Ausstandspflicht bei Richterinnen und Richtern

Im Urteil 7B_57/2023 vom 14. März 2024 aus dem Kanton Zürich ging es ein Ausstandsgesuch der Staatsanwaltschaft gegen einen Oberrichter, eine interessante Ausgangslage. Das Bundesgericht äusserte sich in diesem Fall allgemein zum Thema Ausstandspflicht und ging auch spezifisch auf Gerichtspersonen ein (E.3.1 und E.3.2). Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Entscheidungen, welche sich im Nachhinein als falsch herausgestellt haben, vermögen nicht per se einen objektiven Verdacht der Voreingenommenheit zu begründen (vgl. E. 3.2.2 hiervor). Die Garantie des unabhängigen und unparteiischen Richters verlangt auch nicht den Ausstand eines Richters aus dem blossen Grund, dass dieser in einem früheren Verfahren – ja sogar im gleichen Verfahren – zu Ungunsten des Betroffenen entschieden hat […]. Grundsätzlich liegt keine unzulässige Mehrfachbefassung bei einer Gerichtsperson vor, die an dem durch die Rechtsmittelinstanz aufgehobenen Entscheid beteiligt war und nach Rückweisung der Sache an der Neubeurteilung mitwirkt […]. Die am Entscheid beteiligten Richter der unteren Instanz stehen nicht von vorneherein unter dem Anschein der Befangenheit. Dafür bedarf es besonderer Umstände, namentlich konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die frühere Befassung mit einer Strafsache bereits zur festen richterlichen Gewissheit über den Schuldpunkt geführt hat […]» (E.3.3.3).

Sachverhalt / Instanzenzug

Mit Urteil vom 9. April 2019 erklärte das Bezirksgericht Zürich A. des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes, des mehrfachen Vergehens gegen das Bankengesetz und der mehrfachen versuchten Nötigung schuldig. Gegen die Beschuldigten B. und C. erging je ein Schuldspruch wegen Anstiftung zum mehrfachen Vergehen gegen das Bankengesetz. Von den übrigen Anklagevorwürfen sprach das Bezirksgericht die Beschuldigten frei. Dagegen erhoben sowohl die Beschuldigten als auch die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich Berufung.

Im anschliessenden Berufungsverfahren mit der Verfahrensnummer SB190308 hob die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich mit Beschluss vom 17. Dezember 2021 das Urteil des Bezirksgerichts auf und wies die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurück. In der Hauptsache hielt das Obergericht fest, beim vormaligen Verfahrensleiter, Staatsanwalt Peter Giger, sei der Anschein von Befangenheit zu erkennen, was zur Konsequenz habe, dass die von diesem erhobenen Beweismittel nicht verwertet werden dürften. Ebenfalls erachtete es die durch Staatsanwalt Maric Demont durchgeführten Einvernahmen nicht als gültige Wiederholungen, sondern qualifizierte auch diese zufolge des Fernwirkungsverbots als unverwertbar. Das Bundesgericht hiess die dagegen gerichtete Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Urteil 6B_215/2022 vom 25. August 2022 gut und wies die Angelegenheit zur Fortsetzung des Berufungsverfahrens an die Vorinstanz zurück.

Im nunmehr mit der Verfahrensnummer SB22049 geführten Berufungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft am 22. Dezember 2022 ein Ausstandsgesuch gegen Oberrichter Christian Prinz. Die I. Strafkammer des Obergerichts übermittelte dieses am 27. Dezember 2022 zuständigkeitshalber an die II. Strafkammer desselben Gerichts, zusammen mit der Stellungnahme von Christian Prinz vom 23. Dezember 2022. Mit Beschluss vom 21. März 2023 wies die II. Strafkammer das Ausstandsbegehren ab.

Weiterzug ans Bundesgericht

Die Oberstaatsanwaltschaft gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und beantragt, der Beschluss der II. Strafkammer des Obergerichts vom 21. März 2023 sei aufzuheben und Oberrichter Christian Prinz sei in den Ausstand zu versetzen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Christian Prinz und die II. Strafkammer des Obergerichts haben auf eine Stellungnahme verzichtet.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_57/2023 vom 14. März 2024  

Die Beschwerdeführerin, die Oberstaatsanwaltschaft, macht folgende Rügen geltend:

«Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 56 lit. f StPO und Art. 29 Abs. 2 BV sowie eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Sie macht zusammengefasst geltend, im Beschluss SB190308 vom 17. Dezember 2021 habe sich eine ausserordentlich schwere Verletzung der richterlichen Amtspflichten des Dreiergremiums um den Beschwerdegegner zum Nachteil der Staatsanwaltschaft bzw. des öffentlichen Interesses an der materiellen Wahrheitsfindung manifestiert. Die I. Strafkammer habe in diesem Beschluss zentral und hauptsächlich auf das Verteidigerplädoyer abgestützt, ohne auf die umfangreichen aktenkundigen Vorbringen der Staatsanwaltschaft einzugehen oder sich mit den Verfahrensakten auseinanderzusetzen. Dadurch habe der Beschwerdegegner zum Ausdruck gebracht, dass er gewillt sei, die Vorbringen der Verteidigung eins zu eins zu übernehmen und die Einwände der Staatsanwaltschaft unbeachtet zu lassen, ohne die Behauptungen der Verteidigung einer kritischen Würdigung bzw. einer Überprüfung zu unterziehen. Die Vorinstanz des vorliegenden Verfahrens sei mit keinem einzigen Wort auf die Frage der augenscheinlich fehlenden Sachbefassung, Betrachtungstiefe oder Detailtreue im Beschluss SB190308 eingegangen. Vielmehr habe sie ignoriert, dass das Bundesgericht in seinem Urteil 6B_215/2022 vom 22. August 2022 „eine nicht abreissende Kette von teils schweren und unerklärlichen Fehlern“ aufgelistet habe. Im Beschluss SB190308 habe der damalige Spruchkörper und damit auch der Beschwerdegegner als Referent seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, sämtliche Beweismittel, mit denen Staatsanwalt Peter Giger in Berührung gekommen sei, seien kontaminiert, und habe deren Unverwertbarkeit wie sogar auch die Unverwertbarkeit der von dessen Nachfolger Staatsanwalt Maric Demont erhobenen Folgebeweise festgehalten. Der Beschwerdegegner habe sich darin bereits derart stark mit der Verwertbarkeit der Beweise und mit deren (aus seiner Optik nichtigen) Beweiswert auseinandergesetzt, dass er im fortzusetzenden Berufungsverfahren SB22049, in dem er erneut Referent sei, nicht mehr neutral und offen darüber befinden könne.» (E.3.1).

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_57/2023 vom 14. März 2024 wie folgt, generell-abstrakt, zum Thema Ausstand:

«Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Garantie des verfassungsmässigen Gerichts soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen. Diese Garantie wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten Verhalten der betreffenden Gerichtsperson oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein (BGE 142 III 732 E. 4.2.2). Auf das bloss subjektive Empfinden einer Partei kann bei der Beurteilung nicht abgestellt werden. Die abgelehnte Gerichtsperson muss nicht tatsächlich befangen sein; der Anschein der Befangenheit genügt (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 147 I 173 E. 5.1; 144 I 234 E. 5.2; 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.1; je mit Hinweisen). Die genannte verfassungsrechtliche Garantie wird für das Strafverfahren durch Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 144 I 234 E. 5.2 mit Hinweisen). Gemäss dieser Bestimmung tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person unter anderem in den Ausstand, wenn sie in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, in der gleichen Sache tätig war (sog. Vorbefassung; lit. b) oder wenn sie aus „anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte“ (lit. f). Die Gerichte gehören zu den Strafbehörden (vgl. Art. 13 StPO). Ist die vom Ausstandsgesuch betroffene Person – wie vorliegend – in derselben Stellung mit der gleichen Sache mehrfach befasst, liegt keine Vorbefassung im Sinne von Art. 56 lit. b StPO, sondern eine sogenannte Mehrfachbefassung vor (BGE 148 IV 137 E. 5.4; 143 IV 69 E. 3.1). Die Mehrfachbefassung kann jedoch unter dem Gesichtswinkel von Art. 56 lit. f StPO Bedeutung erlangen, wenn zu erwarten ist, die betroffene Gerichtsperson habe sich in Bezug auf einzelne Fragen bereits in einem Masse festgelegt, dass das Verfahren im späteren Verfahrensabschnitt nicht mehr als offen erscheint. Ob eine unzulässige, den Verfahrensausgang vorwegnehmende Mehrfachbefassung vorliegt, kann nicht allgemein gesagt werden und ist anhand der tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände in jedem Einzelfall zu klären (BGE 148 IV 137 E. 5.5 mit Hinweisen). Zu berücksichtigen ist dabei, in welchen prozessualen Funktionen die Gerichtsperson mit der Sache befasst war, welche Fragen sie zu entscheiden hatte und in welchem Zusammenhang diese zu den aktuell zu beantwortenden Fragen stehen, sowie der Umfang ihrer Entscheidbefugnis; auch die Bedeutung jedes einzelnen Entscheids für den Fortgang des Verfahrens kann in die Beurteilung einbezogen werden (zum Ganzen: Urteil 7B_55/2023 vom 19. Juli 2023 E. 2.2.1 mit Hinweis).» (E.3.2.1).

«Der Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst nicht auch die Garantie jederzeit fehlerfrei arbeitender Richter. Prozessuale Rechtsfehler sind im Rechtsmittelverfahren zu rügen und lassen sich grundsätzlich nicht als Begründung für eine Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters heranziehen. Nur ausnahmsweise können richterliche Verfahrensfehler die Unbefangenheit einer Gerichtsperson in Frage stellen. Dabei müssen objektiv gerechtfertigte Gründe zur Annahme bestehen, dass sich in Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiert, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruht. Wird der Ausstandsgrund aus materiellen oder prozessualen Rechtsfehlern abgeleitet, so sind diese nur wesentlich, wenn sie besonders krass sind oder wiederholt auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (zum Ganzen: BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3; je mit Hinweisen).» (E.3.2.2).

Fallbezogen äussert sich das Bundesgericht dann im Urteil 7B_57/2023 vom 14. März 2024 wie folgt:

«Das Bundesgericht erwog im Urteil 6B_215/2022 vom 25. August 2022, die Vorinstanz verkenne, dass es beim Verfahren STA III/2013/56 einerseits und bei den Verfahren STA III/2014/52 und STA III/2015/41229 andererseits um unterschiedliche Verfahren gehe. Daraus, dass Staatsanwalt Peter Giger die beiden Verfahren STA III/2013/56 und STA III/2015/41229 bzw. die verschiedenen Strafanzeigen nicht mit der gleichen Priorität, nicht mit der gleichen Vehemenz und nicht gleich intensiv behandelt habe, lasse sich daher von vornherein kein Anschein der Befangenheit herleiten. Vielmehr sei in beiden Verfahren gesondert zu prüfen gewesen, welche Untersuchungshandlungen in Anbetracht der konkret erhobenen Vorwürfe angezeigt gewesen seien. Hinzu komme, dass in Deutschland ein mit dem Verfahren STA III/2013/56 identisches Verfahren wegen Betrugs hängig gewesen sei, wobei der Betrugstatbestand gemäss § 263 des deutschen Strafgesetzbuches mangels eines Qualifikationsmerkmals der Arglist schneller greife. Die Vorinstanz halte Staatsanwalt Peter Giger zudem vor, er habe seine innere Haltung offenbart, wonach die Geschäfte einer involvierten Bank nicht als Betrug im Sinne von Art. 146 StGB zum Nachteil eines Geschädigten einzustufen seien. Damit greife die Vorinstanz angebliche Ausstandsgründe auf, welche nicht das vorliegende Verfahren, sondern das Verfahren STA III/2013/56 betreffen würden. Abgesehen davon unterlasse es die Vorinstanz, die beanstandete Äusserung zeitlich und sachlich in ihren Kontext einzuordnen. Sie stelle für die angeblich voreingenommenen Äusserungen von Staatsanwalt Peter Giger zum Verfahren STA III/2013/56 einzig auf eine Eingabe von Staatsanwalt Peter Giger im „Ausstandsverfahren vor dem Obergericht Zürich“ ab. In diesem Ausstandsverfahren habe sich Staatsanwalt Peter Giger gegen den Vorwurf der Befangenheit und Untätigkeit im Verfahren STA III/2013/56 zur Wehr setzen müssen, was jedoch keinerlei Rückschlüsse auf eine bereits vor der kritisierten Aussage bestehende Befangenheit im vorliegenden Verfahren zulasse. Die Vorinstanz mache Staatsanwalt Peter Giger weiter zu Unrecht zum Vorwurf, dass er die Strafanzeige desselben Geschädigten vom 20. März 2013 derselben Bank am 31. März 2013 zur Stellungnahme zugestellt habe. Prozessuale Rechtsfehler – so das Bundesgericht im besagten Urteil – begründeten lediglich ausnahmsweise eine Befangenheit, wenn damit gleichzeitig fehlende Distanz und Neutralität zum Ausdruck gebracht werde, was sich bei der angeblich zu Unrecht kommunizierten Strafanzeige schwerlich behaupten lasse. Dies müsse umso mehr gelten, als der angebliche Verfahrensmangel ein anderes Verfahren betroffen und sich in einem Zeitpunkt ereignet habe (im März 2013), in welchem das vorliegende Verfahren noch gar nicht hängig gewesen sei. Die Vorinstanz zitiere schliesslich eine Aussage von Staatsanwalt Peter Giger aus dem Haftantrag vom 15. Mai 2014 gegenüber A. zuhanden des Zwangsmassnahmengerichts, welche sie jedoch aus dem Zusammenhang herausreisse. Weiter übergehe die Vorinstanz, dass es bei der erwähnten Äusserung im Haftverfahren gegen A. ausschliesslich darum gegangen sei, gegenüber dem Zwangsmassnahmengericht einen dringenden Tatverdacht im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StPO zu begründen. Daraus lasse sich kein Befangenheitsgrund herleiten. Die Vorinstanz setze sich auch nicht ansatzweise mit der Bestimmung von Art. 58 Abs. 1 StPO auseinander, wonach Ausstandsgründe unverzüglich geltend zu machen seien. Sie bejahe gegenüber Staatsanwalt Peter Giger daher zu Unrecht einen Ausstandsgrund im Sinne von Art. 56 lit. f StPO.» (E.3.3.1).

«Gestützt auf das Urteil 6B_215/2022 kann nicht auf eine schwere Amtspflichtverletzung des Beschwerdegegners (als Referent) im Verfahren SB190308 geschlossen werden. Auch wenn das Bundesgericht darin deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Vorinstanz im besagten Verfahren keinen Ausstandsgrund beim vormaligen Verfahrensleiter Staatsanwalt Peter Giger hätte annehmen dürfen, ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdegegner als Teil des fraglichen Spruchkörpers einen besonders krassen Rechtsfehler begangen hätte. Jedenfalls setzte sich die Vorinstanz in ihrem Beschluss SB190308 vom 17. Dezember 2021 über rund sechs Seiten mit den Argumenten der Verfahrensbeteiligten, mithin auch der Staatsanwaltschaft, auseinander. Demgegenüber tut die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht näher dar, welches ihrer damaligen Vorbringen die Vorinstanz nicht behandelt habe. Wenn sie – unbelegt – behauptet, die Vorinstanz sei auf ihre „umfangreichen (zutreffenden) aktenkundige Vorbringen“ nicht eingegangen, genügt dies den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG nicht.» (E.3.3.2).

«Entscheidungen, welche sich im Nachhinein als falsch herausgestellt haben, vermögen nicht per se einen objektiven Verdacht der Voreingenommenheit zu begründen (vgl. E. 3.2.2 hiervor). Die Garantie des unabhängigen und unparteiischen Richters verlangt auch nicht den Ausstand eines Richters aus dem blossen Grund, dass dieser in einem früheren Verfahren – ja sogar im gleichen Verfahren – zu Ungunsten des Betroffenen entschieden hat (BGE 143 IV 69 E. 3.1; 129 III 445 E. 4.2.2.2; 114 Ia 278 E. 1). Grundsätzlich liegt keine unzulässige Mehrfachbefassung bei einer Gerichtsperson vor, die an dem durch die Rechtsmittelinstanz aufgehobenen Entscheid beteiligt war und nach Rückweisung der Sache an der Neubeurteilung mitwirkt (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.1; 138 IV 142 E. 2.4; 116 Ia 28 E. 2a). Die am Entscheid beteiligten Richter der unteren Instanz stehen nicht von vorneherein unter dem Anschein der Befangenheit. Dafür bedarf es besonderer Umstände, namentlich konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die frühere Befassung mit einer Strafsache bereits zur festen richterlichen Gewissheit über den Schuldpunkt geführt hat (Urteile 7B_55/2023 vom 19. Juli 2023 E. 2.3.2; 1B_460/2018 vom 20. November 2018 E. 3.2 mit Hinweisen). Anders gesagt darf der Richter durch seine Haltung und seine vorangegangenen Äusserungen nicht klar zum Ausdruck gebracht haben, dass er nicht fähig sein würde, seinen Standpunkt zu überdenken und sich der Angelegenheit unter Abstand zu seiner vorgängig geäusserten Meinung wieder zu widmen (BGE 138 IV 142 E. 2.3). Solches liegt hier ebenfalls nicht vor: Das Bundesgericht hielt im Urteil 6B_215/2022 fest, dass die von Staatsanwalt Peter Giger erhobenen Beweise (sowie die gestützt darauf erhobenen Folgebeweise) nicht im Sinne von Art. 60 Abs. 1 StPO unverwertbar sind. Wie die Vorinstanz zu Recht erwägt, wird darauf im fortzuführenden Berufungsverfahren – vorbehältlich neu vorgetragener Ausstandsgründe – nicht mehr zurückzukommen sein. Darüber hinaus hat sich der Spruchkörper des Berufungsgerichts und damit auch der Beschwerdegegner materiell bislang gar nicht zu den (verwertbaren) Beweisen geäussert. Dementsprechend hat der Beschwerdegegner nicht zum Ausdruck gebracht und ist auch nicht ersichtlich, dass er nicht (mehr) in der Lage sein wird, die Beweise alsdann im Berufungsverfahren rechtskonform zu würdigen. Entgegen der Beschwerdeführerin ist diese Ausgangslage auch nicht vergleichbar mit dem Urteil 1P.591/2005 vom 2. November 2005, in welchem das Bundesgericht eine Befangenheit annahm, weil das Gericht in antizipierter Beweiswürdigung zum Schluss gekommen war, dass eine Zeugeneinvernahme an der gerichtlichen Überzeugung der Schuld nichts zu ändern vermöge, und deshalb zu befürchten war, dass dieses Gericht eine ergänzende Zeugenbefragung nicht mehr unvoreingenommen würdigen könne. Vorliegend hat das Berufungsgericht noch keine Einschätzung über das Beweisergebnis abgegeben, welche den Schluss nahelegen könnte, es hätte sich in der Sache bereits festgelegt. 

In diesem Zusammenhang kann die Beschwerdeführerin auch aus dem Umstand, dass das Obergericht des Kantons Zürich im Verfahren SB190308 angeblich „in ganz ungewöhnlicher Weise“ eine Medienmitteilung mit „haltlosen Vorwürfen an (den in der Medienmitteilung anonymisierten, aber in der darauffolgenden Medienberichterstattung namentlich erwähnten) Staatsanwalt Peter Giger“ erlassen habe, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Medienmitteilung dem Beschwerdegegner zugerechnet wird. Auf das Argument der Vorinstanz, die Medienmitteilung lasse sich nicht dem Beschwerdegegner zuordnen, selbst wenn er Referent in der Sache gewesen sei, braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden.» (E.3.3.3).

Im Ergebnis verletzt die Vorinstanz gemäss dem Bundesgericht kein Bundesrecht, wenn sie das Ausstandsgesuch der Staatsanwaltschaft abweist (E.3.4).

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab (E.4).

 

 

 

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