Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Besondere Delikte, ermittelt seit 2016 im Rahmen der Aktion „Struppi“ gegen A., C., D. und B. sowie weitere Personen wegen des Verdachts der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie der qualifizierten Geldwäscherei. Die den genannten Personen zur Last gelegten Delikte sollen im Raum Basel, aber auch in diversen anderen europäischen Staaten begangen worden sein. Im Rahmen dieser Strafuntersuchung wurden verschiedene von der Staatsanwaltschaft angeordnete und durch das zuständige Zwangsmassnahmengericht Basel-Landschaft genehmigte geheime Überwachungsmassnahmen durchgeführt, unter anderem Audio- und GPS-Überwachungen von Fahrzeugen, die auf die beschuldigten Personen eingelöst waren oder von diesen genutzt wurden. Während der Zeit der Überwachung bewegten sich diese Fahrzeuge wiederholt in mehreren europäischen Staaten, insbesondere in Deutschland, Spanien, den Niederlanden und Frankreich.
Instanzenzug
Nachdem die beschuldigten Personen über die geheimen Überwachungsmassnahmen in Kenntnis gesetzt worden waren, beantragten sie bei der Staatsanwaltschaft übereinstimmend, sämtliche Überwachungsergebnisse mit Auslandsbezug, die ohne vorgängige Genehmigung durchgeführt worden seien, und alle daraus gewonnen Folgebeweise aus den Verfahrensakten zu entfernen und sofort zu vernichten. Die entsprechenden Anträge der beschuldigten Personen wurden von der Staatsanwaltschaft abgelehnt, soweit diese darauf eintrat.
Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 sowie drei Beschlüssen vom 20. März 2023 hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft die gegen die Verfügungen der Staatsanwaltschaft erhobenen Beschwerden der beschuldigten Personen – soweit sich diese auf die Verwertbarkeit der im Ausland erhobene Beweismittel bezogen – gut. Das Kantonsgericht ordnete die sofortige Entfernung und Vernichtung sämtlicher aus der Überwachung auf ausländischem Territorium entstammenden Daten bzw. Ergebnisse an. Zudem wies es die Staatsanwaltschaft an, die daraus abgeleiteten Beweise zu ermitteln und darüber zu entscheiden, ob diese bis zum Abschluss des Verfahrens in den Akten verbleiben oder aus diesen entfernt werden müssen.
Weiterzug ans Bundesgericht
Mit vier Eingaben vom 2. Juni 2023 erhebt die Staatsanwaltschaft beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, die angefochtenen Beschlüsse betreffend A. (Verfahren 7B_273/2023; ehemals 1B_302/2023), B. (Verfahren 7B_274/2023; ehemals 1B_303/2023), C. (Verfahren 7B_275/2023; ehemals 1B_304/2023) und D. (Verfahren 7B_276/2023; ehemals 1B_310/2023) aufzuheben und die Beschwerden der beschuldigten Personen an das Kantonsgericht abzuweisen respektive die Sache zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
Mit Verfügung vom 26. Juni 2023 vereinigte das Bundesgericht die genannten Verfahren und erkannte den Beschwerden auf Antrag der Staatsanwaltschaft die aufschiebende Wirkung zu. Mit Eingabe vom 6. Juli 2023 beantragte die Vorinstanz unter Verweisung auf die angefochtenen Entscheide die Abweisung der Beschwerden, verzichtete im Übrigen aber auf eine Vernehmlassung. Sämtliche Beschwerdegegner reichten eine Vernehmlassung ein und beantragten die Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_273/2023, 7B_274/2023, 7B_275/2023, 7B_276/2023 vom 11. April 2024
Das Bundesgericht äussert sich einleitend, mit dem Schwerpunkt des Territorialitätsprinzips, generell-abstrakt im Urteil 7B_273/2023, 7B_274/2023, 7B_275/2023, 7B_276/2023 vom 11. April 2024 wie folgt:
«Im internationalen Strafrecht gilt der Grundsatz der Territorialität (BGE 146 IV 36 E. 2.2; 143 IV 21 E. 3.2-3.4, 270 E. 4.7; 141 IV 108 E. 5.3 und 5.12; Urteil 7B_159/2022 vom 11. Januar 2024 E. 5.1, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweisen). Nach diesem kann ein Staat die mit seiner Souveränität verbundenen Befugnisse – darunter die Strafverfolgungsgewalt – nur innerhalb seines eigenen Gebietes ausüben. Die Staaten müssen somit gegenseitig ihre Souveränität beachten. In Anbetracht dieses Grundsatzes ist ein Staat auch nicht ermächtigt, Untersuchungs- und Strafverfolgungsmassnahmen auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung vorzunehmen. Von einem Staat oder seinen Beamten auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne eine solche Zustimmung vorgenommene hoheitliche Akte sind somit unzulässig und stellen eine Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität des betroffenen Staates dar, was einer Verletzung des Völkerrechts gleichkommt. Eine Verletzung des Territorialitätsprinzips kann auch erfolgen, wenn der verfolgende Staat sich mittels objektiv als unfair beurteilten Mitteln Beweismittel oder von Sicherungsmassnahmen betroffene Vermögenswerte namentlich unter Verletzung der für die internationale Rechtshilfe in Strafsachen geltenden Regeln beschafft. Nicht nötig ist, dass die Behörde auf ausländischem Gebiet gehandelt hat, um die Souveränität des ausländischen Staates zu verletzen; es genügt, dass ihre Handlungen Wirkungen auf dem Gebiet dieses Staates entfalten (zum Ganzen: BGE 146 IV 36 E. 2.2 mit zahlreichen Hinweisen; siehe auch Urteil 7B_120/2022 vom 5. Oktober 2023 E. 2.4.2.1.). Zu den amtlichen Handlungen, die das Territorialitätsprinzip und die Souveränität eines anderen Staates beachten müssen, zählt namentlich der Einsatz von technischen Überwachungsgeräten im Sinne von Art. 280 StPO. Dies gilt nach der publizierten Rechtsprechung des Bundesgerichts auch bei der Installation von technischen Überwachungsgeräten wie GPS-Sender oder Mikrophone auf Schweizer Territorium an in der Schweiz immatrikulierten Motorfahrzeugen, sofern sich diese Fahrzeuge zu einem späteren Zeitpunkt im Hoheitsgebiet eines anderen Staates befinden (BGE 146 IV 36 E. 2.3; Urteile 1B_93/2021 vom 19. Juli 2021 E. 2; 1B_302/2020 vom 15. Februar 2021 E. 3). Der Einsatz von technischen Überwachungsgeräten im Hoheitsgebiet eines fremden Staates ist nach der Rechtsprechung nur zulässig, wenn die Strafbehörden dazu nach internationalem Recht ermächtigt sind oder der betroffene Staat nach den Regeln der internationalen Rechtshilfe sein (grundsätzlich vorgängig einzuholendes) Einverständnis erteilt hat. Unter Verletzung des Territorialitätsprinzips mittels technischer Überwachungsgeräte gewonnene Erkenntnisse sind absolut unverwertbar (BGE 146 IV 36 E. 2; bestätigt in den Urteilen 7B_120/2022 vom 5. Oktober 2023 E. 2.4; 1B_93/2021 vom 19. Juli 2021 E. 2; 1B_302/2020 vom 15. Februar 2021 E. 3).» (E.2).
Die Ansicht der Vorinstanz, gibt das Bundesgericht im Urteil 7B_273/2023, 7B_274/2023, 7B_275/2023, 7B_276/2023 vom 11. April 2024 wie folgt wieder:
«In tatsächlicher Hinsicht stellt die Vorinstanz fest, die von den geheimen Überwachungsmassnahmen betroffenen und mit GPS-Sender sowie Wanze ausgestatteten Fahrzeuge hätten sich nicht nur auf schweizerischem Staatsgebiet, sondern wiederholt in mehreren europäischen Ländern wie insbesondere Deutschland, Spanien, den Niederlanden und Frankreich bewegt. Unter Verweisung auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichts gelangt sie zum Schluss, es stehe ausser Frage, dass ein Auslandsbezug vorliege und entsprechend zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen für den Einsatz von technischen Überwachungsgeräten im Ausland gegeben waren.
Diesbezüglich hält die Vorinstanz zusammengefasst fest, die Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Es liege kein internationales Recht in der Form von Verträgen, bilateralen Vereinbarungen oder internationalem Gewohnheitsrecht vor, welches die in der Schweiz angeordneten technischen Überwachungsmassnahmen im Ausland zulassen würden. Weiter habe auch keine vorgängige Zustimmung der jeweiligen ausländischen Behörden zu den fraglichen Überwachungsmassnahmen, oder zufolge Dringlichkeit zumindest ein sofortiges bzw. unverzügliches Rechtshilfeersuchen, vorgelegen. Stattdessen gehe aus den Akten vielmehr hervor, dass die Rechtshilfegesuche erst knapp zwei Jahre nach Beginn der technischen Überwachungsmassnahmen gestellt worden seien. Dies könne nicht als rechtzeitig, sondern müsse als klar verspätetet betrachtet werden, zumal für ein derart langes Zuwarten keine plausiblen Gründe vorlägen. Mit Blick auf die nicht gegebenen Voraussetzungen für den Einsatz der technischen Überwachungsgeräte im Ausland gelangt die Vorinstanz, unter Verweisung auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichts, zum Ergebnis, die dabei gewonnenen Erkenntnisse seien absolut unverwertbar im Sinne von Art. 144 Abs. 1 Satz 2 StPO und daher unverzüglich aus den Verfahrensakten zu entfernen und zu vernichten.» (E.3.1).
Die Ansicht der Beschwerdeführerin (Staatsanwaltschaft) gibt das Bundesgericht im Urteil 7B_273/2023, 7B_274/2023, 7B_275/2023, 7B_276/2023 vom 11. April 2024 wie folgt wieder:
«Die Beschwerdeführerin bestreitet den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt nicht und macht auch nicht geltend, die Vorinstanz sei von der vorstehend dargestellten Rechtsprechung abgewichen. Sie räumt vielmehr ausdrücklich ein, dass, sofern man der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folge, wonach es wegen Verletzung des Territorialitätsprinzips rechtzeitig diverser Rechtshilfeersuchen bedurft hätte, diese Voraussetzungen „in casu tatsächlich nicht eingehalten worden“ seien. Stattdessen legt sie auf rund 20 Seiten dar, weshalb sie die mit BGE 146 IV 36 begründete und hiernach mehrfach bestätigte (siehe E. 2 hiervor) Rechtsprechung als fehlerhaft erachte und sich deren Überprüfung geradezu aufdränge.» (E.3.2).
Das Bundesgericht entscheidet Urteil 7B_273/2023, 7B_274/2023, 7B_275/2023, 7B_276/2023 vom 11. April 2024 wie folgt im vorliegenden Fall:
«Eine Änderung der Rechtsprechung muss sich auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen, die – vor allem im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit – umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erkannte Rechtsanwendung für zutreffend erachtet worden ist. Eine Praxisänderung lässt sich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis des Gesetzeszweckes, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht, andernfalls ist die bisherige Praxis beizubehalten (BGE 149 II 381 E. 7.3.1; 149 V 177 E. 4.5; 148 III 270 E. 7.1; je mit Hinweisen). Aus den Vorbringen der Beschwerdeführerin, ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine Praxisänderung nahelegen würden. Stattdessen legt sie in erster Linie ihre eigene Rechtsauffassung dar, wonach die bisherige Rechtsprechung vom Gesetzgeber „mit Sicherheit nicht gewollt“ sei. Auf die von der Beschwerdeführerin kritisierte und erst kürzlich erneut bestätigte Rechtsprechung ist nicht zurückzukommen.» (E.3.3).
Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Urteil 7B_273/2023, 7B_274/2023, 7B_275/2023, 7B_276/2023 vom 11. April 2024 ab, soweit es darauf eintritt (E.4).