Anfechtung des gekürzten Honorars durch eigene Beschwerde der amtlichen Verteidigung

Im Urteil 6B_532/2022 vom 20. März 2023 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit dem Rechtsmittelweg, den eine amtliche Verteidigerin einzuschlagen hatte, um die Festsetzung bzw. massive Kürzung des Honorars durch das Bezirksgericht Meilen anzufechten. Das Bundesgericht erklärte, dass die Festsetzung der Höhe der Entschädigung der amtlichen Verteidigung grundsätzlich nur deren eigenen Interessen betrifft. Die amtliche Verteidigung ist gemäss Art. 135 Abs. 3 StPO zur Beschwerde im eigenen Namen befugt. Die amtliche Verteidigung kann (und muss) daher gegen den erstinstanzlichen Entschädigungsentscheid in ihrer Eigenschaft als Verfahrensbeteiligte in eigenem Namen strafprozessuale Beschwerde führen. Die 10-tägige Frist zur Beschwerde gegen ein Urteil (vgl. Art. 396 Abs. 1 StPO) beginnt mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids (E.2.1). Die neue Regelung in der revStPO zeitigt noch keine Vorwirkungen.

Sachverhalt

Die Rechtsanwältin A. hatte die amtliche Verteidigung in einem Strafverfahren übernommen.

Mit Urteil vom 8. Juni 2021 entschädigte das Bezirksgericht Meilen A. mit total Fr. 16’021.45, wobei es ihr Honorar um Fr. 9’820.95 kürzte (Dispositiv-Ziff. 10 und 12).

Gegen dieses Urteil meldete A. im Namen ihres Mandaten am 21. Juni 2021 Berufung an (kantonale Akten, act. 54) und reichte am 4. Februar 2022 die Berufungserklärung ein, dies unter anderem mit dem Antrag, die Entschädigung für die amtliche Verteidigung sei auf Fr. 25’842.40 festzusetzen (kantonale Akten, act. 65).

Entscheid Vorinstanz

Das Obergericht des Kantons Zürich, das A. hinsichtlich der Entschädigung der amtlichen Verteidigung als Partei erfasste, trat mit Beschluss vom 22. März 2022 auf die „Honorarbeschwerde der amtlichen Verteidigung“ nicht ein und auferlegte A.  die Kosten für den Nichteintretensbeschluss von Fr. 600.–.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der obergerichtliche Beschluss sei aufzuheben und das Obergericht sei anzuweisen, auf ihre Berufungserklärung hinsichtlich Dispositiv-Ziff. 10 und 12 des bezirksgerichtlichen Urteils einzutreten.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_532/2022 vom 20. März 2023

Beschwerdegegenstand vor Bundesgericht ist ein Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich betreffend die vom erstinstanzlichen Gericht der Beschwerdeführerin als amtliche Verteidigerin für das erstinstanzliche Verfahren zugesprochene Entschädigung. Die Beschwerdeführerin ist berechtigt, den vorinstanzlichen Entscheid mit Beschwerde in Strafsachen anzufechten (BGE 140 IV 213 E. 1.7; Urteil 6B_730/2014 vom 2. März 2015 E. 1, nicht publ. in: BGE 141 I 124). (E.1)

Das Bundesgericht macht im Urteil 6B_532/2022 vom 20. März 2023 zur Anfechtung des Entscheids der ersten Instanz bezüglich der Honorarnote der amtlichen Verteidigung die folgenden Ausführungen:

«Gemäss Art. 135 Abs. 2 StPO legt das urteilende [erstinstanzliche] Gericht die Entschädigung der amtlichen Verteidigung am Ende des Verfahrens fest. Es hat darüber im Sachurteil zu befinden (BGE 139 IV 199 E. 5.1). Während der Entscheid über die Festsetzung der Entschädigung der amtlichen Verteidigung – wie auch derjenige über die Entschädigung für die private Verteidigung und die weiteren Verfahrenskosten – von den Parteien mit Berufung angefochten werden kann, steht der amtlichen Verteidigung gegen die Höhe der Entschädigung die Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz zur Verfügung (Art. 135 Abs. 3 lit. a StPO; vgl. BGE 139 IV 199 E. 5.6). Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung der amtlichen Verteidigung betrifft grundsätzlich nur deren eigenen Interessen. Die amtliche Verteidigung ist gemäss Art. 135 Abs. 3 StPO zur Beschwerde im eigenen Namen befugt. Die amtlich verteidigte Person ist hingegen durch die behaupteterweise zu tief festgesetzte Entschädigung nicht in ihren eigenen rechtlich geschützten Rechten betroffen, weshalb sie nicht zur Rüge legitimiert ist, das dem amtlichen Verteidiger zugesprochene Honorar sei zu niedrig bemessen (Urteile 6B_1320/2021 vom 16. Juni 2022 E. 1.1; 6B_120/2021 vom 11. April 2022 E. 3, nicht publ. in: BGE 148 IV 298; 6B_146/2021 vom 14. Februar 2022 E. 3.2; je mit Hinweisen). Die amtliche Verteidigung kann (und muss) daher gegen den erstinstanzlichen Entschädigungsentscheid in ihrer Eigenschaft als Verfahrensbeteiligte in eigenem Namen strafprozessuale Beschwerde führen (vgl. BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.2; Urteil 6B_1362/2021 vom 26. Januar 2023 E. 4.1.3, zur Publikation vorgesehen). Die 10-tägige Frist zur Beschwerde gegen ein Urteil (vgl. Art. 396 Abs. 1 StPO) beginnt mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids (BGE 143 IV 40 E. 3.4; Urteil 6B_1320/2021 vom 16. Juni 2022 E. 2.1.1). Die Zuständigkeiten der beiden Rechtsmittelinstanzen können sich folglich überschneiden, wenn eine Partei Berufung erhebt und die amtliche Verteidigung die ihres Erachtens zu tiefe Entschädigung mit Beschwerde anficht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Berufung ein reformatorisches Rechtsmittel ist. Die Beschwerde ist im Vergleich zur Berufung subsidiär. Tritt das Berufungsgericht auf die Berufung ein, so fällt es ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt (Art. 408 StPO). Damit entfällt das Anfechtungsobjekt des parallelen Beschwerdeverfahrens. Ist dies der Fall, sind die Einwände der amtlichen Verteidigung gegen die Höhe ihrer Entschädigung jedoch mit der Berufung zu behandeln (vgl. BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.6; Urteil 6B_1124/2020 vom 21. Juni 2021 E. 1.4.1).» (E.2.1).

Das erstinstanzliche Gericht hat im vorliegenden Fall, wie das Bundesgericht ausführt, das amtliche Honorar der Beschwerdeführerin gekürzt. Die Beschwerdeführerin hat dies namens ihres Mandanten in der Berufungsanmeldung kritisiert und in der Berufungserklärung die entsprechenden Dispositiv-Ziffern des erstinstanzlichen Urteils ausdrücklich angefochten. Die Vorinstanz (Obergericht des Kantons Zürich) hält mit Hinweis auf Art. 135 Abs. 3 lit. a StPO fest, wie das Bundesgericht erklärt, gegen eine erstinstanzliche Honorarkürzung der amtlichen Verteidigung sei eine Beschwerde an die III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich zu erheben. Werde dann zugleich eine Berufung erhoben und darauf eingetreten, werde die Honorarbeschwerde praxisgemäss von der Beschwerdekammer zur Behandlung an die Berufungskammer des Obergerichts überwiesen. Vorliegend habe es die Beschwerdeführerin jedoch unterlassen, eine (separate) Beschwerde bei der Beschwerdekammer zu erheben, weshalb auf ihr Rechtsmittel – das die Vorinstanz als Honorarbeschwerde bezeichnet – nicht einzutreten sei. (E.2.2)

Die Beschwerdeführerin wendet sich vor Bundesgericht gegen den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz mit der Begründung, dass der von ihr eingeschlagene Weg – Berufung sowohl betreffend die Hauptsache als auch bezüglich der Höhe der amtlichen Entschädigung zu erheben – unter dem Gesichtspunkt eines „fair trial“ der einzig angemessene Weg sei. Sie führt aus, dass es rechtsstaatlich nicht nachvollziehbar sei, wieso beim Ergreifen eines ordentlichen Rechtsmittels wie der Berufung, die amtliche Verteidigung parallel dazu noch eine subsidiäre Beschwerde ergreifen müsse, und legt dar, dass dies mit der Revision der StPO geändert werde. Eine eigentliche Rüge, welche geltende Bestimmung die Vorinstanz mit dem Nichteintreten verletzen soll, ist der Beschwerde jedoch nicht zu entnehmen. Damit ist fraglich, ob die Beschwerde überhaupt hinreichend begründet ist (vgl. BGE 148 IV 205 E. 2.6; 140 III 86 E. 2; je mit Hinweisen). Da sie sich jedoch als unbegründet erweist, kann dies gemäss Bundesgericht offen bleiben. (E.2.3).

Das Bundesgericht äussert sich hierzu generell-abstrakt wie folgt:

«Wie vorstehend dargelegt, muss die amtliche Verteidigung, die mit der vom erstinstanzlichen Gericht festgesetzten Höhe ihrer amtlichen Entschädigung nicht einverstanden ist, nach geltendem Gesetz und der aktuellen Rechtsprechung gestützt auf Art. 135 Abs. 3 lit. a StPO in eigenem Namen strafprozessuale Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz führen. Dies hat die Beschwerdeführerin unbestrittenermassen nicht gemacht (vgl. Beschwerde S. 6). Zwar legt sie zutreffend dar, dass die geltende Regelung der Rechtsmittel gegen den Entscheid über die Entschädigung für die amtliche Verteidigung in der Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung als unbefriedigend bezeichnet wird (BBl 2019 6733 Ziff. 4.1) und Art. 135 Abs. 3 StPO im Rahmen der Revision der Strafprozessordnung dahingehend abgeändert wird, dass die amtliche Verteidigung gegen den Entschädigungsentscheid das Rechtsmittel ergreifen kann, das gegen den Endentscheid zulässig ist (vgl. BBl 2022 1560). Allerdings kann die Beschwerdeführerin daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten, da die noch nicht in Kraft getretene Änderung der StPO keine Vorwirkung entfaltet.

Kommt hinzu, dass sich aus ihren Eingaben nicht ergibt, dass die Beschwerdeführerin in eigenem Namen Berufung gegen die Festsetzung der amtlichen Entschädigung im erstinstanzlichen Urteil ergriffen hat. Die Vorinstanz scheint zwar zu Gunsten der Beschwerdeführerin hiervon auszugehen, indem sie diese hinsichtlich der Entschädigung der amtlichen Verteidigung als Beschwerdeführerin aufführt und auf ihre „Honorarbeschwerde“ nicht eintritt. Allerdings lässt die Formulierung der Berufungsanmeldung und der Berufungserklärung, wonach in Sachen Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich gegen den Mandaten der Beschwerdeführerin, amtlich verteidigt durch die Beschwerdeführerin, betreffend qualifizierte grobe Verkehrsregelverletzung etc. gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung angemeldet bzw. diese begründet wird (kantonale Akten, act. 54 und 65), gerade nicht darauf schliessen, dass die Beschwerdeführerin in eigenem Namen ein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil erheben wollte. Es kann offen bleiben, ob die Vorinstanz – anstelle auf die (nicht erhobene) Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht einzutreten – nicht vielmehr auf die Berufung des Mandaten der Beschwerdeführerin mangels Rechtsschutzinteresses insoweit nicht hätte eintreten sollen, als damit die Festsetzung der amtlichen Entschädigung angefochten wurde. In jedem Fall bleibt es dabei, dass die Beschwerdeführerin nicht in eigenem Namen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Entscheid betreffend die amtliche Entschädigung an die Beschwerdeinstanz geführt hat, wie dies das geltende Recht vorsieht. Im Ergebnis verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, indem sie auf das gegen die erstinstanzliche Festsetzung der amtlichen Entschädigung erhobene Rechtsmittel nicht eintritt und der Beschwerdeführerin die Kosten für den Nichteintretensbeschluss auferlegt » (E.2.4).

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