine qualifiziert grobe Verletzung der Verkehrsregeln sei der Beschwerdeführerin nie vorgeworfen worden, weshalb die polizeiliche Befragung auch ohne anwaltliche Vertretung habe durchgeführt werden können. Die Beschwerdeführerin sei am 15. Juni 2021 und zweimal am 29. Juli 2021 ohne Verteidigung polizeilich befragt worden und die anwaltliche Mandatierung sei erst am 4. September 2021 erfolgt. Das Verfahren sei durch die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf eine Einigungsverhandlung nicht formell mittels Verfügung eröffnet worden. Anlässlich der Einigungsverhandlung sei durch die Beschwerdeführerin in Anwesenheit des Rechtsvertreters auf weitergehenden Schadenersatz und Genugtuung verzichtet worden. Mündlich sei mitgeteilt worden, dass die Staatsanwaltschaft im Gegenzug keine Verfahrenskosten auferlege. Ein Verzicht auf Schadenersatz und Genugtuung umfasse sämtliche Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen und somit auch allfällige Entschädigungen, Aufwendungen, Reisespesen etc.
Gleichentags antwortete wiederum der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin und hielt fest, dass weder er noch seine Klientin auf eine Entschädigung für die erbetene Verteidigung verzichtet hätten. Im Rahmen des Vergleichs sei einzig gegenüber der Gegenpartei auf Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen verzichtet worden. Die Kostenlosigkeit im Fall eines durch die Staatsanwaltschaft vermittelten Vergleichs ergebe sich bereits aus Art. 427 Abs. 3 StPO und habe in keiner Weise mit einem Entgegenkommen der Staatsanwaltschaft zu tun.
Am 31. März 2022 verfügte die Staatsanwaltschaft die Einstellung der Strafuntersuchung gegen A. wegen Ehrverletzung etc., nahm die Kosten auf die Staatskasse und sprach der Beschwerdeführerin „mangels wesentlicher Umtriebe und besonders schwerer Verletzung in ihren persönlichen Verhältnissen und nach Verzichtserklärung“ weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung zu.
Instanzenzug
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 25. April 2022 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich mit folgenden Anträgen: «Es sei Ziff. 3 der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 31. März 2022 wie folgt abzuändern: ‚Der beschuldigten Person wird eine Prozessentschädigung in der Höhe von CHF 1’901.30 inkl. MwSt., aber keine Genugtuung zugesprochen.‘ ohne Kosten- und unter Entschädigungsfolgen zzgl. MwSt. zulasten der Staatskasse.»
Das Obergericht wies im Urteil 7B_38/2022 vom 29. April 2024 die Beschwerde mit Verfügung vom 19. September 2022 ab.
Weiterzug ans Bundesgericht
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei die Verfügung des Obergerichts aufzuheben und es sei ihr eine Prozessentschädigung von CHF 1’901.30 inkl. MwSt. zuzusprechen. Weiter sei ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen. Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_38/2022 vom 29. April 2024
Die Beschwerdeführerin macht vor Bundesgericht geltend, ihr stehe gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO ein Entschädigungsanspruch zu (E.2).
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_38/2022 vom 29. April 2024 zunächst generell-abtrakt wie folgt:
«Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Die Bestimmung begründet eine Kausalhaftung des Staates. Dieser muss den gesamten Schaden wieder gutmachen, der mit dem Strafverfahren in einem adäquaten Kausalzusammenhang im Sinne des Haftpflichtrechts steht (BGE 142 IV 237 E. 1.3.1; Urteile 7B_12/2022 vom 13. März 2024 E. 2.2; 7B_150/2023 vom 23. Oktober 2023 E. 3.1; je mit Hinweisen). Erfolgt die Verfahrenseinstellung auf einen Vergleich hin gestützt auf Art. 316 Abs. 3 StPO, passt Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO als Anspruchsgrundlage eines Entschädigungsanspruchs gegenüber dem Staat nicht, da die Parteien üblicherweise im Vergleich die Entschädigungsfrage abschliessend regeln (vgl. Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, Bern 2001, S. 288; Jositsch/Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2023, N. 12 zu Art. 427 StPO). Allerdings – und insoweit ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen – enthält Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO auch keinen Vorbehalt zugunsten des Falles einer Einstellung infolge eines Vergleichs nach Art. 316 StPO.» (E.2.1).
«Demgegenüber ist die Regelung von Art. 427 Abs. 3 StPO ausdrücklich auf den Fall eines Vergleichs nach Art. 316 StPO zugeschnitten: Danach trägt in der Regel der Bund oder der Kanton die Verfahrenskosten, wenn die antragstellende Person im Rahmen eines durch die Staatsanwaltschaft vermittelten Vergleichs den Strafantrag zurückzieht. Damit soll die Bereitschaft der Beteiligten zur Zustimmung zu einem durch die Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Vergleich gefördert werden (Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, Bern 2001, S. 288). Gemäss Art. 427 Abs. 4 StPO bedarf sodann eine Vereinbarung zwischen der antragstellenden und der beschuldigten Person über die Kostentragung beim Rückzug des Strafantrags der Genehmigung der Behörde, welche die Einstellung verfügt; die Vereinbarung darf sich nicht zulasten des Bundes oder des Kantons auswirken. Bei der Vereinheitlichung des Strafprozessrechts wurde dieser Genehmigungsvorhalt vorgeschlagen, damit es die Parteien nicht in der Hand haben, durch Abschluss einer solchen Vereinbarung die Kostenpflicht z.B. einer zahlungsunfähigen Partei zuzuschieben und so den Staat um die ihm zustehenden Verfahrenskosten zu prellen (Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, Bern 2001, S. 288), bzw. die Kostenpflicht gar dem Staat aufzuerlegen. Hierin kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass Vereinbarungen nicht zulasten eines Dritten – hier des Staates – abgeschlossen werden können („alteri stipulari nemo potest“). Sowohl Abs. 3 wie auch Abs. 4 von Art. 427 StPO beziehen sich dabei auf die Verfahrenskosten. In der Lehre zu dieser Bestimmung wird jedoch ein Zusammenhang zu den Entschädigungen hergestellt: So wird zutreffend ausgeführt, dass Abs. 3 Entschädigungen zugunsten der Parteien gerade nicht betrifft, diese mithin nicht vom Staat getragen werden (Yvona Griesser, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Andreas Donatsch et al. [Hrsg.], 3. Aufl. 2020, N. 12 zu Art. 427 StPO), sondern sich die Parteien über die Auflage allfälliger Entschädigungen zu einigen haben (Thomas Domeisen, in: Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, N. 16 zu Art. 427 StPO). Die Regel von Abs. 4 kommt dabei auch auf Entschädigungen zur Anwendung: Die Parteien können Dritte oder den Staat ohne deren Einverständnis nicht mit zu leistenden Entschädigungen belasten (Domeisen, a.a.O., N. 17 zu Art. 427 StPO; Jositsch/Schmid, a.a.O.). Aus dem Gesagten folgt, dass nicht nur das Schicksal der Kosten, sondern auch jenes der Entschädigung (en) im Vergleich zu regeln ist. Ein Vergleich bedarf der Genehmigung der Behörden, wenn die Parteien sich Entschädigungen zulasten des Staates vorbehalten wollen. Ansprüche gegen den Staat entstehen mithin nur im Falle eines von der Behörde genehmigten Vorbehalts einer Entschädigung zulasten der Staatskasse.» (E.2.2).
Fallbezogen entscheidet das Bundesgericht im Urteil 7B_38/2022 vom 29. April 2024 wie folgt:
«Im vorliegenden Fall haben die Parteien in ihrem Vergleich eine Regelung über „weitergehende Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche“ getroffen. Einen Vorbehalt zugunsten von Entschädigungsansprüchen, die der Staat zu tragen hätte, geht aus dieser Regelung nicht hervor. Die Staatsanwaltschaft hat denn auch keinen solchen Vorbehalt zu ihren Lasten genehmigt. Damit sind aber weitergehende Entschädigungsansprüche zulasten des Staates ausgeschlossen. Dies umso mehr, als nach der Rechtsprechung zur Auslegung von Vergleichsverträgen im Allgemeinen Folgendes gilt: Wenn Fragen nicht ausdrücklich geregelt sind, die in engem Zusammenhang mit den vergleichsweise beigelegten Meinungsverschiedenheiten stehen und deren Beantwortung sich zur Beilegung des Streits aufdrängt, darf in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie von den Parteien mangels eines ausdrücklichen Vorbehalts nicht vom Vergleich ausgenommen werden sollten (Urteil 5A_89/2021 vom 29. August 2022 E. 5.6.2 mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur). Nichts anderes gilt für die vorliegende Entschädigungsfrage, für die keine ausdrückliche Regelung im Sinne eines Vorbehalts zulasten des Staates getroffen worden ist.» (E.2.3).
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab (E.3).