Völkerrecht und Verfassungsrecht als rechtliche Grundlagen für Beschwerde von Privatklägerschaft

Im kurzen, aber hochinteressanten Urteil des Bundesgerichts 7B_93/2023 vom 4. April 2024 aus dem Kanton Basel-Stadt ging es um die Beschwerdelegitimation einer Privatklägerin (es ging um Handlungen eines Polizisten). In diesem Fall wären Zivilansprüche nicht gegen den Beschuldigten, sondern gegen den Kanton zur Diskussion gestanden (nach der kantonalen gesetzlichen Regelung). Das Bundesgericht erklärte, dass die Privatklägerschaft nur zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt ist, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG) (E.1.1.). Das Bundesgericht bemerkte aber weiter Folgendes: «Ohne im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde legitimiert zu sein, kann sich die Privatklägerschaft in der Sache dennoch gegen eine Verfahrenseinstellung oder einen Freispruch zur Wehr setzen, sofern ein verfassungsmässiger oder völkerrechtlicher Anspruch auf Ausfällung der im Gesetz vorgesehenen Strafen besteht. Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und Art. 13 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) sowie Art. 13 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (SR 0.105) einen Anspruch des Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (BGE 141 IV 349 E. 3.4.2; 138 IV 86 E. 3.1.1; je mit Hinweisen). In diesem Sinne hat Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung, wer in vertretbarer Weise geltend macht, von staatlichen Stellen misshandelt worden zu sein (BGE 131 I 455 E. 1.2.5; zum Ganzen: Urteile 7B_472/2023 vom 7. November 2023 E. 3.1; 6B_1306/2022 vom 13. Juni 2023 E. 1.2; je mit Hinweisen).» (E.1.3).

Sachverhalt

Am Abend des 19. Juni 2017 fuhr A. ohne Ticket im Zug von Zürich nach Basel. Bei der Ticketkontrolle gab sie dem Zugbegleiter ihre korrekten Personalien an und wies dabei ihren Pass vor. Als sie dem Zugbegleiter in der Folge ihren Pass nicht nochmals vorzeigte, erzürnte dieser und avisierte die Transportpolizei, die wiederum die Polizei beizog. Nach ihrem Ausstieg im Bahnhof Basel SBB wurde A. von uniformierten Polizeibeamten angehalten. Sie befand sich inzwischen in einem psychischen Ausnahmezustand, was sie selbst als Panikattacke beschrieb, und weigerte sich, gegenüber der Polizei ihren Pass vorzuweisen. Weinend und „zusammengekugelt“ blieb sie auf ihrer Tasche sitzen. Nachdem sämtliches Zureden erfolglos blieb, zogen die Polizeibeamten A. an den Armen hoch, um sie auf ihre Beine zu stellen. Dies gelang erst nach mehreren Versuchen, da sich A. jeweils widersetzte, indem sie ihre Beine hochzog, statt sie auf den Boden zu stellen. Der Polizeibeamte wandte daraufhin den Schwanenhalsgriff an, eine Festnahmetechnik, die das Handgelenk traktiert, sodass die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt werden konnten. Dies löste bei A. erhebliche Schmerzen aus. Auch während dieses Vorganges wehrte sie sich heftig und trat mit den Beinen um sich, wobei sie mehrfach den rechten Fuss des Polizeibeamten B. im Bereich der Zehen traf. Anschliessend führten die beiden Polizeibeamten A. zum Polizeiwagen und fuhren mit ihr auf die Wache. Dort angekommen, verspürte sie einen brennenden Schmerz an der Hand, weshalb sie sich nach ihrer Entlassung direkt zur Notfallstation des Universitätsspitals Basel begab und ihr Handgelenk untersuchen liess. Dabei wurde eine Handgelenkskontusion diagnostiziert und eine Arbeitsunfähigkeit von weniger als drei Tagen festgestellt. Die einige Tage später erfolgte MRI-Untersuchung ergab keinen pathologischen Befund.

Instanzenzug

Am 18. September 2017 reichte A. Strafanzeige gegen Unbekannt respektive den Polizeibeamten B. wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch, einfache Körperverletzung, Tätlichkeit sowie sämtliche weitere infrage kommenden Delikte ein.

Mit Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 22. Oktober 2018 wurde das Strafverfahren zufolge „Rechtmässigkeit des polizeilichen Handelns und Fehlens eines Tatbestandes“ eingestellt.

Mit Entscheid vom 16. Februar 2023 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt die von A. gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde ab.

Weiterzug ans Bundesgericht

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A. dem Bundesgericht sinngemäss, es sei der Beschwerdeentscheid aufzuheben und die Sache sei an die Staatsanwaltschaft zur Fortführung der Strafuntersuchung zurückzuweisen. Eventualiter sei das Verfahren zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_93/2023 vom 4. April 2024  

Zur Beschwerdelegitimation führt das Bundesgericht im Urteil 7B_93/2023 vom 4. April 2024 allgemein aus:

«Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gelten Ansprüche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Es geht dabei in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1). Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 146 IV 76 E. 3 mit Hinweisen).» (E.1.1).

Zur Lage von zivilrechtlichen Ansprüchen im vorliegenden Fall erläutert das Bundesgericht im Urteil 7B_93/2023 vom 4. April 2024 Folgendes:

«Gemäss § 3 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 17. November 1999 über die Haftung des Staates und seines Personals (Haftungsgesetz, HG/BS; SG 161.100) haftet der Staat für den Schaden, den sein Personal in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt. Gegenüber dem fehlbaren Personal steht der geschädigten Person kein Anspruch zu (§ 3 Abs. 2 HG/BS). Bei den angezeigten Personen handelt es sich um Polizeibeamte des Kantons Basel-Stadt. Allfällige Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche beurteilen sich daher ausschliesslich nach dem kantonalen Haftungsgesetz und sind öffentlich-rechtlicher Natur. Da der Beschwer völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Anspruch auf Ausfällung einer Strafe bemerkt das Bundesgericht im Urteil 7B_93/2023 vom 4. April 2024 den folgenden, sehr wesentlichen, Punkt:

«Ohne im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde legitimiert zu sein, kann sich die Privatklägerschaft in der Sache dennoch gegen eine Verfahrenseinstellung oder einen Freispruch zur Wehr setzen, sofern ein verfassungsmässiger oder völkerrechtlicher Anspruch auf Ausfällung der im Gesetz vorgesehenen Strafen besteht. Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und Art. 13 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) sowie Art. 13 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (SR 0.105) einen Anspruch des Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (BGE 141 IV 349 E. 3.4.2; 138 IV 86 E. 3.1.1; je mit Hinweisen). In diesem Sinne hat Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung, wer in vertretbarer Weise geltend macht, von staatlichen Stellen misshandelt worden zu sein (BGE 131 I 455 E. 1.2.5; zum Ganzen: Urteile 7B_472/2023 vom 7. November 2023 E. 3.1; 6B_1306/2022 vom 13. Juni 2023 E. 1.2; je mit Hinweisen).» (E.1.3).

Auf diese verfassungs- bzw. völkerrechtlichen Bestimmungen beruft sich die Beschwerdeführerin aber gemäss dem Bundesgericht nicht, womit sich weitere Erwägungen diesbezüglich erübrigen (Art. 106 Abs. 2 BGG) (E.1.3 a.E.).

Gemäss dem Bundesgericht erweist sich die Beschwerde als unzulässig (E.2).

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